Illegaler Arzneihandel bei Facebook: Apotheker aus OWL erringt Erfolg

Bünde. Schmerzmittel, Antibiotika, Potenzmittel, Antibabypillen oder Diabetes-Medikamente wie Trulicity und Ozempic – alles verschreibungspflichtig und doch auf Facebook und anderen Onlinemarktplätzen erhältlich. Eigentlich dürfen Arzneimittel dieser Art in Deutschland ausschließlich in Apotheken verkauft werden. Doch in sozialen Netzwerken und Kleinanzeigenportalen boomt der rechtswidrige Handel. Der Bünder Apotheker Reinhard Rokitta, Vorstand des Berufsverbandes Freie Apothekerschaft, will das gefährliche Treiben beenden – und hat nun einen ersten Erfolg errungen. Denn eine öffentliche Facebook-Gruppe, über die seit Jahren mit Arznei gehandelt wird, ist nun gesperrt. &bdquo;Doch das grundsätzliche Problem ist damit nicht gelöst“, sagt Rokitta. Seit 2022 wird über die Gruppe &bdquo;Medikamentenflohmarkt Medikamente & Hilfe“ mit Arzneimitteln gehandelt, die apotheken- oder sogar verschreibungspflichtig sind. Facebook-Nutzer, häufig anonym, suchen hier nach bestimmten Medikamenten oder bieten Mittel an. Besonders beliebt ist das Opioid Tilidin, das zur Behandlung von starken Schmerzen eingesetzt wird. Stark nachgefragt werden auch die Antidiabetika Trulicity und Ozempic, die zur Behandlung von Typ-2-Diabetes verordnet, jedoch als sogenannte Abnehmspritzen auch als Lifestyleprodukte missbraucht werden. &bdquo;Der rechtswidrige Handel mit Arzneimitteln ist lebensgefährlich, weil die Einnahme von Medikamenten ohne entsprechende Indikation schwere Folgen haben kann“, erklärt Apotheker Reinhard Rokitta. &bdquo;Opioide haben mitunter ein hohes Suchtpotenzial.“ Aber auch die Einnahme anderer Medikamente, wie zum Beispiel Potenzmittel wie Viagra, könne bei bestimmten Vorerkrankungen zu schweren Nebenwirkungen führen. &bdquo;Um Komplikationen zu verhindern, ist der Handel mit Medikamenten in Deutschland streng reglementiert.“ Schwarzmarkt verschärft Medikamentenmangel für Diabetiker Zudem verschärft der rechtswidrige Internethandel für bestimmte Medikamente nach Angaben Rokittas den bestehenden Mangel, wie das Beispiel der Antidiabetika Trulicity und Ozempic zeigt. &bdquo;Die Nachfrage übersteigt das Angebot aktuell deutlich, was dazu führt, dass Diabetiker, die diese Mittel dringend brauchen, nicht versorgt werden können.“ Der Mangel sei inzwischen so groß, dass viele Apotheken Wartelisten führen müssten. &bdquo;Wir haben aktuell 20 Patienten auf der Liste, die wir anrufen, wenn wir etwas vom Großhandel erhalten. Wir wissen jedoch nie, wann wir wie viel erhalten, sodass manche Patienten sechs Wochen auf das passende Mittel warten müssen.“ Um das Vorgehen in der Facebook-Gruppe auch rechtlich zu prüfen, hat die Freie Apothekerschaft die Kieler Anwaltskanzlei &bdquo;Brock Müller Ziegenbein“ beauftragt. Das Ergebnis: &bdquo;Die Aktivitäten in der Facebook-Gruppe verstoßen gegen nationales Arzneimittelrecht“, sagt Rechtsanwalt Nicolas Harding. &bdquo;In Deutschland dürfen Medikamente, die apotheken- oder verschreibungspflichtig sind, nicht außerhalb von Apotheken verkauft werden.“ Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz sind strafbar, es drohen Geld- und Freiheitsstrafen. Anwälte informieren Behörden über das illegale Treiben bei Facebook Um den Handel in der Gruppe zu verhindern, haben die Anwälte den Verstoß im Beschwerdeportal von Meta gemeldet. Zu dem Konzern gehören unter anderem Facebook, Instagram und Whatsapp. &bdquo;Darüber hinaus haben wir die Behörden informiert, weil die Sperrung einzelner Gruppen nicht das grundsätzliche Problem des rechtswidrigen Arzneimittelhandels auf Facebook und anderen Plattformen löst“, erklärt Harding. Doch die Rückmeldungen der Behörden seien ernüchternd, weil sich niemand zuständig fühle. