Das größte Geschenk: Versmolderin lebt dank neuer Lunge

30 Jahre lang litt eine Versmolderin unter ihrer geschädigten Lunge – dann bekam sie ein Spenderorgan und damit ein neues Leben. Jetzt will sie andere wachrütteln.

Symbolfoto | © BZgA/Hardy Welsch

Melanie Wigger
31.01.2020 | 31.01.2020, 15:29

Versmold. Per Handschlag grüßen, ins Schwimmbad gehen oder rohes Gemüse essen: Das ist für Rita Steinbruch tabu. Die gebürtige Versmolderin schützt damit sich und das größte Geschenk, das man ihr machen konnte: ihre zweite Lunge. 2010 wurde ihr das Organ transplantiert.

Eine seltene rheumatische Erkrankung, die Lunge und Nieren angreift, hatte Rita Steinbruchs Leben zuvor 30 Jahre lang fortschreitend beeinträchtigt – bis nach einer Grippe plötzlich gar nichts mehr ging. „Ich konnte nur noch liegen", erinnert sie sich. Damals stufte sie der Chefarzt des Haller Klinikums als Transplantationspatientin ein. Bis es so weit war, vergingen drei Monate – obwohl sie als hochdringlicher Fall eingestuft wurde. In dieser Zeit bangte Rita Steinbruch um ihr Leben. „Ich musste mich bis dahin über Wasser halten."

Rita Steinbruch (links) und Anke Sommerkamp wissen beide, wie wertvoll eine Organspende ist. - © Melanie Wigger
Rita Steinbruch (links) und Anke Sommerkamp wissen beide, wie wertvoll eine Organspende ist. (© Melanie Wigger)

In Hannover, wo die OP vorgenommen wurde, wurde sie vorab gründlich untersucht – denn solche Eingriffe sind nicht ohne und nicht jeder ist geeignet. Mehr als ein Jahr brauchte sie, um wieder Kraft aufzubauen und sich von dem Eingriff zu erholen.

Ihr Immunsystem wird seitdem künstlich unterdrückt, um die fremde Lunge nicht abzustoßen. Die Medikamente dafür müsse sie im Idealfall auf die Minute pünktlich nehmen, erläutert die 56-Jährige.

Der Spender bleibt in ihren Gedanken

„Und trotzdem bin ich unterm Strich sehr dankbar. Ich kann weiterleben – durch eine Organspende." Und das mit einem völlig neuen Lebensgefühl, wie sie sagt: „Nach 30 Jahren Luftnot fühle ich mich dermaßen frei. Ich habe endlich wieder die Kraft, fast alles zu machen. Das ist unglaublich toll!" Auch wenn sie den Spender nicht kenne, sei dieser und dessen Familie in ihren Gedanken bei ihr – „vor allem an meinem zweiten Geburtstag".

Ihre Freundin Anke Sommerkamp setzt sich mit dem Thema Organspende ebenfalls intensiv auseinander. Seit elf Jahren leidet die 56-Jährige unter einer unheilbaren Lungenerkrankung, die Alltagssituationen zur Herausforderung macht: Treppen steigen, bergauf spazieren, Rad fahren ... „Das war auf einmal anstrengend – da wusste ich, es stimmt etwas nicht."

Als COPD-Patientin muss die Versmolderin damit rechnen, dass sie vielleicht eines Tages ein Spenderorgan benötigt. Um ihre chronisch kranke Lunge möglichst gut zu schützen, versucht sie Infekte zu vermeiden und sich fit zu halten – um im Fall der Fälle die Kraft für einen solchen Eingriff zu haben.

Dass sich aktuell die Chance auf ein passendes Organ für Todkranke weiterhin nicht bessert, war „ein kleiner Schock". Sie habe sehr darauf gehofft, dass sich der Bundestag für die Regelung entscheidet, dass man einer Organspende aktiv widersprechen muss. Stattdessen bleibt es dabei, dass jeder selbst entscheidet, ob er einen Organspendeausweis ausfüllt.

Anke Sommerkamp versteht die vielen Zweifel nicht. „Ich glaube, dass gerade in Deutschland die Organspende sicher ist. Im Gegensatz zu Spanien beispielsweise reicht der Herztod nicht. Der Hirntod muss feststehen."

„Ich möchte die Menschen wachrütteln"

Zusammen mit ihrer Freundin will Anke Sommerkamp der Diskussion, die nun in aller Munde ist, ein Gesicht geben und dazu ermutigen, darüber nachzudenken. Deshalb haben die Frauen sich an das HK gewandt. „Was viele nicht bedenken, ist, dass jeder von heute auf morgen auf eine Organspende angewiesen sein kann", erläutert Rita Steinbruch. Sie könne verstehen, dass es vielen schwerfalle, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, „aber ich möchte die Menschen wachrütteln".

Anke Sommerkamp ergänzt: „Ich würde niemanden dafür verurteilen, sich gegen die Organspende zu entscheiden. Dafür kann es ja auch religiöse Gründe geben. Aber es wäre auch schon eine große Hilfe für Hinterbliebene, wenn man überhaupt eine Entscheidung fällt – egal, ob Ja oder Nein."

Organspende-Ausweis

Eine Altersgrenze für Organspender gibt es nicht. Der bislang älteste Spender war 88 Jahre. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schickt Materialien zum Thema kostenlos zu. Kontakt unter: order@bzga.de. Den Spenderausweis kann man sich herunterladen: www.bzga.de/infomaterialien/organspende/