Polizei und Justiz in Nordrhein-Westfalen sind aus Sicht der Opposition nicht ausreichend für den Kampf gegen Clankriminalität gewappnet. Allein bei der Kriminalpolizei fehlten laut Expertenschätzungen mehr als 1.000 Beamte für eine wirksame Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Clankriminalität, sagte der SPD-Abgeordnete Benedikt Falszewski im Düsseldorfer Landtag.
In einer von der AfD beantragten polemisch geführten aktuellen Stunde hagelte es Kritik an der Wirksamkeit der von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) propagierten «Politik der 1.000 Nadelstiche» gegen Clankriminelle. Der Begriff ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund allein aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.

«Hintermänner und Strippenzieher können in NRW ungestört weitermachen, während viele Bürgerinnen und Bürger in ihren Stadtteilen von Angst geplagt sind», bilanzierte der Vizevorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Marc Lürbke. Neben einer massiven Personalaufstockung bei Kriminalpolizei und Justiz sei eine konsequente Abschöpfung krimineller Gewinne nötig.
Clan-Bosse haben mehr Kleingeld im Handschuhfach
Auch der SPD-Abgeordnete Falszewski monierte, wenn im vergangenen Jahr bei 1.000 Einsätzen gegen Clankriminalität in NRW nur knapp eine Million Euro illegal erworbenes Vermögen abgeschöpft worden sei, sei das vergleichsweise lächerlich. «Die Clans generieren jedes Jahr Milliardenbeträge, während Sie medienwirksam kleinen Mengen unverzollten Tabaks hinterherjagen», hielt er dem Innenminister vor. «Herr Reul, da hat der durchschnittliche Clan-Boss in seinem Handschuhfach mehr Kleingeld liegen», kommentierte Falszewski den Durchschnitt von 1.000 Euro an abgeschöpftem Geld pro Einsatz.
Für die Landesregierung erwiderte Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) in Vertretung des verhinderten Innenministers, über Jahrzehnte gewachsene Clankriminalität lasse sich nicht einfach «wegradieren». Der bisherige Kampf dagegen trage aber Früchte. «Nordrhein-Westfalen ist schon längst kein Selbstbedienungsladen für Clankriminelle mehr.»
Das jüngste Lagebild des Landeskriminalamts (LKA) hatte ergeben, dass die Zahl der Straftaten, die türkisch-arabischen Clans zugerechnet wird, im vergangenen Jahr in NRW auf 7.000 stieg. Das entspricht einer Steigerung um 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
AfD: Vertuschte Wahrheit, Kuscheljustiz und null Abschiebung
Das Lagebild zeige trotz dieses «Rekordniveaus» allerdings nur einen Ausschnitt der Wahrheit, weil neue syrische, nigerianische oder irakische Clans dort gar nicht aufgeführt seien, bemängelte der AfD-Abgeordnete Markus Wagner. Die volle Wahrheit werde «absichtlich vertuscht und verheimlicht».
Er forderte überdies ein Ende der «Kuscheljustiz» im Umgang mit Clankriminellen und konsequente Abschiebungen. Bislang sei festzuhalten: «Abschiebungen aus den Clanstrukturen liegen bei nahezu null.»
Attacke gegen die AfD: «Eine Schande für dieses Parlament»
Redner aller anderen Fraktionen warfen der AfD vor, sie schüre bewusst Ängste in der Bevölkerung, Misstrauen gegen die Handlungsfähigkeit des Staates und sie hetze gegen Menschen mit Migrationshintergrund. Die «absurden Parolen und Verschwörungstheorien» der AfD seien «eine Schande für dieses Parlament», sagte der CDU-Abgeordnete Gregor Golland.
Laumann zählte bisherige Erfolge gegen Clankriminelle auf: Seit 2018 habe die Polizei gemeinsam mit zahlreichen weiteren Behörden und Partnern in NRW fast 3.000 Kontrollen durchgeführt. «Das Ergebnis sind 4.700 Strafanzeigen und mehr als 18.000 Verwarnungsgelder», bilanzierte er. In Vermittlungsverfahren seit 2017 habe die Polizei mittlerweile 22 Millionen Euro vorläufig gesichert. Diese Zahl sei «einfach ordentlich».
Wenige Intensivtäter beherrschen die Szene
Klar sei: «Clankriminalität ist keine Kleinkriminalität», betonte Laumann. Rund 1.200 der im vergangenen Jahr erfassten Taten seien dem Bereich der schweren Kriminalität zuzuordnen. Das LKA habe rund 120 als relevant bewertete Familiennamen erfasst. «Ein kleiner Teil der Tatverdächtigen ist für einen Großteil der Straftaten verantwortlich», sagte der Minister.
Der Grünen-Abgeordnete Mehrdad Mostofizadeh räumte an einigen Stellen Verbesserungsbedarf ein. So fielen Personen aus dem Lagebild heraus, wenn sie - etwa durch Heirat - nicht mehr einen Clan-Namen trügen. Hier müsse nachgeschärft werden. Nötig seien zudem mehr «Ermittler, die sich in der Szene auskennen, die für Vertrauen sorgen, die auch diese Delikte lesen können und sich möglicherweise auch in diesen Strukturen bewegen».