Charme-Offensive und Eigenwerbung: So lief Wüsts Reise nach Katar

Doha. Ein langer Tag in der Wüstenhitze von Katar liegt hinter ihm, doch Hendrik Wüst ist auch zu später Stunde munter. Und kontrolliert. Der NRW-Ministerpräsident hat sich auf eine Reise an den Persischen Golf aufgemacht, um wirtschaftliche und politische Beziehungen auszubauen. Wüst versucht es mit einer Charme-Offensive. Das kann er gut. Mit im Gepäck hat der Regierungschef eine milliardenschwere Wirtschaftsdelegation – und einen Tross von Journalisten. Was ist sein Ziel? Startpunkt der Reise bildeten Gespräche in Katar. In der absoluten Monarchie leben rund drei Millionen Menschen, 90 Prozent sind Arbeitskräfte aus dem Ausland, vor allem aus Indien und Pakistan. Sobald sie ihren Job verlieren, müssen sie das Land verlassen. Die rund 300.000 Katarer hingegen genießen viele Privilegien wie eine kostenlose Gesundheitsversorgung. Das Land gilt als so sicher, dass die Menschen nachts die Schlüssel in ihren Autos stecken lassen. Kaffee mischt man hier mit dem Gewürz Kardamom, statt Bierflaschen stehen Wasserpfeifen auf den Tischen der Restaurants. Fotos von öffentlichen Gebäuden sind untersagt. Riesige Gasvorkommen im Norden machen das kleine Land der großen Widersprüche stinkreich, stolz – und für andere interessant. Wüst und seine Delegation werden von den Gastgebern beim Gespräch in der Handelskammer von Doha zwar höflich, aber durchaus kritisch beäugt. NRW-Ministerpräsident über mögliche Kooperationen mit Katar Öffentliche Kritik Deutschlands während der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar 2022 hat bis heute Spuren hinterlassen. Regierungsvertreter hatten damals auf die schwierige Lage bei Menschenrechten und den Umgang mit Homosexuellen hingewiesen – und den Katarern um Emir (&bdquo;Herrscher“) Scheich Tamim bin Hamad Al Thani vor den Kopf gestoßen. Wüst geht anders vor. Er hält nichts von öffentlicher Kritik, sondern will diese Themen lieber intern ansprechen, sagt er. Es gebe viele Möglichkeiten für &bdquo;neue Kooperationen“, schwärmt Wüst, während die Klimaanlage rattert, und 17 Männer in weißen langen Umhängen sowie zwei in schwarz gekleidete Frauen den schlaksigen Gast aus NRW beim Gespräch mustern. Wüst glaubt, dass zum Beispiel die Erdgasvorkommen und viel Sonne in Katar großes Potenzial für die Produktion von Wasserstoff bieten. Der soll eine wichtige Rolle für die Industrie in NRW spielen, die sich von der Kohle lösen will. Auch bei Künstlicher Intelligenz sieht Wüst Schnittmengen zwischen beiden Ländern, deren bilaterale Beziehung als gut, aber ausbaufähig gilt. Ihr Handelsvolumen macht rund zwei Milliarden Euro aus. Thyssen, RWE und Co. begleiten die Reise an den Golf Aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Diplomatie haben sich nahezu 20 Top-Vertreter aus NRW mit auf die Golf-Reise begeben, bis auf eine Frau allesamt Männer. Unter ihnen die Chefs von Thyssen, RWE, Uniper und Covestro. Insgesamt beschäftigt die Delegation aus NRW 800.000 Mitarbeitende – mit einem Gesamtumsatz von 215 Milliarden Euro. Für die Arbeitgeber ist Wüst ein wichtiger Türöffner für Handelsgespräche mit Katar, weil die Regierung hier großen Wert auf politische Gespräche legt. Dass so viele Hochkaräter Wüst begleiten, beeindruckt die Gastgeber und darf