Tränen in Prozess: Streit unter Brüdern in Steinhagen hat tragische Folgen

Steinhagen/Bielefeld. Es war als gesellige Runde gedacht, doch eskalierte ein gemeinsames Grillen zweier Brüder in Steinhagen derart, dass ein 30-jähriger Mann seither mit schweren neurologischen Schäden zu kämpfen hat. Nun musste sich sein Bruder wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung vor einem Schöffengericht verantworten. Am 7. Juli 2023 hatte sich der 30-jährige Leonas I. (Namen aller Betroffenen geändert) gemeinsam mit mehreren Freunden im Hof des von ihm bewohnten Hauses in Steinhagen zu einem Grillabend getroffen. Die meisten Besucher sprachen ebenso wie der Gastgeber reichlich dem Alkohol zu. Der ebenfalls anwesende Bruder von Leonas, der 31-jährige Bielefelder Moritz I., war eine der wenigen nüchternen Personen. Im Laufe des Abends wurde die Stimmung zwischen den Brüdern gereizter. Leonas warf Moritz vor, dieser habe der Mutter der beiden zugetragen, dass er Cannabispflanzen anbauen wolle, weshalb sich der Mann aus Steinhagen verraten fühlte. Schließlich kam es zu einem heftigen verbalen Disput. Laut Anklage der Bielefelder Staatsanwaltschaft habe es sodann eine Rangelei gegeben, in deren Verlauf Moritz seinem Bruder mit der Faust gegen den Kopf geschlagen haben soll. Dieser sei daraufhin ungebremst mit dem Kopf auf den steinernen Boden aufgeprallt. Bruder aus Steinhagen zeitweise schwerbehindert Moritz I. und weitere Gäste leisteten sofort Erste Hilfe und verständigten den Rettungsdienst. Der 30-Jährige wurde mit einem Schädel-Hirn-Trauma und Hirnblutungen in ein Krankenhaus eingeliefert, es folgten mehrere Klinik- und Reha-Aufenthalte. Bis heute leidet Leonas I. unter kognitiven Einschränkungen und Wortfindungsschwierigkeiten. Sprechen kann er nur langsam. Zwischenzeitlich war ihm ein Behinderungsgrad von 80 Prozent attestiert worden. Aufgrund der immensen Folgen für seinen Bruder musste sich Moritz nun wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung vor dem Bielefelder Amtsgericht verantworten. Als Mindeststrafe in einem solchen Fall weist das Strafgesetzbuch ein Jahr, in einem sogenannten minderschweren Fall immerhin noch sechs Monate Freiheitsstrafe aus. In der Verhandlung ergab sich aufgrund der Vernehmung mehrerer Zeugen jedoch letztlich nicht, dass Moritz I. seinem jüngeren Bruder gezielt mit der Faust gegen den Kopf geschlagen hatte. Mehrere der an jenem Abend anwesenden Gäste berichteten vor Gericht, dass Leonas mit steigendem Alkoholpegel seinem Bruder gegenüber immer aggressiver geworden sei. Schließlich habe dieser Anstalten gemacht, auch körperlich auf Moritz losgehen zu wollen und diesen auch festgehalten. Der Angegriffene versetzte demnach seinem Bruder einen Schubser, durch den der betrunkene Leonas hinfiel und mit dem Kopf aufschlug – mit tragischen Folgen. Anwalt spricht in Bielefelder Prozess über Folgen des Falls &bdquo;Wenn ich das so sagen darf – das ist eine ganz beschissene Geschichte. Sie hat auch ganz erhebliche Auswirkungen psychischer Art auf meinen Mandanten“, sagte Verteidiger Peter Wüller in der Verhandlung vor dem Amtsgericht. Zuvor hatte sein Mandant Moritz I., der sichtlich unter der Situation leidet, seine Erinnerungen an jenen Abend geschildert. &bdquo;Das habe ich natürlich nicht gewollt“, sagte er unter Tränen. Aufgrund der Zeugenaussagen vermochte das Gericht letztlich nicht festzustellen, dass es die Absicht des Angeklagten gewesen sei, seinen Bruder zu Fall zu bringen oder zu verletzen. Vielmehr habe es sich, so die Urteilsbegründung von Richterin Tina Rüdiger, bei dem Stoß gegen die Brust von Leonas um einen Ausdruck einer spontanen Überforderungshandlung des Angeklagten gehandelt. Dieser habe sich in aufgeladener Atmosphäre dem Griff seines Bruders entziehen wollen. Das Gericht verurteilte Moritz I. schließlich wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 15 Euro. Staatsanwalt Florian Wolfrum hatte zuvor zweieinhalb Jahre Gefängnis, Verteidiger Peter Wüller einen Freispruch für den Angeklagten beantragt.

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