In diesem OWL-Gefängnis werden betagte Betrüger, Mörder und Co. gepflegt

Hövelhof. In ein paar Tagen wird ein Platz frei. Ein Mann, mittlerweile Mitte 90, wird aus der Pflegeabteilung der JVA Hövelhof entlassen. Mehr als drei Jahre war er hier, hatte zuvor versucht, seinen Schwiegersohn zu töten. &bdquo;Etwa 90 Jahre davor, sein fast gesamtes Leben, war er straffrei“, sagt Dirk Rautenberg, Leiter des JVA-Pflegedienstes in der Einrichtung. Seine Strafe hat der Mann in wenigen Tagen verbüßt. Lange wird der Haftraum nicht frei bleiben. Hinter zwei meterhohen Maschendrahtzäunen – dazwischen angerosteter Stacheldraht – steht das alte, unscheinbare Gebäude, so grau wie der Himmel an diesem regnerischen Tag: die Pflegeeinrichtung der JVA Hövelhof. Rautenberg, ganz in Weiß gekleidet, kommt durch eine dicke, gläserne Tür in dem Gebäude auf dem ehemaligen Kasernengelände. Seit vier Jahren leitet er den Pflegedienst, arbeitete zuvor bereits drei Jahrzehnte im Justizvollzug. Er zeigt heute sein Reich, seinen Arbeitsplatz. 16 männliche Straftäter sind hier untergebracht. &bdquo;Diebstahl, Mord – und alles dazwischen“, sagt Rautenberg. &bdquo;Die meisten sind während der Haft aus Altersgründen pflegebedürftig geworden. Andere waren es schon, als sie ihre Straftat begangen haben.“ Der Altersschnitt reiche von 30 Jahren bis weit in die 90er. Andere Insassen – andere Vorgehensweise Platz für mehr Personen gäbe es hier in Hövelhof, die Hafträume waren ursprünglich als Doppelzimmer konzipiert. &bdquo;Das ist aber kaum möglich. Die Klientel hat sich in den vergangenen Jahren verändert“, sagt Rautenberg. Früher sei seine Einrichtung eher dafür ausgelegt gewesen, pflegebedürftige Straftäter &bdquo;wieder aufzupäppeln“, um sie dann wieder in den normalen Vollzug zu überstellen. &bdquo;Heute haben wir vor allem Straftäter hier, die teils seit Jahrzehnten in Haft sitzen. Immer alleine in ihrem Raum. Diese besonders pflegebedürftigen Menschen plötzlich über Jahre mit anderen Personen auf engstem Raum unterbringen? Eine Herausforderung.“ Denn einige der 16 Insassen gelten für Richter als &bdquo;besonders gefährlich“. Sie wurden zu Sicherungsverwahrung verurteilt – sie kommen also auch nach ihrer verbüßten Haftstrafe nur unter ganz besonderen Umständen frei. Manche verbringen Jahrzehnte und auch ihren Lebensabend im Justizvollzug, bei Krankheit oder Pflegebedarf in einem Justizvollzugskrankenhaus in Fröndenberg (Kreis Unna) – oder in der Hövelhofer Pflegeeinrichtung. Kirchraum, Behandlungszimmer, Barrierefreiheit &bdquo;Wir versuchen zu vermeiden, dass die Straftäter bei uns sterben. Wir wollen ihnen nach Möglichkeit einen Tod fernab der Gefängnisgitter ermöglichen“, sagt Rautenberg. Zum Beispiel durch eine Entlassung in eine &bdquo;öffentliche“ Pflegeeinrichtung. Nicht immer gelinge das, manche versterben auch hier in Hövelhof. Andere wollen ihren &bdquo;sicheren Ort“ in der JVA dagegen im hohen Alter gar nicht erst verlassen. Im Erdgeschoss ein Kirchraum, eigene Behandlungszimmer für Zahnmedizin, Physio- oder Ergotherapie. Das Haus ist größtenteils barrierefrei – oder soll es werden. Die JVA Hövelhof ist breit aufgestellt. Im zweiten Stock hinter weißen Metalltüren leben die Gefangenen. Ein