Kahlschlag bei Integration und Sprache: Viele Kurse in OWL brechen weg

Bielefeld/Gütersloh. Lange wurde gerätselt, nun herrscht Klarheit: 2025 stellt der Bund nur noch 500 Millionen Euro für die Förderung von Integrations- und Sprachkursen zur Verfügung, halb so viel wie im Vorjahr. Künftig wird es deshalb bundesweit und auch in OWL keine Integrationskurse mehr für Frauen, Jugendliche und Eltern geben. Auch ein großer Teil der Sprachkurse entfällt. Experten und Träger aus der Region sind angesichts der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland entsetzt und kritisieren die Entscheidung. &bdquo;Streichungen bei Integration in dem Ausmaß und das mitten in dem Rechtsruck, in dem Deutschland sich gerade befindet, das ist eine fatale Botschaft“, bringt es Sabine Schubert, Mitglied der Geschäftsführung der AWO OWL, auf den Punkt. &bdquo;Wir haben einen gravierenden Fachkräftemangel und trotzdem werden die Rahmenbedingungen zur Gewinnung guter Leute verschlechtert. Wie kann das sein?“ Keine Integrationskurse für Frauen, Jugendliche und Eltern Kompakt zusammengefasst hat das Bundesministerium für Bildung und Migration (BAMF) die Kürzungen in wenigen Punkten auf seiner Internetseite. Konkret bedeuten sie einen gravierenden Kahlschlag bei Integration und Sprache. So werden künftig nur noch berufsbegleitende und Sprachkurse mit dem Niveau B2 finanziert, alle anderen Kurse mit niedrigeren und höheren Niveaus entfallen. Zum anderen wird es keine spezifischen Integrationskurse für Frauen, Jugendliche und Eltern mehr geben, das heißt: Essenzielle Kenntnisse über Arbeitsmarkt, Gesundheitssystem oder Schulsystem werden nicht mehr vermittelt. Die Förderung von Wiederholungsstunden bricht, außer für Teilnehmer von Alphabetisierungskursen, vollständig weg. Und Fahrtkostenerstattung gibt es erst ab einem Radius von fünf statt wie bisher drei Kilometern. Abschlusstests ohne Wiederholungen fast unmöglich Yammen Al Shumali, Leiter des Bereichs Bildung, Kultur und Sprache beim Internationalen Begegnungszentrum Friedenshaus in Bielefeld, schüttelt fassungslos den Kopf angesichts der radikalen Kürzungen. &bdquo;Jeder Mensch lernt anders, das gesamte deutsche Schulsystem ist auf diesem Fakt aufgebaut“, sagt er. &bdquo;Und das gilt natürlich für die Integrationskurse auch.“ Gerade deshalb seien auch die Wiederholungsmodule so immens wichtig. &bdquo;Ohne sie werden sehr viel weniger Menschen die Abschlusstests schaffen und dann auch kein Zertifikat erhalten – das sie auf dem Arbeitsmarkt aber dringend brauchen.“ Genauso schwer wiegt in Al Shumalis Augen der Wegfall der speziellen Integrationskurse für Eltern, Frauen und Jugendliche. &bdquo;Das wird große Lücken hinterlassen. Frauen, Eltern und Jugendliche gehören zu den Gruppen, die ohne gezielte Unterstützung oft Schwierigkeiten haben, sich in die Gesellschaft einzugliedern. Die Kurse bieten nicht nur Bildung, sondern auch soziale und kulturelle Teilhabe, die für eine gelungene Integration unerlässlich sind.“ Im Eltern-Integrationskurs lernen Mütter und Väter zum Beispiel das deutsche Schul- und Bildungssystem kennen, um kompetent mit über die Zukunft und die Chancen für ihre Kinder entscheiden zu können. Auf sprachlicher Ebene werden sie gezielt befähigt, mit Lehrern, Behörden und Institutionen zu kommunizieren. &bdquo;Dies erleichtert nicht nur den Alltag, sondern auch die aktive Begleitung der Kinder im Bildungsprozess“, so Al Shumali. .responsive23-4XhywXZXNMWKuDUo-bar-horizontal-anzahl-integrationskurse-nrw { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-4XhywXZXNMWKuDUo-bar-horizontal-anzahl-integrationskurse-nrw { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-4XhywXZXNMWKuDUo-bar-horizontal-anzahl-integrationskurse-nrw { padding-top: 142.86%; } } Bielefelds Sozialdezernent hält Entscheidung für falsch Auch die Frauenkurse seien immens wichtig. &bdquo;Frauen, die von Männern unterdrückt werden oder unter Männergewalt leben, benötigen oft eine sichere Umgebung und einen geschützten Raum, um sich frei zu entfalten.“ In gemischten Kursen fühlten sich viele eingeschüchtert oder zögen sich zurück, was den Lernprozess hemme. &bdquo;Frauenkurse stärken das Selbstbewusstsein und die Selbstständigkeit. Sie schaffen ein Umfeld, in dem Frauen lernen, sich in die Gesellschaft und im Berufsleben zu integrieren. Und wenn sie gut integriert sind, können sie ihre Familien besser unterstützen und zu einer erfolgreichen Integration der gesamten Familie beitragen.