AfD-Gutachten: Verfassungsschutz verweist auf Paderborner Politiker

Bielefeld. In einem rund 1.100 Seiten starken Schreiben, das als &bdquo;Verschlusssache“ – also als Geheimdokument – gilt, hat der Verfassungsschutz Beiträge und Aussagen von AfD-Politikern gesammelt. Das Gutachten begründet die in der vergangenen Woche bekanntgewordene Einstufung der Partei als &bdquo;gesichert rechtsextremistisch“. Mittlerweile haben Medien das Gutachten öffentlich gemacht – und es wird klar, welche Rolle AfD-Politiker aus Ostwestfalen-Lippe darin spielen. In dem Gutachten wird unter anderem der Paderborner AfD-Kreissprecher Marvin Weber mehrfach zitiert. Name und Aussagen Webers tauchen an ungefähr 20 Stellen auf. Dabei wirft der Verfassungsschutz Weber Verschiedenes vor. Zum Beispiel vertrete der AfD-Politiker aus Paderborn &bdquo;ethisch-abstammungsmäßige Aussagen und Positionen“. Ein Beispiel: Im Juni 2022, so der Nachrichtendienst, unterstellte Weber der Partei Die Grünen in einem Telegram-Beitrag die Absicht, &bdquo;alles Deutsche durch Massenmigration und Vielfaltsokkultismus aufzulösen“. Im Dezember 2022 schrieb Weber von einer &bdquo;Umvolkung gen Multikulti-Kalifat“ und warnte laut Verfassungsschutz vor einem &bdquo;asymmetrischen Konflikt“, in dem &bdquo;Messermorde, Vergewaltigungen und schlimmste Straftaten gegen unsere Frauen und Kinder durch illegal eingewandert Invasoren“ stattfänden. Weber ohnehin im Fokus von Verfassungsschützern? Weber, auch Bürgermeisterkandidat in der zweitgrößten Stadt in OWL, gilt unter Beobachtern als extrem rechts. Die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus (MBR) nennt ihn &bdquo;mindestens populistisch“. Ebenso scheint er eine Nähe zum Personenkreis um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zu haben, der vormals als &bdquo;Flügel“ bekannt war und als rechtsextremistisch gilt. Der Verfassungsschutz zitiert Weber auch mit Aussagen, die als fremdenfeindlich eingestuft werden. So stellte der Paderborner laut Nachrichtendienst im Sommer 2022 in einem Beitrag Migranten und Schwerstkriminalität in einen direkten Zusammenhang. In einem anderen Post aus dem gleichen Zeitraum attestieren die Verfassungsschützer ihm ein fragwürdiges Demokratieverständnis. Wörtlich schrieb Weber, die Bundesrepublik sei ein &bdquo;gebrochenes Experiment der Siegermächte“. Weitere Vorwürfe gegen den Paderborner Webers Aussagen tauchen ebenfalls im Kapitel &bdquo;Positionierung zum Nationalsozialismus“ auf. Im Juli 2022 schrieb Weber in sozialen Medien: &bdquo;Ich bin fest davon überzeugt, dass es den einheimischen Deutschen auf der Seele brennt, endlich wieder ohne ewigen Schuldkult Deutsche im eigenen Land sein zu dürfen (...)“, und weiter: &bdquo;Wir wollen endlich wieder frei von den ewigen Ketten der ewigen Geschichtsinstrumentalisierung der uns ausplündernden Staaten sein.“ Der Nachrichtendienst zitiert auch Postings von Uwe Detert, Mitglied im Lipper Kreistag und Beisitzer im NRW-Vorstand der Partei. Er hatte laut &bdquo;Welt am Sonntag“ verschiedene Fotos samt Text verbreitet, die nach Ansicht des Verfassungsschutzes gegen das Demokratieprinzip verstoßen. Zum Beispiel habe er ein Video mit folgender (nicht selbst formulierter) Aussage verbreitet: &bdquo;Deutschland ist kein souveräner Staat. Ohne Souveränität gibt es keine Beamten. Keine Bußgelder. Keinen Arrest.“ Ebenso soll er ein weiteres Video mit dieser (ebenfalls nicht selbst formulierten) Aussage verbreitet haben: &bdquo;Das Deutsche Reich ist da – es ist nie untergegangen – es war in kein Kriegsgeschehen verwickelt – es gehört uns.“ Die Zeitung brachte die Aussagen damals mit der Reichsbürger-Ideologie in Verbindung, Detert dementiert, dieser Szene nahezustehen oder anzugehören. Teil der Parteiführung stammt aus OWL Wenig verwunderlich ist, dass in dem Gutachten auch Aussagen der aus dem Kreis Gütersloh stammenden Bundessprecherin Alice Weidel eine wichtige Rolle spielen. Unter dem Vorwurf der Muslimfeindlichkeit führt der Verfassungsschutz laut &bdquo;Bild“ beispielsweise folgende Aussage auf: &bdquo;Das, was wir auf den deutschen Straßen erleben, ist der Dschihad. Hier wird ein Glaubenskrieg gegen die deutsche Bevölkerung bereits geführt. (...)“ Unter dem Vorwurf, durch DDR-Vergleiche das Vertrauen in die Demokratie zu unterwandern, nennt der Nachrichtendienst Weidels Aussage: &bdquo;Wenn man die Gebühren dieses gleichgeschalteten Staatsfunks – ne? Also, Regierungskritik ist da ja nicht erlaubt, nicht wahr? – wenn man die nicht zahlt, dann landen Sie einfach im Knast. (...) Gegen die eigene Bevölkerung! Und vor allen Dingen gegen Kritiker. Und das kennen wir aus regressiven Regimen. Das ist DDR 2.0 (...).“ Schon 2021 hatte sich der Nachrichtendienst in einem Gutachten mit der AfD und möglichen Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung befasst. Dieses geleakte Geheimdokument rechtfertige damals die Einstufung der AfD als sogenannten rechtsextremen &bdquo;Verdachtsfall“ und ermöglichte dem Nachrichtendienst, die Partei genauer unter die Lupe zu nehmen. Schon damals befasste sich der Verfassungsschutz mit Aussagen von Weber, aber auch beispielsweise von Thomas Röckemann aus Minden. Vergangene Woche teilte der Verfassungsschutz mit, dass die AfD nach jahrelanger Prüfung nun &bdquo;gesichert rechtsextremistisch“ ist. Dadurch hat der Nachrichtendienst besondere Befugnisse, Informationen über die Partei zu sammeln. Die Partei hat im Eilverfahren gegen die Einstufung geklagt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat daraufhin eine sogenannte Stillhaltezusage abgegeben. Die öffentliche Einstufung (also zum Beispiel in Berichten oder Veröffentlichungen des Nachrichtendienstes) wird demnach vorläufig ausgesetzt, bis das Verwaltungsgericht Köln über den AfD-Eilantrag entschieden hat. Anmerkung: In einer vorherigen Version wurde Weber mit dem Wort &bdquo;Massenmorde“ zitiert, jedoch schrieb er von &bdquo;Messermorden“. Wir haben den Fehler korrigiert.

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