
Versmold. In Hagen hat es das Zirkuszelt erwischt, in Rheine einen Holzfachhandel und angesichts der Schneemassen vor der eigenen Haustür stellt sich so mancher Versmolder die Frage, ob das eigene Dache der weißen Schicht standhalten kann. „Ich sehe da derzeit keine Probleme", beruhigt Diplom-Ingenieur Bernd Klieve. Der Pulverschnee sei relativ leicht und bringe somit nicht übermäßig viel Gewicht aufs Dach. „Eine 30 Zentimeter hohe Schneeschicht wiegt auf dem Quadratmeter etwa 70 Kilogramm", sagt der Statiker.
Gefährlich könnte die Lage allerdings werden, wenn der Schnee antaut, sich eine untere Eisschicht bildet und dann eine größere Menge Neuschnee nachkommt. Da aber die Temperaturen in den kommenden Tagen wenig taufähig daherkommen werden und auch Neuschnee nicht zu erwarten ist, dürfte dieses Problem nicht auftreten.
Flachdächer aus Holz sind gefährdet
Probleme bereiten könnten derzeit, so Klieve, nur ältere Flachdächer aus Holz, auf denen sich sogenannte Schneesäcke angesammelt haben. „An den Kanten, wo solche Flachdächer an Hauswänden grenzen, können sich größere Schneemengen wiederfinden", erklärt Klieve. Dann könne durchaus ein bedenkliches Gewicht entstehen, jedoch muss nicht unbedingt etwas passieren. Wenn es möglich ist, kann man natürlich das Dach vom Schnee befreien. Jedoch sollte man es dabei nicht betreten, denn dann könnte sich das Schneegewicht durch das Eigengewicht ganz plötzlich mehr als verdoppeln.
Generell sei, so betont Klieve noch einmal, die Gefahr aber sehr gering. Man habe gerade nach den großen Schneefällen vor rund 30 Jahren die DIN-Normen so stark angepasst, dass Dächer einiges aushalten können. So gehe man als Statiker davon aus, dass ein Dach eine bis zu sieben Zentimeter hohe Wasserschicht problemlos aushalten muss.
Dachdeckermeister Björn Mittendorf kann ebenfalls Entwarnung geben. „Natürlich macht es immer Sinn, Dächer oder Balkone vom Schnee zu befreien, aber es besteht im Moment keine dringende Notwendigkeit", sagt Mittendorf. Keinesfalls sollte man sich selbst aufs Dach wagen und auch er und seine Kollegen haben derzeit keine Möglichkeit, auf die schneebedeckten Dächer zu klettern. „Man könnte ja nicht mal eine Leiter vernünftig aufstellen, um auf das Dach zu kommen", sagt Mittendorf. Auch er bestätigt aber, dass der in großen Mengen gefallene Pulverschnee keine so große Gefahr darstellt, da er ein relativ geringes Gewicht hat. Nasser Schnee kann schnell bei gleicher Menge das doppelte Gewicht erzeugen.
Gefährlich ist die Feuchtigkeit
Auch die Versmolder reagierten bisher ruhig und abwartend. Er habe kaum Anrufe von Bürgern, die wegen einer Schneebefreiung ihres Daches nachfragen. Gefährlich sei allein die Feuchtigkeit, die aber bei den momentanen Temperaturen kein Thema ist. Man könne auch nicht sagen, dass Flachdächer generell gefährdeter sind als Spitzdächer.
Mittendorf, der vor zwölf Jahren den Betrieb Hoffmann Bedachungen von seinem Großvater übernahm, weist jedoch auf eine Gefahr hin, die der Schnee aufgrund des starken Windes entwickelt hat. „Gerade bei älteren Häusern, deren Dach nicht mit einer Folie abgedichtet ist, ist der Schnee durch den Wind in jede Ritze gekommen. Daher könnten sich größere Schneemengen unter dem Dach angesammelt haben", sagt Mittendorf. Wenn dieser dann taut, könnte die Feuchtigkeit vom Dachboden aus ganz schnell in die Wohnräume ziehen. Er empfiehlt daher, auf dem Dachboden befindlichen Schnee unverzüglich zu entfernen.
Erinnerung an Bad Reichenhall
Wie gefährlich Schneemassen auf Dächern sein können, hat sich in besonders tragischer Weise vor 15 Jahren im bayerischen Bad Reichenhall gezeigt. Beim Einsturz einer schneebedeckten Eislaufhalle starben am 2. Januar 2006 15 Menschen. Seitdem werden insbesondere öffentliche Gebäude ganz besonders unter die Lupe genommen. „Wir haben die Dreifach-Sporthalle am Schulzentrum sowie die Sparkassenarena sogar mit Drohnen überfliegen lassen, um das Risiko einzuschätzen", sagt Stadtsprecherin Jennifer Oldach. Da man sich die Turnhalle am Schulzentrum noch einmal genauer anschauen müsse, habe man diese zunächst vorsorglich gesperrt.