Bei Tönnies wird wegen der vielen Corona-Fälle jetzt weniger geschlachtet

Nach zahlreichen Neuinfektionen in einem Zerlegebetrieb für Sauen und Schweine führte der Kreis Gütersloh Dienstag wieder eigene Tests bei Tönnies durch. | © Tönnies

Anja Hustert
16.06.2020 | 19.06.2020, 17:38

Kreis Gütersloh. Zum Krisengespräch kam der Chef persönlich: Anderthalb Stunden saß Clemens Tönnies gestern Vormittag mit Landrat Sven-Georg Adenauer zusammen. „Mir war es wichtig, die Sache persönlich mit ihm zu besprechen", sagte Adenauer nach der Krisensitzung.

Steigende Infiziertenzahlen in einem Teilbetrieb des Zerlegebetriebes für Sauen und Schweine in Rheda-Wiedenbrück hatten nicht nur den Krisenstab im Kreishaus in Aufregung versetzt. Allein übers Wochenende wurden 48 Neu-Infektionen gemeldet, von denen 46 auf das Konto von Tönnies gehen. Gestern stieg die Zahl der Neu-Infizierten nach Angaben der Kreisverwaltung um weitere 23. „Ich habe kein Interesse daran, über einen erneuten Lockdown zu diskutieren", machte Adenauer der Tönnies-Geschäftsführung deutlich.

Der Kreis begann gestern daher am Standort in Rheda erneut mit Corona-Tests. Getestet werden die Personen, die in der Zerlegung und der Kantine tätig sind. Aber auch das Personal des Kreises, das in der amtlichen Überwachung tätig ist und zur Fleischbeschau mit den Zerlegern am Band steht. „Bei der ersten Testung war da jedoch glücklicherweise niemand infiziert", so Adenauer.
Eine Schließung des Schlachtbetriebes, wie es in der Kreistagssitzung am Montag von der SPD angeregt wurde, wird es jedoch nicht geben. „Das Unternehmen ist systemrelevant", gab Adenauer zu bedenken. Stattdessen sagte Tönnies zu, den Personaleinsatz in den betroffenen Bereichen der Zerlegung signifikant zu verringern, um die innerbetrieblichen Abstände bei der Arbeit zu vergrößern. Dies bedeutet natürlich auch eine enorme Verringerung der Schlachtzahlen bei Sauen und Schweinen, was wiederum die Landwirte, die ihre Tiere an Tönnies liefern, vor große Herausforderungen stellt.

Konzernchef Clemens Tönnies und sein Corona-Krisenstabsleiter Gereon Schulze Althoff hätten beim Gespräch im Kreishaus klargestellt, dass es auch im ureigenen Interesse des Unternehmens liege, das Risiko von Neuinfektionen zu minimieren. „Insofern wird die Firma Tönnies kurzfristig zusätzlich technische Maßnahmen im Bereich der Belüftung mit Frischluft ergreifen, um die Aerosol-Belastung in der Luft zu minimieren", sagte Krisenstabsleiter Thomas Kuhlbusch im Nachgang des Gesprächs. An Bestrahlung mit UV-Licht wird gearbeitet und an der Raumtemperatur – soweit es die sensible Ware Fleisch zulässt.

„Das Virus ist nicht weg und lässt sich nicht verstecken"

„In unseren Zerlegebetrieben herrschen sozusagen spätwinterliche Temperaturen. Es mehren sich die Erkenntnisse, dass die dortigen mikroklimatischen Bedingungen die Verbreitung besonders begünstigen können. Diese Risiken müssen wir zielgerichtet angehen", sagte Gereon Schulze Althoff, Corona-Krisenstabsleiter bei Tönnies.

Sowohl Adenauer als auch Tönnies sprachen nach dem Termin, an dem neben den beiden Krisenstabsleitern von Tönnies und dem Kreis auch noch die Gesundheitsamtsleiterin Anne Bunte und der Kreisveterinär Bernhard Beneke teilnahmen, von einem konstruktiven Austausch. Adenauer habe allerdings schon die im Kreistag angekündigte „klare Kante" gezeigt, hieß es. Schließlich drohen dem Kreis Gütersloh erneute Kontaktbeschränkungen, wenn die Zahlen weiterhin in diesem Tempo ansteigen. Laut einer Bund-Länder-Vereinbarung ist diese zu prüfen, wenn sich mehr als 50 Personen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen neu infiziert haben – ein Wert, der für den Kreis bei 182 erreicht ist. Aktuell liegt die Zahl bei 114. „Es gibt jedoch keinen Automatismus", beruhigte Thomas Kuhlbusch. So könne von weitreichenden Maßnahmen abgesehen werden, wenn sich die Neuinfizierten auf einen oder wenige Ausbruchsherde zurückführen ließen, so wie es derzeit bei Tönnies der Fall ist. Das Unternehmen habe auch Vorsorge geschaffen, damit weitere Infizierte und Kontaktpersonen sich in Quarantäne begeben können.

Laut Kuhlbusch wird in den nächsten Tagen aufgrund der aktuellen Tests mit weiter steigenden Fallzahlen gerechnet. „Das Virus ist nicht weg", gibt er zu bedenken, „und es lässt sich auch nicht verstecken."