zugleich als Bestätigung des CDU-Politikers betrachtet werden. Das wirft aber die Frage auf, was darauf folgt. Zwar beschwören die Firmenchefs eifrig das Potenzial einer stärkeren Zusammenarbeit mit Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Es sei gut, hier auf Tuchfühlung zu gehen, so der Tenor. Doch konkrete &bdquo;Deals“ schließt die NRW-Delegation während der viertägigen Reise in Katar, Abu Dhabi und Dubai nicht ab. Bleibt es bei reinen Absichtsbekundungen? Nein, heißt es dazu aus dem Umfeld. Es brauche einfach ein bis zwei Jahre, um Schritte einzuleiten. Konkrete Abkommen könnten also folgen. Wüst ist es ohnehin wichtiger, hier am Persischen Golf, der so warm ist wie eine Badewanne, &bdquo;ein neues Kapitel“ einer langfristigen Zusammenarbeit aufzuschlagen. Der Ministerpräsident zieht bei seiner Stippvisite im arabischen Raum alle Blicke auf sich. Ein Polizeikonvoi steuert Wüst und sein Team durch die Straßen, entlang der gigantischen Hochhäuser, die nachts knallbunt leuchten. Die schießen seit ein paar Jahren in Katar wie Pilze aus dem Boden und verdrängen Sand und Steine. Wüst genießt das Interesse, er bewegt sich selbstsicher durch das außenpolitische Terrain – und lässt sich keinerlei Erschöpfung anmerken. Neue Chancen für unsere Länder: Wie #NRW setzt Katar auf Diversifizierung & Investitionen in Schlüsselbranchen. Als Kraftzentrum Europas bilden wir starke Partnerschaften für nachhaltiges Wachstum. Dazu in Doha intensiver & vertrauensvoller Austausch mit Emir @TamimBinHamad. pic.twitter.com/ePcyAWTJRL Hendrik Wüst (@HendrikWuest) April 23, 2025 Emir von Katar spricht mit Wüst über internationale Themen Auch der Emir, der in wenigen Tagen voraussichtlich US-Präsident Trump empfangen wird, begrüßt Wüst zum Gespräch. Ebenso wie der Premierminister und die Minister für Industrie und Energie. Das kommt dem Charakter eines Staatsbesuchs nahe. Im Gespräch loten die Politiker mit dem Ministerpräsidenten vom Rhein die große Weltlage aus. Wie weiter in Zeiten von Trump, Israel-Konflikt, deutscher Zeitenwende und Neusortierung der EU? Dass Wüst diese Fragen wie selbstverständlich mit den einflussreichen Gastgebern bespricht, so als sei er der nächste Kanzler und nicht sein Parteikonkurrent Friedrich Merz, scheint nicht viel zur Sache zu tun. Die Katarer registrieren wohlwollend, dass ein deutscher Spitzenpolitiker sein Interesse an dem aufstrebenden, aber stark vom Gas und vom Schutz der USA abhängigen Wüstenstaat bekundet. Und Wüst ist es recht, Handelsschritte einzuleiten, über große Themen zu reden und parallel dazu ein paar hübsche Bilder zu produzieren. Die fängt sein professionelles Team verlässlich ein. So geht das Geschäft. Mehr als 15 Journalisten aus der ganzen Republik beobachten den CDU-Politiker bei den eng getakteten Terminen, unter ihnen auch Hauptstadtreporter. Die wollen ausloten, ob Wüst kanzlertauglich ist und in der Partei der neue starke Mann nach einer Ära Merz werden könnte. Diese Ära bricht in Berlin jedoch gerade erst an – gut möglich, dass sich Wüst über Jahre in der zweiten Reihe gedulden müssen wird. Das hält ihn nicht davon ab, auch als Landespolitiker schon jetzt bei den großen Themen dieser Zeit mitreden zu wollen. Und sei es eben am Persischen Golf.

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