Regionalplan beschlossen

Macht Windkraft OWL reich? – „Größtes Investitionsprogramm der Geschichte“

Der Ausbau der Windkraft in OWL ist umstritten. Befürworter erwarten historische Milliardensummen für die Region, von der auch die Bürger profitieren werden. Aber ist das tatsächlich so?

In OWL wird der Ausbau der Windkraft stark vorangetrieben – vor allem in den Kreisen Paderborn und Höxter. | © picture alliance / dpa

Ingo Kalischek
24.03.2025 | 24.03.2025, 17:00

Düsseldorf/Detmold. Kaum ein politischer Beschluss hat so weitreichende Folgen für das landschaftliche Erscheinungsbild der Region: Der Regionalrat hat am Montag den Regionalplan – und somit ein zentrales Steuerungsinstrument für den Ausbau der Windkraft in Ostwestfalen-Lippe – verabschiedet. Während Kritiker vor einer massiven Veränderung der Kulturlandschaft warnen, sehen Befürworter das große Geld.

„Wir rechnen mit einer Investitionssumme von mehr als zwei Milliarden Euro in Ostwestfalen-Lippe und zusätzlichen jährlichen Einnahmen im fünfstelligen Bereich für die kommunalen Finanzkassen pro Windkraftanlage“, sagt Rainer Brinkmann. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Regionalrat bezeichnet den Windplan gar als „größtes Investitionsprogramm der Geschichte“.

Dadurch kämen vielen Menschen „direkt“ oder „indirekt“ Einkommen aus dieser Form der Stromerzeugung zugute. Die Windkraft eröffne die Möglichkeit, Stromkosten für die privaten Haushalte zu senken, da der Strom aus Windkraft günstiger sei als alle anderen Stromquellen. Zudem würden die Städte und Gemeinden von den regelmäßigen zusätzlichen Einnahmen durch Gewerbesteuer und Umlagen profitieren, meint Brinkmann. Er sehe nicht nur die viel zitierten Nachteile, sondern eben viele Vorteile durch die Windkraft in OWL.

Windräder zwischen Asseln und Lichtenau: Überwiegen die Vor- oder die Nachteile für die Region? - © Jens Reddeker
Windräder zwischen Asseln und Lichtenau: Überwiegen die Vor- oder die Nachteile für die Region? (© Jens Reddeker)

Lichtenau im Kreis Paderborn als Positiv-Beispiel?

Doch ist das so? Die Stadt Lichtenau im Kreis Paderborn gilt derzeit deutschlandweit als Vorzeigebeispiel. Rund um die 12.000-Einwohner-Stadt drehen sich schon jetzt knapp 170 Windräder – sie prägen das Landschaftsbild massiv. Der positive Nebeneffekt: Wenn man die Einnahmen aus der Windkraft nicht hätte, sähe es in der Stadt ganz anders aus, meint Bürgermeisterin Ute Dülfer. Dann könne die Stadt keine freiwilligen Leistungen mehr anbieten – wie etwa die Förderung von Vereinen und die Schaffung von Freizeit- und Kulturangeboten.

Und: Die Grundsteuer A und B wäre sonst etwa dreieinhalbmal so hoch, es würde also für alle Bürger teurer, heißt es aus dem Rathaus. Zur Gewerbesteuer haben die Windräder 2024 in Lichtenau rund 5,7 Millionen Euro beigetragen, mehr als die Hälfte des Gesamtaufkommens. Mit anderen Worten: Ohne Einnahmen aus der Windkraft wäre Lichtenau wohl schon längst pleite.

Tatsächlich können Bürger dort von niedrigeren Strompreisen profitieren. Zudem fördern ansässige Windkraftunternehmen die Vereinswelt durch Sach- oder Finanzspenden – zum Beispiel, indem sie den Umbau von Sportheimen bezuschussen oder Geräte für die Feuerwehr sponsern. In Lichtenau soll außerdem ein Wasserstoff-Projekt entstehen, um den überschüssigen Windstrom zu speichern – und für die Nahwärmeversorgung zu verwenden.

