Erfolgreiches Steinhagener Unternehmen handelt mit gefährlichen Stoffen

Steinhagen. &bdquo;Chemie? Nein danke!“, ist so ein Spruch, der einem schnell über die Lippen kommt. Wenn es um Ernährung geht, oder um Kosmetik. Dass man den Slogan bei Hanke + Seidel nicht gerne hört, überrascht nicht. Das 1948 in Bielefeld-Brackwede gegründete Familienunternehmen handelt schließlich mit Chemikalien. Seit 1974 hat das Unternehmen seinen Sitz in Steinhagen. Geführt wird der Chemie-Großhandel inzwischen in vierter Generation von Norman Seidel. Er hat die Unternehmensleitung gerade erst im Oktober von seinem Vater Jörg Seidel übernommen. Ein paar Tage sind es aber noch bis zum Ruhestand; so lange könne man noch Aufklärungsarbeit leisten, sagt der Senior und schiebt ein Faltblatt über den Tisch im Besprechungsraum am Firmensitz an der Waldbadstraße. &bdquo;Wissen Sie, dass Joghurt heute viel länger haltbar ist als früher?“, fragt Jörg Seidel und liefert die Antwort gleich hinterher: &bdquo;Weil die Verpackungen eine Beschichtung haben. Und genau da kommt zum Beispiel Chemie ins Spiel.“ Der 63-Jährige tippt auf den Faltzettel. Neben einem gezeichneten Joghurtbecher sind die Stoffe aufgelistet, die man irgendwann schon mal im Chemieunterricht gehört hat: Polystyrol, Polyethylen oder Polypropylen. Der Aludeckel ist von innen mit Kunstharz beschichtet. Stoffe zur Herstellung von Duschgels und Lippenstiften Chemie kommt natürlich auch in zig anderen Gegenständen vor, die jeder Mensch im Laufe des Tages in der Hand hält. In Duschgels, Autos, Lippenstiften, Reinigungsmitteln, Kleidung, Zahnpaste. Bei Hanke + Seidel werden die dazu von der weiterverarbeitenden Industrie benötigten Chemikalien in den gewünschten Mengen abgefüllt und bei Bedarf auch zusammengemischt. &bdquo;Zum Beispiel Vorprodukte für die Düngemittelproduktion“, erklärt Norman Seidel, der übrigens - und das ist schon irgendwie bemerkenswert - ebenso wie sein Vater Chemie in der Oberstufe abgewählt hat. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK Der neue Chef beim Steinhagener Chemie-Großhandel hat einen anderen Bildungsschwerpunkt gewählt, der nicht minder wichtig ist für das Unternehmen. Norman Seidel hat eine Ausbildung zum Kaufmann für Groß- und Außenhandel bei einem Chemiehändler in Nürnberg absolviert und Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Logistikmanagement studiert. Bevor der 30-Jährige 2024 bei Hanke + Seidel einstieg, arbeitete er ein dreiviertel Jahr bei einer Consulting-Firma, die sich auf Störfallbetriebe spezialisiert hat. Steinhagener Unternehmen ist ein Störfallbetrieb Störfallbetriebe - das kling gefährlich. Hanke + Seidel ist so ein Störfallbetrieb. Auf dem 34.000 Quadratmeter großen Betriebsgelände an der Waldbadstraße lagern giftige, entzündbare und umweltgefährliche Stoffe und Gemische, die bei einem Störfall innerhalb oder außerhalb des Betriebs zu einer ernsten Gefahr für Menschen, die Umwelt oder Sachgüter führen können. So weit die Definition. Wie brenzlig das werden kann, hat Steinhagen beim Bestpool-Brand 2023 erleben müssen. Norman und Jörg Seidel wollen einen Einblick in die hohen Sicherheitsstandards in ihrem Unternehmen geben. Um die besichtigen zu können, erfolgt gleich die erste Schutzmaßnahme. Diesmal schiebt Norman Seidel einen Zettel über den Tisch. &bdquo;Die Symbole sollten Sie als Gast kennen“, sagt der Geschäftsführer. Auf dem Zettel sind in roten Vierecken unter anderem ein Totenkopf und eine Flamme abgebildet. Ein anderes Piktogramm warnt vor ätzenden Flüssigkeiten. Auf dem Weg in den Betrieb geht es durch eine Halle, in der Schienen verlegt sind. &bdquo;Das war damals der entscheidende Standortfaktor, weshalb wir nach Steinhagen gezogen sind“, erläutert Jörg Seidel. &bdquo;Das Gelände hatte einen eigenen Bahnanschluss, den wir für den Transport unserer Produkte genutzt haben.