Unternehmer aus OWL: „Europa hat sich bislang unter Wert verkauft“

Herr Engelhardt, Herr Hagedorn, Sie unterstützen mit Ihren Unternehmen die Westfälische Friedenskonferenz, die am Freitag zum zweiten Mal in Münster stattfinden wird. Was haben Sie mit Krieg und Frieden zu tun und welchen Akzent will Münster setzen? Andreas Engelhardt: Wir als Unternehmer können nur existieren, wenn wir in Zeiten des Friedens unsere Geschäfte machen können. Allein wir bei Schüco sind in 80 Ländern vertreten. Wir müssen uns gesellschaftspolitisch äußern, wenn Frieden in Gefahr ist. Wir zeigen durch die Konferenz, dass wir uns zur Demokratie bekennen und dass wir uns hier deutlich positionieren. Thomas Hagedorn: Unsere Wirtschaft lebt vom freien Austausch, mit all ihren Ideen und Innovationen, ihren Waren und ihrem Kapital. Konflikte und Unsicherheiten gefährden diese Grundlagen. Wir spüren zum Beispiel aktuell, dass bei Bauunternehmen im europäischen Umfeld eine gewisse Nervosität aufkommt. Die führt zu Unsicherheit und zurückhaltenden Investitionen. Wir brauchen aber Planungssicherheit. Und deren Grundlage ist Frieden. Frieden ist somit nicht nur politisches Ideal, sondern die Grundlage für wirtschaftliches Handeln, Wachstum und Verlässlichkeit. Das erinnert uns immer wieder aufs Neue daran, dass wir alle in den Dialog treten müssen. Dafür sind Veranstaltungen wie die Friedenskonferenz in Münster ein idealer Ort und Rahmen. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in Europa, auch mit Blick auf die USA? Engelhardt: Wir machen uns große Sorgen, ganz klar. Die Münchner Sicherheitskonferenz und der Eklat im Oval Office zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj haben zu einem richtigen Weckruf in Europa geführt. Das spüren wir total, wenn wir mit Unternehmern und Politikern in Europa sprechen. Da ist richtig Alarm. Man hat jetzt klar verstanden, dass wir uns als Europa bislang unter Wert verkauft haben – und uns nun stärker um unsere eigene Sicherheit kümmern müssen. Dazu gehört auch, dass wir uns im wahrsten Sinne des Wortes rüsten müssen. Wir müssen militärisch Russland bedeuten, dass wir auf Augenhöhe agieren. Also, sehen Sie Chancen in der Krise? Hagedorn: Absolut. Die USA verhängen jetzt zwar Zölle, die zu Gegenzöllen führen werden. Aber ich hoffe, dass sich das nach ein paar Monaten wieder erledigen wird. Und über die EU könnte man sagen: Das Kind ist jetzt selbstständig und lernt laufen. Wenn daraus die Erkenntnis wächst, dass wir in der EU viel stärker zusammenhalten müssen, dann hat das am Ende auch etwas Gutes gehabt, denn Europa muss vereint und kraftvoll auf der weltweiten Bühne auftreten, stärker eigenständig denken und handeln – wirtschaftlich und politisch. Auch dieses Signal, also das eines geschlossenen Europas, soll von Münster ausgehen. In Europa und in Deutschland herrscht Unsicherheit. Die extremen Ränder sind bei der Wahl stark gewachsen. Was erwarten Sie als Unternehmer von der neuen Regierung? Engelhardt: Die neue Bundesregierung muss schnellstens gebildet werden und mit der Arbeit starten. Und sie muss mit dem vielen Geld, was sie sich borgt, sofort in die Umsetzung kommen. Ich halte die neuesten Ansätze der Kommission von Steinbrück, Voßkuhle, de Maizière und Jäckel für eine Staatsreform für einen großen Wurf. Auch diese Vorschläge müssen von der neuen Regierung berücksichtigt und jetzt umgesetzt werden. Hagedorn: Nach dem Mauerfall wurden schon einmal gewisse Bau- und Planungshürden für eine Zeit außer Kraft gesetzt. Da müssen wir wieder hinkommen – und zum Beispiel im Bau gewisse Vorgaben mal für zwei Jahre außer Kraft setzen. Es wäre ein großer Fortschritt, das Verbandsklagerecht abzuschaffen. Das alles würde einen Aufbruch ermöglichen und in Deutschland positive Energie freisetzen. Die könnte die Menschen dann auch wieder von den politischen Rändern zurückholen. Ist die Bürokratie denn nicht eher ein Problem, das aus der EU kommt? Engelhardt: Gewisse Vorgaben kommen sicherlich aus der EU. Wir stellen aber fest, dass es in anderen EU-Staaten auch viel schneller und unkomplizierter gehen kann. In Deutschland sind wir nicht die Schnellsten. Wenn sich das ändern soll, indem die gesetzlichen Rahmenbedingungen entschärft werden, muss natürlich auch das Grundvertrauen der Menschen vorhanden sein, dass die Spielregeln im Großen und Ganzen eingehalten werden. Noch ist es ja oftmals so, dass über juristische Klärungen vor Gericht vieles infrage gestellt wird, um jemandem möglicherweise Fehler nachzuweisen, die dann ein sinnvolles Projekt verzögern oder gar verhindern. Mit diesem Irrsinn muss Schluss sein. Verschieben Sie nicht zu viel Verantwortung an die Politik? Hagedorn: Die Regulatorik würden wir als Wirtschaft und Unternehmer zwar gern selbst ändern, aber das kann und darf natürlich nur die Politik. Sie muss einmal den Stöpsel ziehen. Dann kommt alles andere in Fluss. Begrüßen Sie das Schuldenpaket im Bund? Engelhardt: Ich habe mit dem Programm kein Problem. Das Geld muss jetzt sinnvoll eingesetzt werden – nicht in den Konsum, sondern in die Infrastruktur. Die Stimmung im Land hat sich noch nicht ins Positive gedreht. Es ist bislang lediglich die Hoffnung da, dass mit einer neuen Regierung mehr Dynamik entsteht als in den gut drei Jahren der Blockade-Ampel. Viele Unternehmer halten weiterhin die Füße still, oder sie investieren im Ausland. Das muss sich ändern. Dafür muss auch privates Kapital locker gemacht werden, das kann der Staat aber nicht allein lösen. Hagedorn: Und dennoch muss man klar sagen: Das 500-Milliarden-Paket ist alternativlos. Nur so können wir dem riesigen Investitionsstau in der Infrastruktur den richtigen Schub geben. Noch mal zurück zur Westfälischen Friedenskonferenz. Es wird viel Prominenz aus der Bundespolitik und aus Europa nach Münster kommen. Was erwarten Sie von der Veranstaltung? Engelhardt: Es ist ganz wichtig, nach außen zu zeigen: Es gibt hier eine Gruppe wichtiger Entscheider aus verschiedenen gesellschaftlichen Branchen, die sich bewusst ein Format wie die Friedenskonferenz in Münster sucht, um für Frieden und Geschlossenheit zu werben. Hagedorn: Münster hat auf jeden Fall an Bedeutung gewonnen – das zeigt die hochkarätig besetzte Teilnehmerliste. Dass wir als Unternehmer aus Westfalen diese Konferenz unterstützen, hat etwas mit unserer Überzeugung zu tun. Wir investieren in Stabilität, Vertrauen und eine gemeinsame Zukunft und zeigen damit auch: Wir packen an und setzen um.

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