Made in Bockhorst: Versmolder Unternehmen zwischen Trends und Tradition

Versmold. Ob im MoMa, dem Museum of Modern Art im New York, oder im Pariser Centre Pompidou – an beiden weltweit bekannten Adressen gibt es im museumseigenen Shop Produkte aus Bockhorst zu kaufen. Immer wieder kommt es vor, erzählt Felix Redecker, dass Bekannte an den verschiedenen Urlaubszielen irgendwo auf der Welt auf irgendeinen Artikel made in Bockhorst stoßen. &bdquo;Unser Exportanteil liegt bei mehr als 70 Prozent“, sagt der Geschäftsführer der Bürstenhaus Redecker GmbH. Und genau darin sieht der Unternehmer einen wesentlichen Erfolgsfaktor. Für das Unternehmen, das ein Nischenprodukt fertigt, sei es wichtig, möglichst viele Märkte zu bedienen. Aus einer kleinen Bürstenmanufaktur ist ein weltweit agierendes, mittelständisches Unternehmen geworden. Dabei war eigentlich nach dem Tod des Firmengründers Friedrich, genannt Friedel, Redecker das Aus so gut wie besiegelt. Die Gewerbeanmeldung datiert vom 15. Juni 1935. Friedel Redecker, der in der Kindheit erblindet war und deshalb die damals gängige Blindenausbildung zum Bürstenmacher absolvierte, machte sich mit einer kleinen Firma selbstständig. Seine Produkte verkaufte er an Landwirte und Haushalte in der Region. Versmolder Unternehmen setzt auf Nachhaltigkeit Zu seinem Bedauern hatte es keine Nachfolge innerhalb der Familie gegeben. Die drei Söhne orientierten sich beruflich neu. Doch nach dem Tod des Gründers kam alles anders. Sohn Gernot Redecker und dessen Ehefrau Jutta wollten die vorhandenen Materialien abverkaufen – ihr Marktstand beim Köhlerfest war ein voller Erfolg. Die Nachfrage nach Bockhorster Bürsten ließ nicht nach, so dass das Ehepaar Ware nachbestellte und schließlich Gefallen an der Geschäftsidee fand. Weiteres Geburtstagskind: Ihre Lkw kennt jeder: Versmolder Nagel-Group feiert 90. Geburtstag Beide gaben ihre eigentlichen Berufe (Werkzeugmacher und Fotografin) auf und konzentrierten sich voll aufs Bürstenhaus. &bdquo;Uns war schnell klar, dass wir nicht zeit unseres Lebens auf Märkte fahren wollen“, erinnert sich Jutta Redecker an die Anfangsjahre. So entstand in Bockhorst ein Großhandelsunternehmen, das stetig wuchs. Vor vorneherein legten Jutta und Gernot Redecker den Fokus auf nachhaltige Produktion und natürliche Materialien. Zielgruppe sollte nicht allein die Öko-Szene sein – man wollte Produkte auf den Markt bringen, &bdquo;die alle kaufen“. Die Teilnahme an der großen Konsumgütermesse Ambiente in Frankfurt sorgte dafür, dass die Bürsten made in Bockhorst nach und nach ihren Weg hinaus in die ganze Welt fanden. &bdquo;Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als kleiner Junge mit dem Fahrrad Japan-Pakete zur Post nach Bockhorst gebracht habe“, erzählt Felix Redecker. Betriebsgelände in Bockhorst wird nun optimal genutzt 1996 bezog das Bürstenhaus das neue Betriebsgebäude mit Büro, Versandräumen und Lagerhalle. 2006 wurde am Bockhorster Landweg 19 erweitert, 2021 ein neues Produktionsgebäude errichtet. Dadurch konnten Arbeitsabläufe optimiert werden. &bdquo;Wir sind jetzt gut aufgestellt“, sagt Felix Redecker. Weitere Möglichkeiten zur räumlichen Expansion gibt es auf dem Gelände im Bockhorster Gewerbegebiet nicht. Um ausreichend Lagerfläche zu haben, verfügt das Unternehmen über ein Außenlager. Seit 2009 ist Felix Redecker im elterlichen Betrieb, 2010 stieg Ehefrau Jana Redecker mit ein. Fünf Jahre lang arbeiteten beide Generationen im Übergang zusammen. Inzwischen haben sich die Senior-Chefs zurückgezogen. Wirklich vollständig? Bei der Frage müssen alle schmunzeln. Was Verantwortung und Geschäftsführung betreffen, ja. Gernot Redecker ist aber nach wie vor oft in der Werkstatt anzutreffen, das Handwerkliche ist seins. Jutta Redecker kümmert sich noch um die beiden Ladengeschäfte an den Salinen in Bad Rothenfelde und auf Sylt. Versmolder Traditionsbetrieb: Unternehmen steuert seit 100 Jahren durch Höhen und Tiefen Jutta und Gernot Redecker sind froh, die Nachfolge geregelt zu haben. &bdquo;Jede Generation hat ihre Aufgabe: Opa hat das Geschäft aufgebaut, wir haben es fortgeführt und nun wird es weitergeführt.