Umstrittene Sicherheitssoftware Palantir: „Leider viel Angst in der Debatte“

Was halten Sie von der umstrittenen Sicherheitssoftware Palantir? Verena Mertens: Sehr viel. Das ist ja keine willkürliche KI, die Daten von irgendwoher zieht, sondern ein Such- und Analysetool, um bestehende polizeiliche Daten abzufragen, auszuwerten und zu visualisieren. Im Prinzip eine Suchmaschine für polizeiliche Datenbanken. Damit greift das Werkzeug auf legale Daten zu, die bereits vorhanden sind und rechtmäßig erhoben wurden. Diese Daten, auf die Palantir zugreift, werden auch nicht ewig gespeichert. Daten von Zeugen bei Verkehrsunfällen etwa werden – je nach Einzelfall – nach ein bis zwei Jahren wieder gelöscht. Da gibt es strenge Regeln. Früher mussten Akten händisch aussortiert werden, das geschah nicht immer fristgerecht. Digital geht das automatisch. Das passiert aber nicht in Palantir selbst, sondern in den polizeilichen Datensystemen, auf die Palantir zugreift. Ist das nicht eine Form der Rasterfahndung? Nein, das ist im Normalfall keine Rasterfahndung. Wird ein Drogendealer mit dem Auto geblitzt, kann das bei Ermittlungen als Puzzleteil helfen. Derartige Daten dürfen legal erfasst werden und können nun zielgerichteter gefunden werden. Wir überprüfen nicht beliebig unbescholtene Bürger, sondern, nur wenn es bestimmte Verdachtsmomente für eine Straftat gibt. Palantir darf hierbei nur bei dem Verdacht bestimmter schwerer Straftaten überhaupt eingesetzt werden. Sollte ausnahmsweise doch eine Massensuche beabsichtigt sein, ist diese nur unter den engen rechtlichen Voraussetzungen zulässig, die bereits für die Rasterfahndung gelten und sich nicht geändert haben. Dazu gehört, dass ein Richter diese Maßnahme anordnen muss. &bdquo;Durch Palantir ändert sich nicht die Rechtslage“ Manche Bürger fürchten eine Art Überwachung durch Palantir. Leider ist viel Angst in der Debatte. Angst davor, dass der Staat unbescholtene Bürger beobachten will. Durch Palantir ändert sich aber nicht die Rechtslage. Die Polizei darf nicht mehr als zuvor, sie kann nur schneller und effizienter arbeiten. Wer nicht im Verdacht einer Straftat steht, nach dessen Daten darf nicht gezielt gesucht werden. Das gilt jetzt schon. Ich darf keine Kennzeichenabfrage machen, nur weil ich im Auto eine hübsche Frau gesehen habe. Das gilt auch für Palantir. Man kann auch ohne Verschulden interessant werden. Wenn bei einer Straftat ein bestimmter Autotyp verwendet wurde und ich zufällig den gleichen Typ fahre, gerate ich in den Fokus. Ja, aber das gilt grundsätzlich immer bei polizeilicher Ermittlungsarbeit. Auch ohne Palantir. Da werden dann alle Autos dieses Typs überprüft. Wenn Sie die Straftat nicht begangen haben, erlischt das Interesse an Ihnen unmittelbar. Was, wenn ein mächtiges Instrument wie Palantir in die Hände der Falschen gerät. Wenn etwa die AfD an die Regierung käme. Wir müssen alles tun, um das Vertrauen in die Justiz aufrechtzuerhalten und ihre Unabhängigkeit zu stärken. Die Justiz muss gesetzlich so abgesichert werden, dass man das nicht aushebeln könnte. Ein wichtiges Instrument ist, dass man für bestimmte Maßnahmen einen richterlichen Beschluss braucht. Das ist der größtmögliche Schutz für die Bürger. Wenn eine autokratische Regierung das Justizsystem manipulieren wollte, hätte das nicht primär etwas mit einem System wie Palantir zu tun. Das ist eine ganz grundsätzliche Frage. Entscheidend ist die unabhängige Justiz. Eine korrupte Justiz könnte Sie ohne Grund anklagen, ohne dabei Palantir zu benötigen. &bdquo;Natürlich hat die Polizei gezielt jene kontrolliert, die ins Profil passten“ In der Kritik steht häufig auch das sogenannte Racial Profiling. Wie stehen Sie dazu? Dahinter steht die Frage nach Sinnhaftigkeit von Kontrollen und Ermittlungen. Erinnern Sie sich an die Kölner Silversternacht 2015, als Frauen zahlreich belästigt wurden – vor allem von jungen Männern aus den Maghrebstaaten. Im Jahr danach wurde von der Polizei erwartet, dass sie das verhindert. Natürlich hat die Polizei in der folgenden Silvesternacht an den einschlägigen Orten gezielt jene kontrolliert, die ins Profil passten und nicht die 80-jährige Großmutter. Ja, es kann unangenehm für Unschuldige sein, die ins Schema passen und kontrolliert werden. Ich kann auch verstehen, dass sie sich in diesem Moment diskriminiert fühlen. Aber was wäre das Alternativmodell? Leute zu kontrollieren, von denen wir sicher wissen, dass sie keine potenziellen Täter sind? Grundsätzlich gilt: Sie werden nicht verhaftet, weil Sie ins Profil passen, sondern nur kontrolliert und dann können Sie Ihrer Wege gehen.

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