“ Inzwischen sei die Strecke eingestellt worden, bedauert Seidel. Heute bringen Lkw die Produkte zu den Kunden. Die Gleishalle dient nur noch als Löschwasserrückhaltebecken. Gifträume für besonders gefährliche Stoffe In den Lagerhallen werden die flüssigen und festen Stoffe aufbewahrt, die die Mitarbeiter je nach Kundenwunsch in bestimmten Mengen abfüllen. Die Hallen sind aus Brandschutzgründen unterteilt. Neben technischen, organisatorischen und personellen Sicherheitsvorkehrungen sind solche baulichen Maßnahmen dazu da, um Störfälle, die durch Brände, Explosionen oder Stoff-Freisetzungen zu einer Gefahr werden könnten, weitgehend auszuschließen. In einigen Lagerbereichen gibt es außerdem noch einmal spezielle Gifträume für besonders gefährliche Stoffe, zu denen nur wenige Mitarbeiter Zugang haben. Auffangvorrichtungen und Abschaltgrenzen der einzelnen Anlagen gehören ebenfalls zu den Sicherheitsvorkehrungen. Norman Seidel zeigt an die Decke, an der etliche Rohre verlaufen. &bdquo;Hier hat jede Lagerbox einen Schaumanschluss, weil hier aufgrund der gelagerten Stoffe bei einem Brand nicht mit Wasser gelöscht werden darf“, erklärt er. Das Thema Sicherheit ist auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern allgegenwärtig. &bdquo;Wir haben bei uns für viele Sicherheitsaspekte eigene Experten“, erklärt Jörg Seidel &bdquo;für Brandschutz zum Beispiel, für Erste Hilfe, Gefahrgut und Emissionsschutz.“ Erfolgreiches Unternehmen für die Zukunft aufgestellt 67 Beschäftigte sind am Steinhagener Standort beschäftigt. In Steinfurt, wo Hanke + Seidel eine Filiale betreibt, sind es noch mal zwölf Mitarbeiter. Die Personalgewinnung ist ein Bereich, dem der neue Chef künftig mehr Aufmerksamkeit schenken muss als sein Vater. &bdquo;Den ’War for Talents’ bekommen wir natürlich auch zu spüren“, sagt Norman Seidel. Hanke + Seidel bildet eigene Kaufleute für Groß- und Außenhandel sowie Fachlageristen und Chemielaboranten aus. &bdquo;Künftig möchten wir außerdem ein duales Studium anbieten“, kündigt der an. Sein Vater Jörg Seidel wird sich in wenigen Tagen aus dem Unternehmen herausziehen, Hanke + Seidel als Gesellschafter aber verbunden bleiben. Während seiner Zeit als Geschäftsführer hat sich der Steinhagener Chemiegroßhandel stetig erweitert. 1996 kam eine Wasserstoffperoxid-Anlage dazu, 2004 eine Lösungsmittelanlage. &bdquo;Wir haben in den vergangenen Jahren auch durch Zukäufe stark expandiert und das Unternehmen damit zukunftsfähig gemacht“, sagt Jörg Seidel. Wichtig sei dabei auch das Einholen von Genehmigungen für den Handel und den Umgang mit bestimmten Stoffen gewesen, was mit baulichen und organisatorischen Änderungen im Unternehmen einhergegangen sei. Heute beliefert das Steinhagener Unternehmen Hanke + Seidel rund 3.000 Kunden in einem Radius von 150 Kilometern.

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