Flugzeugabsturz in Werther und zwei Tote, die 25 Jahre unentdeckt blieben

Werther-Isingdorf. Es war still an diesem Gründonnerstag zur Mittagszeit in Isingdorf, als plötzlich ein heulendes Motorengeräusch zu hören war. Es folgte ein lauter Knall, dann das Prasseln von Feuer und kleinere Explosionen von Munition. Die Geräusche waren nur wenige Minuten zu hören gewesen. Wenige Minuten, in denen zwei junge Menschen den Tod fanden. Damals am 29. März des Jahres 1945. Erst 25 Jahre später sollten ihre Leichen gefunden werden. 80 Jahre liegen diese Ereignisse der letzten Tage des Zweiten Weltkriegs nun zurück. Während das nahe Bielefeld auch im letzten Kriegsjahr Ziel furchtbarer Bombenangriffe wurde, blieb Werther weitgehend verschont. Ein Flugzeugabsturz – so sollte man meinen – muss hier im ländlichen Gebiet doch eine ziemliche Sensation gewesen sein. Doch dieser Absturz scheint gleich mehrmals beinahe in Vergessenheit geraten zu sein. Auf der Internetseite &bdquo;Spurensuche OWL – der Luftkrieg über Ostwestfalen 1939–1945“ werden vergessene Absturzstellen des Zweiten Weltkriegs zusammengetragen. Dort ist auch Isingdorf aufgeführt. &bdquo;Gründonnerstag, der 29. März 1945, gegen 12.30 Uhr. Die Heinkel He 219 &bdquo;UHU“ von der 8. Nachtjagdgeschwader 1 befindet sich auf dem Überführungsflug von Dortmund nach Hildesheim. An Bord der Pilot Unteroffizier Adam Noll und sein Bordfunker Helmut Walter“, heißt es dort. Mehr dazu: Tagebuch in Kriegszeiten: Als in Werther die Tiefflieger angriffen 15-jähriger Isingdorfer erlebte den Absturz hautnah Auf dem Grundstück des Hofes Struck am Isingdorfer Weg sei die Maschine abgestürzt und in einem Feuerlöschteich versunken. Beide Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. Die Ursache des Absturzes sei bislang nicht bekannt, heißt es. Erst 2012, also 67 Jahre später, bemühte sich ein niederländischer Historiker darum, Licht ins Dunkle zu bringen, und fand mit Unterstützung des Heimatvereins Werther den Zeitzeugen Wilhelm Struck, der 1945 als 15-Jähriger den Flugzeugabsturz auf dem elterlichen Hof am Isingdorfer Weg hautnah mitbekam. Auch im &bdquo;Haller Kreisblatt“ berichtete der damals 81-Jährige von seinen Erinnerungen an den schicksalhaften Tag. Das Flugzeug habe sich regelrecht in den kleinen Teich auf der gegenüberliegenden Straßenseite hineingebohrt, erzählt er. Noch bis in den Abend hinein habe die Maschine gebrannt, und immer wieder seien Explosionen von Munition zu hören gewesen. Stadt Werther veranlasste nach dem Absturz keine Bergung Die Stadt Werther meldete den Absturz zwar an die zuständigen Behörden, in den Wirren der letzten Kriegstage allerdings blieb das erwartete Räumkommando aus. Stattdessen, so erzählte Wilhelm Struck, seien zwei Soldaten erschienen. Mit Schaufeln hätten sie ein wenig gegraben, dabei wohl auch den Teil eines Armes freigelegt, dann aber aufgeben müssen. Ein Infanteriezug, der in der Isingdorfer Schule stationiert gewesen sei, habe notwendigste Aufräumarbeiten verrichtet, sei aber schon tags darauf abgerückt, heißt es in einem Bericht, den der Wertheraner Amtsdirektor Wilhelm Ellerbrake aus der Erinnerung viele Jahre nach Kriegsende verfasste. &bdquo;Ein Kommando des Fliegerhorstes (Gütersloh) bemühte sich erst am Spätnachmittag des Gründonnerstags und am Karfreitag um die Sicherung der Absturzstelle.