Bürger sollen in NRW von einem neuen Gesetz profitieren

In der Vergangenheit haben in OWL vor allem einige wenige Menschen vom Ausbau der Windkraft profitiert. Flächenbesitzer erhalten mitunter zwischen 50.000 bis 80.000 Euro pro Jahr, wenn sie ihr Land für den Bau von Windrädern zur Verfügung stellen. Das ist gerade für Landwirte, von denen es vielen finanziell schlecht geht, ein sehr lukratives Geschäft.

Künftig aber sollen mehr Bürger beteiligt werden. In NRW gibt es seit einem Jahr das Bürgerenergiegesetz. Das schreibt vor, dass Betreiber von Windkraftanlagen die Städte und Gemeinden, die im Umkreis von 2,5 Kilometern eines Windrads liegen, finanziell beteiligen müssen – in Höhe von 0,2 Cent je erzeugter Kilowattstunde.

Details sollen Betreiber und Kommunen direkt aushandeln. Möglich ist es so zum Beispiel auch, Anwohner durch niedrigere Strompreise oder pauschale Zahlungen zu entlasten oder Genossenschaften und Stiftungen zu gründen – ähnlich wie in Lichtenau. Das Gesetz aber läuft erst noch an, konkrete Beispiele für Beteiligungen gibt es noch nicht, heißt es aus Düsseldorf.

Netzentgelte sorgen in OWL für Kritik

Für Kritik sorgen derweil in OWL seit einiger Zeit die hohen Netzentgelte. Sie sind als Teil des Strompreises in Ostwestfalen je nach Abnehmer bis zu drei Cent pro Kilowattstunde höher als in anderen Regionen in NRW. Stromkunden müssen in OWL also mitunter sogar mehr zahlen, eben weil hier viel grüne Energie gewonnen wird. Der Grund: Die Kosten für den Netzausbau werden auf die Verbraucher umgelegt. Die Politik will die Netzentgelte in der Republik nun fairer verteilen.

Während Städte und Gemeinden und mit ihnen ihre Bürger also durchaus finanziell von der Windkraft profitieren können, so gibt es dennoch weiter kritische Stimmen. Vor allem im Kreis Höxter regt sich Widerstand. „Es ist der absolute Wahnsinn, was in den nächsten Jahren auf uns im Kreis Höxter zukommt“, warnte der Wissenschaftliche Leiter der Landschaftsstation im Kreis Höxter, Frank Grawe.

Der Grund: Fast 90 Prozent der Windräder in OWL werden in den Kreisen Paderborn und Höxter entstehen. Viele Menschen hätten schlichtweg noch nicht begriffen, was dort gerade passiere, sagte Grawe. Auch Höxters Landrat Michael Stickeln warnte: „Unsere Kulturlandschaft wird sich massiv verändern.“ Stickeln fordert einen finanziellen Ausgleich für die besonders belasteten Kommunen.

Ungleicher Ausbau in OWL problematisch

Selbst der Windkraft-Lobbyverband „LEE“ bezeichnet die ungleiche Verteilung in OWL als „Schwachstelle“. „In einigen der dortigen Kommunen hat das nicht nur zu Frust, sondern auch zu Protesten geführt“, meint der Sprecher des LEE-Regionalverbandes, Jürgen Wrona. Der Regionalrat habe eine wichtige Chance verpasst, die neuen Windenergieanlagen „viel besser auf die gesamte Region“ zu verteilen. Und auch Naturschützer werfen einigen Windkraft-Investoren eine „hemmungslose Gewinnmaximierung auf Kosten von Natur und Gesellschaft“ vor.

SPD-Politiker Brinkmann räumt ein, dass Windräder natürlich Einfluss auf das Landschaftsbild hätten – und auch nicht „besonders schön“ aussähen. Doch die Alternativen seien ja dann an einigen Orten Atomkraftwerke, Gaskraftwerke und Kohleverstromung. „Diese sind über alles betrachtet die größere Gefahr.“