“ Da wolle man sich nicht so viel einmischen. &bdquo;Es würde auch nicht funktionieren, wenn man das Gefühl hätte, jemand möchte einem sagen, was man zu tun oder zu lassen hat“, findet Felix Redecker. Opas Staubwedel ist nach wie vor ein beliebtes Produkt Auch er und seine Frau haben die Aufgaben klar verteilt. Die 42-Jährige ist fürs Marketing, den Einkauf, Produktsteuerung und -entwicklung zuständig. Der 44-Jährige wiederum kümmert sich um Vertrieb, Personal, Finanzen und Controlling. Etwa 75 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Unternehmen insgesamt beschäftigt. Bürsten Redecker entwickelt, fertigt und vertreibt rund 1.000 unterschiedliche Artikel: Bürsten, Besen und alle möglichen Haushaltshelfer. Viele der Artikel haben eine lange Tradition. Auch hier gibt es Bürsten aus Bockhorst: Wiedereröffnung der Buchhandlung Krüger Gibt es ein Produkt, das über die Jahrzehnte zum Verkaufsschlager gehört? Einen absoluten Dauerbrenner? Da fällt Jutta Redecker der Staubwedel ein, &bdquo;eine Spezialität, die Opa schon gemacht hat“. Beliebt ist auch die PC-Bürste zum Reinigen von Bildschirmen und Tastatur. &bdquo;Das war einer der ersten Artikel, die Gernot erfunden hat“, erzählt Jutta Redecker. Das war Anfang der 90er Jahre. Manche Trends sind nur kurzzeitig im Sortiment Seitdem gab es manche Trends. Etwa 40 bis 50 Neuheiten bringt das Bürstenhaus jedes Jahr auf den Markt. Mancher Hype verschwindet genauso schnell wieder vom Markt, wie er gekommen ist. Andere Produkte schaffen es dauerhaft ins Sortiment. Eine weitere Erfolgsgeschichte: Ehemaliger Versmolder Unternehmer realisiert Millionen-Bau an der A33 Eines hat Bestand. &bdquo;Für uns ist weltweit der Küchen- und Haushaltsbereich der wichtigste“, sagt Felix Redecker. In der Corona-Zeit profitierte das Unternehmen davon, dass die Menschen in Heim und Haus investierten, es sich drinnen und draußen schön machten. Die Nachfrage im Versandhandel war groß. Probleme wiederum bereiten, wie vielen Betrieben, weltweite Entwicklungen. Rohstoffpreise explodierten zwischenzeitlich. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Redecker (@buerstenhaus.redecker) Auch die Folgen des Klimawandels haben Einfluss. Jana Redecker nennt einige Beispiele. Trockenheit und Dürre haben Auswirkungen aufs Pflanzenwachstum – und Pflanzenfasern braucht es für Redeckers Produkte. Genauso wie Straußenfedern oder Schweineborsten. Bei Tierseuchen sind auch solche Abfallprodukte der Fleischproduktion nur schlecht oder zu hohen Preisen erhältlich. Betriebsausflug zum Jubiläum mit besonderer Ehre Große Zurückhaltung und Skepsis spürt man aktuell im USA-Geschäft, ein wichtiger Markt für den Bockhorster Betrieb. &bdquo;Die Inflation hat das Land sehr getroffen. Das merken wir deutlich“, sagt Felix Redecker. &bdquo;Die Firma ist breit aufgestellt. Das kommt uns in solchen Situationen zugute“, weiß Jutta Redecker aus jahrzehntelanger Erfahrung. Das internationale Geschäft bedeutet auch in anderer Hinsicht gewisse Kontinuität: Ist das Übersee-Weihnachtsgeschäft im Spätsommer durch, stehen die großen Messen an, bevor das europäische Weihnachtsgeschäft beginnt. Im Winter wiederum folgen weitere wichtige Messen. Die Arbeit verteilt sich übers Jahr, ist kein reines Saisongeschäft. Nun geht der Blick auf den Geburtstag am 15. Juni. Passenderweise eröffnet exakt an diesem Tag im LWL-Freilichtmuseum Hagen die Sonderausstellung &bdquo;Mission Machen - Neue Perspektiven auf das westfälische Handwerk“. Ein Fotoband zur Ausstellung gibt Einblicke in Arbeitswelten, die sonst oft im Verborgenen bleiben. Das Bürstenhaus Redecker ist Teil davon und darf sich am Eröffnungstag vor Ort präsentieren – eine besondere Ehre. Der ideale Anlass für einen Betriebsausflug zum Jubiläum mit dem gesamten Team. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

Meistgelesen

Spargelmarkt Bockhorst bietet Schlemmermeile, viel Programm und Premieren

Auftakt für eine Erfolgsstory in Versmold? Neue Inhaberin ist überwältigt

Mit vielen Fotos: Gute Stimmung beim Spargelmarkt in Bockhorst

Aus Liebe zum Dorf: Bockhorsterin (32) geht mit gutem Beispiel voran