Mann mit Helm und Rollator geht langsamen Schrittes den langen, hellgestrichenen Trakt entlang. Bewegungsübungen. Eine Pflegerin hilft dem Mann mit dem langen, weißen Bart. Der Inhaftierte tötete mehrere Menschen, flüchtete mehrfach aus der Haft. Heute, so scheint es, ist er nur noch ein Schatten seiner selbst – und gilt dennoch als mögliche Gefahr. In manchen Gefängnissen sind Türen für Rollstuhlfahrer zu schmal In anderen Justizvollzugsanstalten in NRW hätten Menschen wie er keinen Platz. Barrierefreie Hafträume gibt es nur vereinzelt, die Pflegemöglichkeiten wie in Hövelhof dagegen nicht. In anderen Gefängnissen scheint es zudem an Kleinigkeiten zu scheitern. In anderen Justizvollzugsanstalten, so heißt es aus informierten Kreisen, sollen teilweise beispielsweise Zellentüren für Rollstuhlfahrer zu schmal sein. Die lange Warteliste der Einrichtung in Hövelhof legen außerdem nahe, dass JVA-Pflegeplätze in NRW fehlen. Rautenberg steckt seinen Schlüssel in das schwere Schloss einer Metalltür im zweiten Stock. Der Riegel öffnet sich mit einem Krachen. Hinter der Tür: ein spartanisch eingerichtetes Zimmer, das nach kaltem Zigarettenrauch müffelt. Vergitterte Fenster. Zwei Betten, auf einem fehlt die Matratze. Zwei hölzerne Schränke. Ein Tisch, auf dem ein paar Reste des Frühstücks stehen. Der Häftling ist heute nicht da. &bdquo;Gericht“, sagt Rautenberg kurz. Anderer Alltag als in normaler JVA Ein paar Türen weiter: Michael K. sitzt mitten im Raum in einem elektrischen Rollstuhl. An seinem Schrank hängen Poster von Autos, der Fernseher läuft. Die Ludolfs. Literweise Milch und Limonade stehen im Regal. K., 54 Jahre und mit Brille, stammt aus Aachen und lebt seit gut neun Monaten hier im Kreis Paderborn. Generell unterscheidet sich der Alltag in Hövelhof durchaus von dem in anderen Gefängnissen. Nicht unbedingt, was den strikten Ablauf angeht. Aufstehen um 7 Uhr, danach Frühstück. Statt einer Arbeit nachzugehen, bekommen die Gefangenen nun aber Tabletten, werden gewaschen von den gut 15 Pflegefachkräften oder erhalten Ergo- oder Physiotherapie. In Freistunden können die Insassen ins Freie, sogar Minigolf spielen. Nachmittags dann Karten, um 9 Uhr ist Bettruhe. Was Rautenberg beobachtet: &bdquo;Der Fernseher läuft hier tagsüber fast andauernd.“ Bald könnte ein Dementer oder ein Rollstuhlfahrer kommen Michael K. ist über Umwege nach seiner Verurteilung wegen Drogentransporten in Hövelhof gelandet. Zuvor hatte er sein linkes Bein verloren. &bdquo;Blutvergiftung“, sagt er. Auch sein rechtes Bein hätte er beinahe kurz darauf verloren. &bdquo;Das Wundmanagement hier ist aber gut. Es musste nicht amputiert werden“, sagt K. Er lächelt, wirkt zufrieden hier. Wohl auch, weil sein Aufenthalt hier kürzer ist, als der einiger anderer: Denn K. wartet auf einen Therapieplatz außerhalb der Gefängnismauer und kann die Anstalt dann verlassen. Auch sein Haftraum wird vermutlich nicht lang frei bleiben, wenn er die JVA verlässt. Etwa 70 Anträge zu Straftätern stehen auf der Warteliste. Drei Personen stehen aktuell weit oben. Darunter ein Straftäter in Sicherungsverwahrung, der Demenz haben könnte. Und ein Betrüger im Rollstuhl.

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