
Bielefeld. Am Sonntag, 5. Mai, ist Tag der Hebamme. Er läuft in diesem Jahr unter dem Motto "Hebammen stärken Frauenrechte". Die Geburtshelferinnen wollen damit auf die schlechte Versorgung in Kreißsälen aufmerksam machen. Dabei hat sich an ihrer eigenen Situation auch noch nichts gebessert. Mangelnde Vergütung, zu hohe Betriebskosten und schlechte Arbeitsbedingungen sorgen dafür, dass immer weniger Hebammen tatsächlich Geburtshilfe leisten und immer weniger Frauen sich für diesen Beruf entscheiden. Dabei ist die Begleitung durch Hebammen für Schwangere immer wichtiger, wie dieses Interview zeigt:
Frau Penner, was ist an medizinischer Begleitung in der Schwangerschaft wirklich nötig?
Veronika Penner: Das ist bei jeder Frau unterschiedlich und es ist ein großes Privileg unserer Zeit, dass sich jede Frau entscheiden darf, welches Maß an Untersuchungen sie braucht, um gut schwanger sein zu können. Und dadurch eben auch, was sie bewusst nicht wissen möchte. Denn Ergebnisse, die wir aus Untersuchungen ziehen, sind nicht immer die, die wir uns wünschen. Und damit müssen die werdenden Eltern auch umgehen.
Wie erleben Sie diese Freiheit in Ihrem Berufsalltag?
Penner: Ich kenne Frauen, die haben sich komplett gegen die ärztlichen Mutterschafts-Richtlinien und ihre empfohlenen Routine-Untersuchungen entschieden. Sie wählen sich das raus, was ihnen gut tut und was sie meinen, was sie und das Kind wirklich brauchen. Aber das sind Ausnahmefälle. Die meisten richten sich nach der Vorgabe: Zuerst alle vier Wochen zu Hebamme oder Arzt und ab der 32. Woche alle zwei Wochen.
Hat das mit Unsicherheit zu tun?
Penner: Absolut. Viele Frauen sind vor allem in ihrer ersten Schwangerschaft sehr unsicher. Alles verändert sich, der Körper fühlt sich ganz anders an. In dieser Situation bieten der heutige Wissensstand und der medizinische Fortschritt Vorteile - aber auch viele Nachteile.
Warum Nachteile?
Penner: Weil die Verlockung so groß ist, bei jeder Unsicherheit schnell zum Arzt zu gehen und alles nachgucken zu lassen. Per CTG oder Ultraschall kann ja schließlich jede Bewegung des Kindes verfolgt werden. Das Drama ist aber, dass vor lauter medizinischem Fortschritt die Zuversicht, das Vertrauen in die eigenen körperlichen Fähigkeiten weitgehend verloren gegangen ist. Frauen sind heute seltener guter Hoffnung, sondern voller Angst und Bedenken. Bei uns Hebammen gibt es aber einen wichtigen Grundsatz: Geburt will gelingen! Diese Haltung haben viele Frauen gar nicht erst entwickeln können. Da spielt auch das Internet eine wichtige Rolle.
Inwiefern?
Penner: Weil es unglaublich viele Foren gibt, in denen Schwangere sich austauschen können. In diesen Foren schreiben aber meist jene, die sehr Dramatisches erlebt und zu berichten haben. Die Kultur des Positiven, von der ich eben sprach, kann so nicht entstehen. Dann ist es doch viel besser, die Hebamme einmal mehr zu kontaktieren.
Sie setzen also auf persönlichen Austausch.
Penner: Ich empfehle grundsätzlich eine frühe Kontaktaufnahme zur Hebamme und vermittle dann auch gern Familien den Kontakt zueinander, zum Beispiel bei Mehrlingsschwangerschaften. Dann können sich Frauen untereinander in persönlichem Kontakt austauschen - und nicht anonym im Internet. Diese Kultur brauchen wir wieder: das positive Weitergeben von Wissen von einer Frau zur anderen. Das hat es immer schon gegeben und es ist uns leider ein Stück weit verloren gegangen.
Wie kann ich denn als Frau Vertrauen in meinen Körper und die Schwangerschaft entwickeln?
Penner: Ich finde es immer gut, zu gucken, was einem sonst im Leben schon mal geholfen hat, sich zu festigen, Zuversicht zu entwickeln. Und es ist wichtig, zu beobachten und auch abzuwarten. Ich merke ja, wie der Körper sich verändert, wie sich das Kind im Körper verändert. Wenn man da hinspüren kann, ist das wie ein Selbstläufer.
Sie sprachen eben das Thema „gute Hoffnung" an. Aber eine Schwangerschaft geht ja gar nicht immer gut. Sind die Ängste da nicht auch berechtigt?
Penner: Das stimmt, es wird nicht jede Hoffnung erfüllt. Aber wenn wir sie von vornherein gar nicht erst haben, wird es noch schwieriger. Früher war das anders. Wir werden heute sehr geplant schwanger, ein oder zweimal, weil wir das so wollen und weil wir nur dieses begrenzte Zeitfenster haben. Da können wir uns rechts und links keine Komplikationen leisten. Dabei sollten wir erstmal sehen, dass es doch schon ein Wunder ist, dass eine Schwangerschaft überhaupt entsteht. Denn in den meisten Fällen geht ja alles gut. Dazu kann ich nur nochmal sagen: Geburt will gelingen!