Werther. Mehr als 80 Gymnasiasten haben Montag erstmals wieder ihr Schulgebäude betreten – nach Wochen des digitalen Lernens im eigenen Zuhause. In einem rollierenden System wollen die Lehrer jetzt wieder Unterricht erteilen. Für jede Jahrgangsstufe zunächst nur tageweise: Montags unterrichten sie die Fünftklässler, dienstags die Sechstklässler, mittwochs die Siebtklässler und so fort. Das System soll für den Zeitraum vom 11. Mai bis zum Ferienbeginn am 29. Juni fortgeführt werden.
Gestern hat es für die Fünftklässler begonnen. Einzeln und im vorgeschriebenen Abstand marschieren die Schüler in ihre Klassenzimmer. Grüppchenbildung ist untersagt. Zudem herrscht seit dem 16. Mai auf dem gesamten Schulgelände Maskenpflicht. Einen Covid-19-Fall wollen alle Beteiligten unbedingt vermeiden. Käme es dazu, will sich das EGW zumindest nichts vorwerfen lassen müssen. Tatsächlich scheint dort alles vorbildlich abzulaufen. Über die Rückkehr eines kleinen bisschens an Normalität im Unterrichtsalltag freuen sich laut der Lehrerin Silvia Wunsch Schüler und Lehrer gleichermaßen.
Abstände werden per Zollstock gemessen
Streng achten die zwei Schulleiter Christian Kleist und Sabine Koch, sowie die Sekretärinnen Heike Wäger und Kerstin Kombrink vor dem Haupteingang auf die Einhaltung der Hygienevorschrift. „Einer rechts, einer links", ruft Kerstin Kombrink zwei Fünftklässlern zu, die sich beim Eintritt ins Gebäude zu nahe gekommen sind. Heike Wäger nimmt sogar einen Zollstock zur Hand, um den Kindern den vorgeschriebenen Abstand maßstabsgetreu vor Augen zu führen.
Hinter den Eingangstüren stehen zwei Spender mit einem Desinfektionsmittel. Jede Person muss sich vor dem weiteren Eintritt ins Gebäude die Hände desinfizieren. Auf dem Boden weisen Pfeile den Schülern die Laufrichtung an. In einem Klassenzimmer dürfen maximal nur zehn Schüler Platz nehmen. Das führt dazu, dass jeder Klassenverband dreigeteilt ist. So verteilen sich die Schüler der Klassen 5 a, b und c auf neun Räume. Ein Wechsel der Räume ist nicht gestattet. Das hat zur Folge, dass alle Wahlpflichtfächer wie etwa Latein oder Französisch derzeit nicht unterrichtet werden können, weil sie im Regelfall von Schülern unterschiedlicher Klassenverbände besucht werden. Die Lehrer sollen zudem in den Klassenräumen mehrere Male die Fenster zum Durchlüften öffnen. Die Schulpausen dürfen die Schüler derzeit nur in ihren Klassenräumen verbringen, und die großen Pausen sind auf 15 Minuten verkürzt worden. Manch ein Schüler wird über eine weitere Maßnahme vermutlich erleichtert aufatmen: Bis zu den Ferien werden keine Klassenarbeiten mehr geschrieben.
Klassenarbeiten fallen flach
Sportunterricht fällt während der Corona-Pandemie ebenfalls flach. Nicht nur aus hygienischen Gründen, sondern auch, weil die Turnhalle derzeit für die schriftliche Prüfung den Abiturienten vorbehalten ist. Sabine Koch hat zuvor das Raumvolumen berechnet und passende, quadratische Tische eines Messebauunternehmens geordert. So ist gewährleistet, dass die Abiturienten während der Prüfung den vorgeschriebenem Abstand einhalten. Nach jeder Prüfung reinigen und desinfizieren die Putzfrauen Tische und Stühle.
Der Lehrplan indes kann mit all den Maßnahmen wohl kaum eingehalten werden. Dessen bewusst ist sich auch das Schulministerium. Es gewährt daher allen schwachen oder defizitären Schülern eine einmalige Schonfrist: Sitzenbleiben ist dieses Jahr nahezu ausgeschlossen. Zu groß ist vor Gericht die Erfolgswahrscheinlichkeit einer elterlichen Klage auf Versetzung.
Die Erprobungsstufenkoordinatorin Silvia Wunsch spricht zurzeit wohl vielen Schulangehörigen aus dem Herzen: „Wir sehnen uns alle nach normalen Zeiten."