Warum Mütter und Väter in einem Teil von Bielefeld Elterntaxi sein müssen

Bielefeld. Elterntaxis sind ein großer Aufreger, das Thema erhitzt regelmäßig die Gemüter. Doch nicht immer sind es überbesorgte Helikopter-Eltern, die für Chaos sorgen. Ein absurdes Beispiel aus dem Bielefelder Westen zeigt: Viele Familien auf dem Land haben aufgrund fehlender Busse und Anbindung kaum eine andere Wahl. Carina Wesemann kann nur noch den Kopf schütteln. Die 43-Jährige ist Mutter von drei Kindern, die Familie wohnt im ländlichen Bielefelder Stadtteil Dornberg. Kaum eine weiterführende Schule ist von hier aus schnell oder einfach zu erreichen, aber Wesemann hat von Anfang an darauf hingearbeitet, dass ihre beiden älteren Kinder den Weg zum Gymnasium Bethel allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Die Familie wohnt fußläufig entfernt von der Werther Straße, hier ist die Haltestelle &bdquo;Großdornberg Bürgerzentrum“ fast so etwas wie ein kleiner Busbahnhof. Etliche Linien treffen hier zusammen, viele fahren in die Stadt. Bloß der Bus, der für Wesemanns Kinder der praktischste, schnellste und wichtigste ist, fährt zur benötigten Zeit nicht von hier. Denn das Fahrzeug, das Mobiel sogar extra &bdquo;Schulverstärker“ nennt, fährt um 7.06 Uhr anderthalb Kilometer entfernt vom abseits gelegenen Dörfchen Kirchdornberg – und das bewusst, wie Mobiel auf Anfrage mitteilt. &bdquo;Dieser Bus könnte theoretisch auch ab Dornberg Bürgerzentrum starten, was aber dazu führen würde, dass die Linie 24 zu den Stoßzeiten noch höher ausgelastet wäre“, lautet die Antwort des Unternehmens. Bus fährt an stark frequentierten Bielefelder Haltestellen vorbei Carina Wesemann überrascht die Antwort nicht. Schon oft hat sie morgens gesehen, wie der dringend benötigte Bus an allen stark frequentierten Haltestellen vorbeifuhr und erst im dünn besiedelten Kirchdornberg die Fahrtzielanzeige aktivierte – wo sie ihre Kinder jeden Morgen hinbringen muss. &bdquo;Und das kann doch einfach nicht sein: Man koppelt den wichtigsten Bus, den alle brauchen, einfach von der wichtigsten Haltestelle ab, damit er nicht zu voll wird? Was ist das für eine Planung?“ Carina Wesemann ist nicht die Einzige, die sich über die Situation ärgert. Auch Eltern aus den Stadtteilen Deppendorf, Schröttinghausen und Hoberge-Uerentrup sind sauer. Denn ihre Kinder fahren mit der Linie 58 zuerst nach Dornberg, wo sie dann in die Linie 24 stadteinwärts umsteigen. Den früheren &bdquo;Schulverstärker“ können diese Kinder gar nicht erreichen, weil es nach Kirchdornberg keine Verbindung gibt. Erst um 7.10 Uhr fährt die reguläre Linie 24 wieder vom zentralen Verkehrsknotenpunkt in Dornberg. &bdquo;Das ist aber für viele zu spät.“ Die Folge: Viele Eltern müssen genau das tun, worüber alle schimpfen, und ihre Kinder mit dem Auto nach Kirchdornberg zur Haltestelle chauffieren. Ein Verhalten, das sogar Mobiel selbst für eine Kampagne nutzt. &bdquo;Früher war ich Mama-Taxi“, steht auf Plakaten, die das Unternehmen in seinen Fahrzeugen aushängt und mit denen es um Fachkräfte wirbt. &bdquo;Dann sollen sie ein vernünftiges Angebot auf die Beine stellen, dann bin ich auch kein Mama-Taxi mehr“, sagt Carina Wesemann. &bdquo;So habe ich doch gar keine andere Wahl.“ Bus so überfüllt, dass er Haltestellen einfach auslässt Wie groß der Bedarf ist, dass sich bei der Linie 24 am frühen Morgen einiges ändert, wissen auch viele Eltern aus Hoberge-Uerentrup, einem der Ortsteile, die der Bus fast als Letztes auf dem Weg in die Stadt passiert. Hier können Kinder oft nicht mehr einsteigen – weil sie schlichtweg nicht hineinpassen. &bdquo;Nachdem das mehrfach passiert ist, fahren wir unseren Sohn jetzt morgens. Das ist sonst für alle einfach zu wenig planungssicher“, sagt ein Hoberger Vater entnervt. Auch Esther Hoffmann hat mehrfach erlebt, dass der Bus zur Stoßzeit an der Haltestelle Uhlandstraße gar nicht erst angehalten hat, weil er überfüllt war. &bdquo;Und wenn man noch hineinkommt, stehen alle wie die Spargel in der Dose. Ich kam nicht mal durch bis zum Stempelautomaten, um mein Ticket zu entwerten.“ Auf Anfrage teilt Mobiel mit, dass der Einsatz weiterer Fahrzeuge oder eines größeren Gelenkbusses nicht möglich sei, da in der Morgenspitze stadtweit bereits alle verfügbaren Fahrzeuge sowie Fahrerinnen und Fahrer im Einsatz seien. &bdquo;Die Problematik besteht aus Sicht von Mobiel darin, dass Schülerinnen und Schüler aus Schröttinghausen und Deppendorf offensichtlich nicht die für sie deutlich besser geeigneten Verbindungen wählen.“ Das Unternehmen bitte darum, dass für die Anfahrt zu weiterführenden Schulen im Innenstadtbereich und in Gadderbaum die Linie 58 genutzt werde, die regelmäßig nicht überlastet sei. Mit ihr seien die Stadtbahnen zu erreichen, sowohl die Linie 3 als auch die Linie 4, die ebenfalls in Richtung Innenstadt führen. Auch die Schröttinghauser, Deppendorfer und Dornberger Eltern kennen diese Verbindungen. &bdquo;Aber entweder ist die Fahrzeit deutlich länger, die Kinder müssen noch früher aus dem Haus – oder es gibt andere Widrigkeiten“, sagt eine Deppendorfer Mutter. Gerade für jüngere Kinder der Unterstufen sei der Weg zur weiterführenden Schule mit teilweise über einer Stunde Dauer und zweimaligem Umsteigen eine Herausforderung. &bdquo;Bielefeld ist eine Großstadt, da müssen Kinder auch erstmal hineinwachsen. Allein der Jahnplatz mit seinem unterirdischen Gewirr von Tunneln schreckt Jüngere ab.“ Vielen helfe es sehr, in einer Gruppe mit Freunden unterwegs zu sein. &bdquo;Wenn die aber alle in der 24 sitzen, ist doch klar, mit welchem Bus die Kinder fahren.“ Auch das Argument fehlender Kapazitäten will aus der Elternschaft niemand so recht gelten lassen. &bdquo;Es gibt doch zwei Busse und zwei Fahrer, die um kurz nach sieben und um Viertel nach sieben unterwegs sind. Dann muss man die beiden halt direkt hintereinander herfahren lassen, wenn der Bedarf so riesig ist. Das wäre ja zumindest eine schnelle Lösung.“ Das Unternehmen Mobiel kündigte an, die Problematik nach den Herbstferien erneut zu prüfen.

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