“ In den Integrationskursen speziell für Jugendliche liegt der Fokus hingegen auf der Berufsorientierung, weiß Al Shumali. &bdquo;Jugendliche brauchen eine Kombination aus Sprachförderung und berufsorientierenden Inhalten, um sich in der deutschen Arbeitswelt zurechtzufinden.“ Auch Bielefelds Sozialdezernent Ingo Nürnberger spricht sich ausdrücklich gegen die Kürzungen aus. &bdquo;Ich halte diese Entscheidungen zu Eltern-, Frauen- und Jugendintegrationskursen und zu den Wiederholer-Kursen für fachlich falsch.“ Spätestens ab Mai würden die Streichungen große Auswirkungen auf die Sprachkurs-Trägerlandschaft in Bielefeld haben. Dabei gäbe es bislang viel zu wenige berufsbegleitende Integrationskurse, die Sprachdefizite später noch ausgleichen könnten. &bdquo;Wir brauchen mehr Qualität und mehr zielgruppenspezifische Angebote der Sprachförderung – und nicht weniger.“ Konsequenzen für Arbeitsmarkt befürchtet In Nürnbergers Augen wird die Einstellung der Wiederholerkurse dazu führen, dass Menschen mit sehr viel geringeren deutschen Sprachkenntnissen ohne weitere Förderung auf den Arbeitsmarkt gehen. &bdquo;In welchem Umfang der Arbeitsmarkt für diese Personengruppe dann überhaupt aufnahmefähig ist, bleibt abzuwarten.“ In Bielefeld liefen Anfang Dezember 104 Integrationskurse. 56 davon waren allgemeine Angebote, 23 für Menschen mit Alphabetisierungsbedarf, sechs Zweitschriftlernkurse, neun Elternintegrationskurse und zehn Jugendintegrationskurse. Zusätzlich fanden zu diesem Zeitpunkt 14 Wiederholungskurse statt. Der Deutsche Volkshochschulverband hat angesichts der Entwicklungen und der nahenden Neuwahlen bereits ein klares Bekenntnis zur Weiterbildung, zur Integration und zur Wiedereinführung von Wiederholungsmöglichkeiten und zielgruppenspezifischen Kursformaten gefordert. .responsive23-8JgJh2hStLlAPExY-choro-owl-karte-muster { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-8JgJh2hStLlAPExY-choro-owl-karte-muster { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-8JgJh2hStLlAPExY-choro-owl-karte-muster { padding-top: 142.86%; } } Volkshochschulen aus NRW fordern Planungssicherheit Auch vom Landesverband NRW kommt Kritik. &bdquo;Durch die Sparmaßnahmen der Bundesregierung im Deutsch- und Integrationsbereich wird ein nachgewiesenermaßen erfolgreiches System der sprachlichen Integration von Zugewanderten infrage gestellt“, sagt Elmar Schnücker, Leiter der Volkshochschule Gütersloh. &bdquo;Die Chancen einer gesellschaftlichen und beruflichen Integration sinken dadurch dramatisch. Es ist jetzt dringend nötig, eine langfristige Planungssicherheit für Zugewanderte und für die Träger der Sprachkurse zu sichern.“ Denn auch das ist Teil des Problems, allerdings eines, das kaum kommuniziert wird: Während die Kürzungen der Förderung für Kursformate, Fahrtkosten und Wiederholungen transparent auf der Seite des BAMF aufgeführt sind, sind die Träger von weiteren Änderungen bei der Finanzierung betroffen. So werden Kurse künftig nur noch finanziert, wenn sie auch abgeschlossen wurden. Und die Frist für Übernahme von Kosten durch den Bund beträgt neuerdings 90 und nicht mehr 30 Tage. &bdquo;Wenn sich also 20 Teilnehmer für einen Kurs anmelden, ihn aber nur 16 schaffen, müssen wir in Vorleistung gehen, bleiben auf den Kosten für vier Personen sitzen und bekommen das restliche Geld erst nach drei Monaten“, fasst Sabine Schubert von der AWO OWL zusammen. &bdquo;Und künftig werden weitaus weniger Menschen die Kurse abschließen, weil sie keine Wiederholungsstunden mehr bekommen.“ Urteil kann Kurssystem zum Erliegen bringen Gravierend verschärft wird die Lage gerade noch durch ein Urteil des Bundessozialgesetzes aus dem Jahr 2022, das lange kaum Beachtung fand. Es könnte das System für Integrations- und Sprachkurse vielerorts zum Erliegen bringen. In einem Einzelfall einer Musikschule verfügten die Richter damals, dass die Einrichtung Sozialversicherungsbeiträge für eine Honorarkraft zahlen müsse, die über Jahre auf freiberuflicher Basis Stunden angeboten hatte. Auch die meisten Träger, die Sprach- und Integrationskurse anbieten, beschäftigen dafür Honorarkräfte und könnten Probleme bekommen. Die Volkshochschule Essen hat Anfang Januar deshalb das gesamte Kursprogramm bis auf Weiteres auf Eis gelegt, weitere Anbieter könnten folgen. Insgesamt will der Bund durch die Neuordnung der Sprach- und Integrationskurse über fünf Jahre rund 758 Millionen Euro einsparen. Allein fast 480 Millionen Euro ergeben sich durch die Streichung der Wiederholer-Kurse, 126 Millionen durch den Wegfall der Kurse für Frauen, Eltern und Jugendliche. Weitere Posten ergeben sich durch die Streichung von Fahrtkosten oder wegfallende Verwaltungskosten.

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