“ Ohne schweres Gerät sei bei der abgestürzten Maschine nichts auszurichten gewesen, resümierte Wilhelm Struck. Die Soldaten rückten ab und überließen die Isingdorfer Landwirtsfamilie und das Flugzeugwrack ihrem Schicksal. So trugen die Männer der Familie Struck die umherliegenden Trümmer zusammen, entfernten aus dem Teich ragende Metallteile und schleppten alles an den nahe gelegenen Waldrand. Den Teich schütteten sie zu, und es wuchs im wahrsten Sinne des Wortes Gras über alles. Lesen Sie auch: Vergessenes Gefängnis: Ein Haftlager in Werther, das nirgendwo erwähnt wird Kampfmittelräumdienst fand Strickjacken und Portemonnaie an der Absturzstelle Am zweiten Osterfeiertag 1945, also nur vier Tage nach dem Absturz, rückten die Amerikaner in Werther ein, und gut fünf Wochen später war der Krieg auch ganz offiziell beendet. Die Menschen hatten andere Sorgen und das Flugzeugwrack mit den beiden Toten geriet in Vergessenheit. Das änderte sich erst 25 Jahre später. Im März 1970 suchte der Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung Detmold verstärkt nach Blindgängern und Munition aus dem Zweiten Weltkrieg. Um das Flugzeugwrack in Isingdorf zu finden, rückte man mit schwerem Gerät an und beförderte innerhalb weniger Stunden neben einem Haufen Flugzeugtrümmer einen halben Propeller zutage sowie die komplette Zwei-Zentimeter-Kanone, die im Bug des Flugzeugs eingebaut gewesen war – so berichtete das &bdquo;Haller Kreisblatt“ am 28. März 1970. Doch das war nicht alles. Stofffetzen, Reste von Strickjacken, zwei zusammengefaltete Fallschirme, zwei Lederkoppel mit Pistolentaschen, in denen sich zwei relativ gut erhaltene Pistolen befanden, eine Geldbörse mit Kleingeld, ein Essbesteck, ein dünnes goldenes Kettchen und Uniformknöpfe befanden sich ebenfalls noch zwischen den Trümmern. Und: menschliche Gebeine, die anhand der Erkennungsmarken schnell als die sterblichen Überreste von Adam Holl und Helmut Walter identifiziert wurden. Vater des Toten besuchte die Absturzstelle in Werther Ihre Familien erhielten so nach 25 Jahren endlich Gewissheit über den Verbleib der bis dahin als vermisst geltenden. Der Vater von Adam Holl besuchte später die Absturzstelle. Sein Sohn wurde nur 22 Jahre alt. Wilhelm Struck erinnerte sich im &bdquo;Haller Kreisblatt“ noch ganz genau daran, wie der damals 75-Jährige sich den Ort, an dem sein Sohn starb, ganz genau anschaute und alles wissen wollte. Adam Noll und Helmut Walter werden auf dem Friedhof von Weiterode bei Bebra, dem Heimatort von Adam Holl, beigesetzt. Warum das Flugzeug, in dem sie saßen, abstürzte, darüber gibt es verschiedene Versionen. Der niederländische Historiker Dr. Marcel Hogenhuis war überzeugt, dass das Flugzeug auf einem Verlegungsflug von Dortmund nach Hildesheim mit Umweg über Münster-Handorf gewesen sei und dass es von alliierten Jagdflugzeugen abgeschossen worden sei. Augen- und Ohrenzeuge Wilhelm Struck glaubte dies indes nicht. Er habe keinerlei Beschuss gehört, bevor die Maschine abgestürzt sei. Und man habe in Isingdorf sogar das Maschinengewehrfeuer der Jäger im Luftraum über Bielefeld hören können, sagte er seinerzeit dem &bdquo;Haller Kreisblatt“. Das Erste, was er gehört habe, sei das Jaulen der Motoren gewesen, so Struck. Pilot riss Flugzeug über Werther noch mal hoch Dieses Aufjaulen würde zu der These passen, dass der Pilot der Heinkel He 219 das Flugzeug vor dem Absturz noch einmal hochriss, um nicht in die Innenstadt von Werther zu stürzen. Mit ihren Schleudersitzen hätten sich die beiden Insassen zu dem Zeitpunkt vielleicht noch retten können. Als das Flugzeug dann eine gewisse Höhe erreicht hatte, senkte es sich offenbar nach vorn, um quasi im Sturzflug kopfüber in den Teich zu stürzen. Adam Holl und Herbert Walter hatten zu dem Zeitpunkt keine Chance mehr, zu überleben. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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