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ist nach Angaben eines Sprechers nicht zuständig, weil die Marktüberwachung bei Arzneimitteln in die Zuständigkeit der Länder fällt. Das bestätigt das NRW-Gesundheitsministerium. Entscheidend ist dabei nach Angaben eines Sprechers, wo der Verkäufer seinen rechtswidrigen Arzneimittelhandel betreibt. Handele es sich um Standorte in NRW, seien die Bezirksregierungen zuständig. Die Bezirksregierung Detmold bestätigt, dass sie die Herstellung und den Vertrieb von Medikamenten überwacht. Für die Verstöße in der Facebook-Gruppe ist die Behörde nach Angaben einer Sprecherin jedoch trotzdem nicht zuständig, weil die Herkunft der Verkäufer nicht bekannt ist. Behörden schieben Zuständigkeiten weiter Meta äußert sich auf Anfrage nicht, und die Bundesnetzagentur verweist an den Digital Services Coordinator (DSC), bei dem Internetnutzer Verstöße auf Plattformen wie Facebook melden können. Der DSC kann rechtswidrige Inhalte nach Angaben eines Sprechers jedoch nicht selbst sperren. &bdquo;Dafür sind die Gerichte und Verwaltungsbehörden zuständig. Für die Durchsetzung von Arzneimittelrecht sind die Gesundheitsbehörden zuständig und bei Straftaten die Polizei.“ Für die Beschwerde der Freien Apothekerschaft sei der DSC jedoch nicht zuständig. Rechtsanwalt Harding kann das Vorgehen der Behörden nicht nachvollziehen. &bdquo;Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, Anzeigen gegen einzelne Verkäufer zu stellen, weil es hier nicht um die Verfolgung Einzelner geht, sondern um die Lösung eines strukturellen Problems.“ Harding ist erleichtert, dass das Engagement der Freien Apothekerschaft dazu geführt hat, dass die Gruppe gesperrt wurde. &bdquo;Doch uns ist nicht bekannt, was letztlich dazu geführt hat, weil sich Meta nicht zurückgemeldet hat.“ Arzneimittel werden im Internet auch an Kinder und Jugendliche verkauft Zudem besteht nach Angaben Hardings die Gefahr, dass sich die Mitglieder der Gruppe eine neue Plattform für ihren rechtswidrigen Arzneimittelhandel suchen. &bdquo;Offenbar scheint auf keiner Ebene klar zu sein, wie groß das Problem ist und wie gefährlich rechtswidriger Handel mit Arzneimitteln ist. Hier scheint das Problembewusstsein zu fehlen. Formal mag es stimmen, dass sie nicht zuständig sind, doch dadurch gibt es keine effektive Gefahrenabwehr“, moniert Harding. &bdquo;Alle Behörden teilen unsere Rechtsauffassung und bewerten die Aktivitäten in der Facebook-Gruppe als rechtswidrig, doch zuständig fühlt sich niemand.“ Die Apotheker bedauern, dass sich die Behörden vor allem auf Zuständigkeitsfragen konzentrieren. &bdquo;Uns entsetzt, dass sich alle wegducken, obwohl in diesen Gruppen auch Minderjährige an verschreibungspflichtige Arznei gelangen“, sagt Rokitta. &bdquo;Würden wir Apotheker so handeln, gäbe es sofort Konsequenzen, doch online scheint es niemanden zu interessieren.“ Der Apotheker spricht aus Erfahrung, denn die Freie Apothekerschaft kämpft bereits seit Jahren gegen rechtswidrigen Arzneimittelhandel im Internet. &bdquo;Verhindern lässt sich das nur, wenn der Gesetzgeber endlich damit beginnt, Patienten und Apotheker zu schützen.“ Harding hält eine Anpassung des Arzneimittelgesetzes für sinnvoll. &bdquo;Das Gesetz deckt die vielfältigen Möglichkeiten, die das Internet für den Handel mit Medikamenten bietet, aktuell nicht ab.“ Zudem fehle eine zentrale Anlaufstelle. &bdquo;Die Zuständigkeit der Länder passt nicht, weil der Handel international läuft.“

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