Bielefeld. Werden wir das Coronavirus irgendwann los? Eine Frage, deren Antwort in weiter Ferne zu liegen scheint. In einer Zeit, in der sich durch den Stopp der Impfungen durch Astrazeneca womöglich der Impfplan in Deutschland erneut verzögert. Eine im Kampf gegen das Coronavirus führende britische Forscherin sagt jetzt, dass uns das Thema noch lange beschäftigen wird.
Wegen der Mutanten, die nicht nur ansteckender, sondern auch gefährlicher sein könnten, werden regelmäßige Impfauffrischungen nötig sein, so Sharon Peacock. Sie ist die Leiterin des Gensequenzierungsprogramms im Vereinigten Königreich. Das Coronavirus mutiere etwa alle zwei Wochen, erklärte sie gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Das sei zwar langsamer als etwa das Grippe- oder HI-Virus, reiche aber aus, um die Impfstoffe anpassen zu müssen. "Wir müssen uns darauf einstellen, die Impfungen aufzufrischen, die Immunität gegen das Coronavirus hält nicht ewig an." Wäre Deutschland darauf vorbereitet, regelmäßig Millionen Menschen zu impfen?
"Wahrscheinlich wird das Coronavirus in unserem Leben bleiben"
"Es ist derzeit weder abschließend geklärt, wie lange der Impfschutz anhält noch ob die Wirksamkeit der zugelassenen Impfstoffe bei den bekannten Mutationen herabgesetzt ist", lautet die Antwort auf diese Frage aus dem NRW- Gesundheitsministerium. Man müsse zunächst abwarten. "Insofern kann die Frage nach einer jährlichen Impfung wie bei Influenza zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden."
Auch Theodor Windhorst, der Leiter des Bielefelder Impfzentrums, bestätigt, dass es noch keine richtige Antwort auf die Frage gibt. "Was decken die Impfstoffe ab und wie lange wirken sie?", nennt er als ungeklärte Variablen. Er wagt aber einen Blick in die Glaskugel. "Wahrscheinlich wird das Coronavirus in unserem Leben bleiben", sagt er, weil es einer Influenza ähnlich sei. Das Influenzavirus wandelt sich im Laufe der Zeit, weswegen der Impfstoff jedes Jahr angepasst werden muss und die Impfung dann auch nur in der jeweiligen Saison den bestmöglichen Schutz bietet. Es muss also regelmäßig nachgeimpft werden.
Bleiben die Impfzentren für immer stehen?
Ähnlich könnte es dann mit den Impfstoffen gegen das Coronavirus sein. Laut Techniker Krankenkasse ließ sich in NRW in der Grippesaison 2017/18 nur jeder Zehnte gegen die Grippe impfen. Gegen Corona müssten sehr viel mehr Spritzen gesetzt werden. Müssten die sieben Impfzentren in OWL also bis auf Weiteres stehen bleiben? "Nein", meint Windhorst. Zum einen stünden die Impfzentren an Stellen, die man auch besser nutzen könnte und zum anderen könnten die niedergelassenen Ärzte das leisten. "Zum eigenen Arzt hat man auch mehr Vertrauen", glaubt er.
Die Subventionen für die Impfzentren sollten eigentlich im Juni enden und wurden jetzt bis zum 30. September verlängert. Bis dahin sieht Windhorst es als seine Aufgabe an, die Menge abzuarbeiten, wie er sagt. Dann sollen die Aufgabe aber wie die Grippeimpfung an das System der Versorger wie Haus- oder Fachärzte oder auch Apotheken übergeben werden. "Wir geben unsere Erfahrungen an diese Gruppen weiter und sind dann auf das, was auf uns zukommt vorbereitet", blickt er optimistisch in die Zukunft.
Können niedergelassene Ärzte die Massen impfen?
Können diese Gruppen die Masse händeln? "Ja", sagt der Leiter der Bezirksstelle Paderborn der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), Ulrich Polenz. Irgendwann wisse man, wie lange eine Impfung schützt und könnte dann regelmäßig die Impfung auffrischen. "Wenn wir davon ausgehen, dass dann ausreichend Impfstoff da ist, ist die Menge zwar ein logistisches Problem, das ist aber lösbar." Angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Impfstoffe derzeit entwickelt werden, ist er da aber zuversichtlich. Auch Betriebsärzte könnten dann mithelfen und die Aufgabe in ihren Betrieben übernehmen.
"Was uns jetzt aufhält ist die Dokumentation", erklärt Polenz. Mit dem Aufklärungsgespräch und dem Ausfüllen des Impfpasses habe er sehr viel mehr zu tun als mit dem Verabreichen des Impfstoffs. "Das dauert nur gut 20 Sekunden", meint er. "Wenn die Impfung zum normalen Ablauf gehört, wird das schneller gehen." Im Herbst etwa habe er in seiner Hausarztpraxis eine Kühltasche mit der Grippeimpfung auf dem Tisch stehen und frage jeden Patienten, ob er eine Impfung haben wolle. Ähnlich könne er sich das auch mit der Coronaimpfung vorstellen.
Frage nach Privilegien für Geimpfte überflüssig
"Wenn wir erst mal soweit sind, dass eine Herdenimmunität geschaffen ist, ist das Problem nicht mehr so gravierend wie jetzt, wo kaum jemand Antikörper hat", erklärt er. "Dann ist es nicht mehr so gravierend, wenn sich jemand infiziert, weil der nicht mehr so viele Menschen ansteckt, wie es jetzt noch der Fall ist." So würde sich auch die Frage nach Privilegien für Geimpfte erübrigen.
Die Wichtigkeit der Impfung betonen die Experten beide. "Ich will impfen", sagt Windhorst. "Durch eine verstärkte Impfrealität und die Herdenimmunität werden wir mit dem Virus leben können." Bis dahin sei aber noch viel zu tun. Ulrich Polenz ergänzt: "Die Frage auf das Impfangebot sollte nicht die nach dem Impfstoff sein, sondern wo und wann." Er wartet darum auf den Start der Impfungen in den Praxen.

