„Dogmatischer Geisterfahrer“: Lindners Verhalten spaltet Gemüter in NRW

Die Regierungskoalition aus SPD, FDP und Grünen ist gescheitert: Bundeskanzler Olaf Scholz will im kommenden Jahr die Vertrauensfrage im Bundestag stellen und vorzeitige Neuwahlen anstreben. Bis auf Verkehrsminister Volker Wissing haben alle Ministerinnen und Minister der FDP ihre Ämter niedergelegt. Das Beben im politischen Berlin hat auch die Landes- und Bezirksverbände in Aufruhr versetzt. Der größte Landesverband der SPD stärkt Scholz den Rücken. Lindner habe die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Regierungskoalition in den letzten Monaten durch &bdquo;zahlreiche sachfremde Torpedierungsversuche“ massiv belastet, sagen die Landeschefs der NRW-SPD, Achim Post und Sarah Philipp. Lindners Entlassung als Finanzminister sei eine &bdquo;richtige Konsequenz“. Auch, um nicht in die Situation zu geraten, &bdquo;dass ein Koalitionspartner die anderen erpresst“, sagt der Herforder Bundestagsabgeordnete Stefan Schwartze (SPD). Und auch die stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes NRW, Mona Neubaur (Grüne), richtet den Blick nach vorne: &bdquo;Wir müssen vorangehen. Christian Lindner war dafür offensichtlich nicht bereit, ihm waren parteitaktische Motive wichtiger, als Verantwortung für das große Ganze zu übernehmen“, sagt die Grünen-Politikerin. Lindners &bdquo;egoistischen Spielchen“ der letzten Tage hätten deutlich gemacht, dass er dem Amt und seinen Verpflichtungen &bdquo;schlicht nicht gewachsen war“, meint Neubaur. Und auch Klaus Schröder, der stellvertretende Fraktionschef der Grünen in Paderborn, unterstellt Lindner, dass er im Wirtschaftspapier der FDP bewusst Forderungen gestellt habe, für die er keine Mehrheit bekommen würde. Die FDP muss sich positionieren Die Entscheidung des Bundeskanzlers, Lindner die Tür zu weisen, sei folgerichtig, ergänzt Neubaur. Das Land könne sich in der aktuellen Lage einen &bdquo;dogmatischen Geisterfahrer“ wie ihn nicht leisten. &bdquo;Die FDP muss jetzt für sich klären, wo sie steht. Folgt sie Lindner, macht sie sich überflüssig“, glaubt Neubaur. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler aus Bünde betont derweil: &bdquo;Die FDP scheut keine Neuwahlen. Die Auseinandersetzung über den richtigen Weg aus der Wirtschaftskrise muss jetzt geführt werden. Wir stellen uns selbstbewusst dieser Herausforderung.“ Seit zwei Jahren befinde sich Deutschland in einer Rezession, Arbeitsplätze werden abgebaut und die Unternehmensinsolvenzen nehmen zu. Erneut gelte Deutschland als &bdquo;kranker Mann Europas“. Doch nur mit soliden Finanzen lasse sich Inflation und Zinsbelastung im Griff behalten, sagt Schäffler. Dem schließt sich auch der Paderborner FDP-Kreisvorsitzende Marc Lürbke an. Er sagt: &bdquo;Lieber Neuwahlen als neue Schulden.“ Für Volker Wissings Entscheidung, aus der FDP auszutreten und Minister zu bleiben, fehlt ihm derweil &bdquo;jegliches Verständnis“. Obwohl Schäffler ergänzt: &bdquo;Wissing war schon länger innerhalb der Fraktion in der Kritik. Jetzt zeigt sich, dass die Kritik berechtigt war.“ Ein Regierungsvakuum ist keine Option Und auch die Opposition betont: &bdquo;Es ist richtig und wichtig, dass die Koalition von Herrn Scholz vorbei ist, denn Deutschland war mit der Ampel nicht mehr handlungsfähig“, sagt der Gütersloher Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus (CDU), der wie der Bundestagsabgeordnete Oliver Vogt (CDU) aus Espelkamp schnelle Neuwahlen für einen Neuanfang fordert. Ein mehrmonatiges Regierungsvakuum sei keine Option für Deutschland. Der Höxteraner Bundestagsabgeordnete Christian Haase (CDU) kündigt an, dass seine Partei auf einen kurzfristigen Wahlkampf vorbereitet sei, &bdquo;da die Entwicklungen nicht überraschend sind.“ Für genauso wenig überraschend hält Kevin Gniosdorz, Chef der Jungen Union in NRW, den Versuch der Regierung, &bdquo;auf Zeit zu spielen“. &bdquo;Die Union ist aktuell doppelt so stark wie die SPD und drei Mal so stark wie die Grünen“, betont er. &bdquo;Tatsächlich ist aber jeder weitere Tag, ohne dass der Noch-Kanzler die Vertrauensfrage stellt, politische Insolvenzverschleppung.“ NRW-Wirtschaft fordert mehr Tempo Und auch die NRW-Wirtschaft drückt aufs Tempo. &bdquo;Die politische Unsicherheit und fehlende Verlässlichkeit belasten die Unternehmen auch in Ostwestfalen schon seit geraumer Zeit, bremsen die wirtschaftliche Entwicklung und hemmen insbesondere langfristige strategische Entscheidungen“, sagt IHK-Präsident Jörn Wahl-Schwentker. Unternehmerinnen und Unternehmer hoffen deswegen auf eine nur kurze Übergangsphase. &bdquo;Wir brauchen jetzt schnellstmöglich Neuwahlen und eine neue Bundesregierung, die nach der Zeitenwende endlich auch eine erfolgreiche Wirtschaftswende vollzieht“, fordert ebenfalls Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff. Der Unternehmer wirft Scholz vor, die strukturelle Krise des Wirtschaftsstandorts Deutschland in den letzten Jahren und Monaten &bdquo;konsequent“ kleingeredet zu haben. Wenn zwei von drei Ampel-Partnern nicht mehr Willen und Kraft hätten, einen &bdquo;fundamentalen“ Neuanfang in zentralen Wirtschaftsbereichen zu wagen, sei das Ende der Regierung &bdquo;folgerichtig“, meint Kirchhoff. &bdquo;Deutschland hat keine Zeit mehr zu verlieren.“

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