Tierärztin: Darum sollten Kinder keine eigenen Haustiere haben

Frau Gehner, Sie sind nicht grundsätzlich gegen Haustiere, oder? Ulrike Gehner: Nein, grundsätzlich ist es für Kinder absolut optimal, mit Tieren aufzuwachsen. Aber das geht nur, wenn die Eltern auch ein Haustier möchten. Wenn sie bereit sind, sich darum zu kümmern, sich zu informieren, das Kind anzuleiten und zu begleiten. Ein &bdquo;Haustier für das Kind“, das funktioniert bei jüngeren Kindern nicht und hat in vielen Fällen verheerende Auswirkungen für die Tiere. Das sehen wir hier immer wieder. Woran leiden diese Tiere? Häufig werden viele Kleintiere schon mal gar nicht artgerecht gehalten. Wir sehen Kaninchen oder Meerschweinchen, die alleine in einem Käfig von ein mal zwei Metern leben. Oft bekommen die Tiere falsches Futter oder zu wenig Wasser. Kleintiere wie Mäuse oder Hamster sterben einfach, wenn sie über längere Zeit nicht richtig behandelt werden. Größere Tiere wie Kaninchen oder Meerschweinchen müssten dann aufwendig behandelt werden, wegen Kieferabszessen beispielsweise. Diese Kosten wollen aber viele Menschen nicht tragen. Und lassen sie dann einschläfern oder in unserer Obhut. Vielen Eltern ist wahrscheinlich nicht klar, dass sie damit sogar gegen das Tierschutzgesetz verstoßen. Vermutlich. Das besagt nämlich klar, dass, wer ein Tier hält oder betreut, dieses angemessen ernähren, pflegen und unterbringen muss. Er muss auch entsprechende Kenntnisse darüber haben. Und er darf die Möglichkeiten des Tieres zu artgerechter Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden. Aber welche Kleintiere kann man denn überhaupt wirklich artgerecht halten? Die wenigsten. Und auch das machen sich viele nicht klar. Kaninchen sind derzeit ein großer Trend, weil sie so gut zu sozialisieren sind und so zahm werden. Dabei sind Kaninchen extrem schwierig in der Haltung. Die brauchen einen Partner, und zwar ein anderes Kaninchen, kein Meerschweinchen. Zu zweit brauchen die Tiere dann mindestens sechs Quadratmeter Käfig- oder Gehegefläche. Was viele nicht wissen: Kaninchen sind sehr teuer, wenn sie krank werden und sie sind anfällig. Von welchen Kosten sprechen Sie da? Die Kastration von männlichen Tieren, die sehr zu empfehlen ist, kostet 150 Euro. Bei Weibchen kostet sie 400 Euro und muss oft gemacht werden, weil sie zu Tumoren in der Gebärmutter neigen. Dann sind Widderkaninchen total angesagt, weil sie diese Schlappohren haben. Das sind aber Qualzuchten, die meistens eine Ohr-OP brauchen, weil sich die Ohren entzünden. Den Gehörgang zu öffnen, kostet allein 1.000 Euro. Was ist mit Meerschweinchen? Das sind eigentlich gar keine Tiere für Kinder. Die brauchen eine große Gruppe, um artgerecht zu leben, und mindestens ein halbes Zimmer von sechs bis acht Quadratmetern Fläche. Die Tiere kann man nicht gut frei laufen lassen, weil sie überall hinkötteln und nicht, wie Kaninchen, immer in eine Ecke. Und viele Kinder sind enttäuscht, weil Meerschweinchen wenig sozial sind, wenig in Kontakt gehen. Das ist ein Tier zum Anschauen, nicht zum Streicheln und Kuscheln. Und Hamster oder Mäuse? Hamster sind nachtaktiv und damit für viele raus. Und Mäuse sind, wie Meerschweinchen, keine Tiere zum Anfassen, Streicheln oder gar Kuscheln. Die kann man gut beobachten, dafür braucht man aber auch eine sehr aufwendige und attraktive Käfiggestaltung. Letzter Versuch: Vögel? Da bin ich keine Expertin. Aber ich halte Vogelhaltung grundsätzlich für fragwürdig – außer in großen Volieren. Bleiben also Hunde oder Katzen? Genau. Die wollen aber viele Eltern nicht, weil das eben Haustiere für die ganze Familie sind, die kann man nicht einfach in einem Käfig ins Kinderzimmer stellen. Das ist auch ein Teil des Problems, das vielen nicht bewusst ist: Viele Eltern merken so gar nicht, dass das Tier ihres Kindes krank ist. Kleintiere sind Beutetiere. Die sind darauf selektiert, sich nicht anmerken zu lassen, wenn sie schwach oder krank sind. Wird der schlechte Zustand bemerkt, ist es dann oft schon sehr schlimm. Und dann wird eingeschläfert. Oder noch viel schlimmer: eben nicht. Wieso eben nicht? Wir sehen auch Fälle, in denen wird das Bedürfnis des Kindes über das des Tieres gestellt. Wir hatten hier kürzlich ein Kaninchen, das einen komplett vereiterten Kiefer hatte, kaum noch fressen konnte. Die Besitzer haben sich dagegen entschieden, es operieren zu lassen, das war denen zu teuer. Und auch eine Einschläferung kam nicht infrage – weil man das dem Kind nicht antun könne. Die haben das leidende Tier wieder mitgenommen. Für Sie als Tierärztin eine bittere Erfahrung. Ich frage mich bei all dem vor allem: Was lernen die Kinder daraus? Übernahme von Verantwortung jedenfalls nicht. Sondern am Ende: Wenn etwas kaputt ist, kommt es weg. Und so ist diese Haustierhaltung am Ende keinem gegenüber fair. Dem Kind nicht – und den Lebewesen erst recht nicht.

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