SPD-Politiker: „Jetzt heißt es: Volldampf voraus, mit Scholz – gegen Merz“

Sie hatten mit einer Stellungnahme die K-Frage in der SPD zugunsten von Boris Pistorius angeheizt. Kritiker werfen ihnen einen Putschversuch oder Dolchstoß vor. Wie reagieren Sie darauf? Wiebke Esdar: Wir hatten uns als größte Landesgruppe im Deutschen Bundestag mit den anderen Vorsitzenden der Gremien in der nordrhein-westfälischen SPD abgestimmt. In unserer Wortmeldung haben wir die Wertschätzung für die Arbeit von Olaf Scholz zum Ausdruck gebracht – und die ist ernst gemeint. Aber es ist kein Geheimnis, dass die Stimmung in der Partei zum Kanzlerkandidaten differenziert war. Das ist typisch für die SPD und wichtig für eine Demokratie. Unser dritter Hinweis bezog sich auf das Verfahren. Ich bleibe bis heute dabei, dass das Verfahren nicht gut gelaufen ist, weil es nicht gut strukturiert war. Daraus müssen wir lernen. Aber jetzt ist klar: Wir haben den Schalter umgelegt und jetzt machen wir mit voller Energie für die Inhalte der SPD und für Olaf Scholz Wahlkampf. Wie ist denn jetzt Ihr Verhältnis zu Olaf Scholz? Nimmt er Ihnen Ihr Verhalten übel? Achim Post: Ganz im Gegenteil. Wir haben in NRW auf die Realitäten hingewiesen und darauf, dass es auch eine Debatte pro Boris Pistorius gab. Das habe ich mit dem Kanzler auch unter vier Augen besprochen. Mein Eindruck ist: Olaf Scholz schätzt es ungemein, wenn man freundlich im Ton, aber klar in der Sache miteinander bespricht, wie man die Dinge sieht. Wir haben auch danach beide noch mal mit ihm darüber gesprochen. Er ist da ein absolut fairer Gesprächspartner. Das zeichnet ihn aus. Sie wollten in NRW ein Stimmungsbild der Basis einholen. Was hat das denn eigentlich ergeben? Post: Dass die Partei bereit ist, in den Wahlkampf zu ziehen und jedem klar ist, worum es geht. Dabei hat es auch viel Zuspruch für Boris Pistorius gegeben. Viele fanden das Verfahren der Partei nicht gut. Aber wichtig ist jetzt, dass sich alle hinter der Entscheidung pro Olaf Scholz versammeln – und das geschieht gerade auch. Denn jetzt heißt es: Volldampf voraus, mit Scholz – gegen Merz. Parteichef Klingbeil rechtfertigte sein langes Zögern damit, dass auch er bewusst ein Stimmungsbild der Basis einholen wollte. Das war offenbar pro Pistorius. Warum setzt die Parteispitze aber dann doch auf Scholz? Wie passt das zusammen? Post: Es gab ja keine Mitgliederbefragung und somit kein wirklich repräsentatives Bild. Auch das ist eine Kritik am Verfahren der letzten Wochen. Wir haben als größter Landesverband unsere Sicht der Dinge deutlich gemacht – und viele sahen das so, wie wir. Sie kündigen nun einen &bdquo;Richtungswahlkampf“ an. Was meinen Sie damit konkret? Esdar: Wir stehen vor großen Herausforderungen bei der äußeren und inneren sowie sozialen Sicherheit. Bei Letzterem geht es um die Sicherung von Arbeitsplätzen, eine stabile Rente, Entlastungen für berufstätige Familien und die Stärkung der Pflege. Wir werden als SPD nicht zulassen, dass diese großen Aufgaben gegen Aufgaben bei der Sicherheit ausgespielt werden, so wie Christian Lindner es verlangt hat. Post: Ich möchte drei Unterschiede nennen, die sich ganz konkret auf das Leben der Menschen auswirken würden: Wir wollen ein Rentenpaket mit verlässlichen Renten bis 2040 beschließen. Bei der Merz-CDU ist zu befürchten, dass sie nach dem Wahltag die Rente mit 67 infrage stellen werden und die Beschäftigten noch länger arbeiten sollen. Bei der inneren Sicherheit wollen wir alles tun, um sowohl gegen deutsche Nazis als auch islamistische Fundamentalisten vorzugehen. Merz hingegen wollte nach dem Solingen-Attentat das individuelle Recht auf Asyl angreifen. Beim Ukraine-Krieg stellen wir aktuell eine Eskalation fest. Ich glaube nicht, dass Merz in diesen schwierigen Situationen geopolitisch so besonnen und reflektiert handeln würde wie Scholz. Glauben Sie wirklich, dass der Ukraine-Krieg unter einem Kanzler Merz eher eskalieren könnte? Post: Ich persönlich fühle mich da deutlich besser aufgehoben unter einem Kanzler Olaf Scholz, der in den vergangenen über 1.000 Kriegstagen gezeigt hat, wie er mit dieser Frage umgeht und dass es zu verhindern gilt, dass Deutschland Kriegspartei wird. Ich glaube, das geht vielen Bürgerinnen und Bürgern auch so. Wird die SPD also einen &bdquo;Friedenswahlkampf“ führen? Esdar: In der Politik spielen immer die Themen eine Rolle, die die Menschen bewegen. Dazu zählt aktuell auch die Frage von Krieg und Frieden. Der Kurs von Olaf Scholz ist da klar und verlässlich. Wir sind darauf bedacht, dass es keine weitere Eskalation gibt. Da sind wir als SPD sehr klar aufgestellt. Genau das unterscheidet uns von Friedrich Merz. Wo liegt denn der größte Unterschied zwischen den Personen Merz und Scholz? Esdar: Olaf Scholz ist abgewogen und auf die Gestaltung der Zukunft orientiert. Friedrich Merz erscheint mir als jemand, der sich sehr leicht provozieren lässt und ein Bild der Gesellschaft zeichnet, das nicht meiner modernen Gesellschaft entspricht. Post: Es geht um die Frage, ob man einen reflektiert handelnden Hanseaten will – oder einen Heißsporn aus dem Sauerland, der sich nach meinem Eindruck nicht immer unter Kontrolle hat. Scholz, Merz und Habeck - sind diese drei Spitzenkandidaten in Kombination mit einem heftigen und schmutzigen Wahlkampf nicht ein Konjunkturprogramm für die extremen Ränder, weil keinem die Herzen der Wähler zufliegen - und Streit die Bürger einfach nur noch nervt? Esdar: Mein Appell an die Bürgerinnen und Bürger ist da zunächst, am 23. Februar auch wirklich wählen zu gehen – und zwar demokratische Parteien. Wir als Parteien müssen wiederum deutlich machen, für welche Inhalte wir stehen und worin wir uns unterscheiden. Darauf werden wir uns konzentrieren. Post: Wir in der SPD sind Garanten für die richtige Balance zwischen Zuspitzung und einer demokratischen Kompromissfähigkeit. Beides braucht man.

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