Sind E-Lkw die Zukunft? Steinhagener Logistiker redet Klartext

Steinhagen. Rund eineinhalb Millionen Elektro-Autos sind mittlerweile auf Deutschlands Straße unterwegs. Auch wenn die Nachfrage zuletzt schwächelte, gehören die Tesla, E-Up und Konsorten mittlerweile fest zum Straßenbild. Ganz anders E-Lkw. Annähernd nie begegnet dem aufmerksamen Verkehrsteilnehmer ein Sattelschlepper, auf dessen Kennzeichen der Buchstaben &bdquo;E“ prangt. Dabei gibt es solche Fahrzeuge durchaus. Bereits vor etwas mehr als einem halben Jahr schaffte die Steinhagener Spedition WLS ihren ersten vollelektrischen Lastwagen an, um die neue Technologie auf den Prüfstand zu stellen. Damals plante man, mittelfristig zehn solcher Fahrzeuge zu kaufen. Wir haben mit Standortleiter Frank Wohlgemuth gesprochen, um zu erfahren, was er heute über das Potenzial solcher Fahrzeuge denkt. Beim Lkw, den die Logistiker testen, handelt es sich um einen 666 PS starken Volvo FM Electric. Rund 380.000 Euro kostete das technologische Wunderwerk, etwa das Dreifache seiner dieselbetriebenen Kollegen. Finanziell interessant war der Elektrische vor allem wegen einer großzügigen Förderung. Der Bund übernahm 80 Prozent der Mehrkosten im Vergleich zum Verbrenner. Dazu kommt, E-Lkw sind derzeit von der Maut befreit. Ein wichtiger Faktor, erklärt der Fachmann. Standortleiter der Spedition WLS erklärt Denn: Im Dezember wurde die Maut kräftig erhöht. Statt wie zuvor 19 Cent, zahlen die Speditionen nun 34,8 Cent pro Kilometer. Ein harter Schlag für alle Speditionen, wie Wohlgemuth erklärt. &bdquo;Die Maut-Erhöhung hat uns schwer zugesetzt. Wir mussten bei unseren Kunden extrem nachverhandeln.“ Insofern ist die Erhöhung ein gutes Argument für E-Lkw. Was die Reichweite angeht, sei man zufrieden. &bdquo;So 330 bis 350 Kilometer mit einer Ladung kann ich bestätigen“, erklärt der Standortleiter. Dabei hänge die Distanz aber sehr von der Nutzung ab. In relativ ebener Umgebung, nicht voll beladen, sei sie natürlich größer. &bdquo;Wir fahren nicht in Vollauslastung. Ich glaube nicht, dass wir in den Kassler Bergen in Vollauslastung eine Drei vorne stehen hätten.“ Die Zahlen seien nicht schlecht, so Wohlgemuth, langfristig seien aber eher 500 Kilometer wünschenswert. Der Volvo FM lässt sich mit unterschiedlich vielen Batterien-Paketen bestücken, je nachdem wie viel Reichweite erforderlich ist. Maximal sind 540 kWh möglich - etwa das 20-fache eines E-Golfs. Um diese Riesenakkus laden zu können, brauchen die Lkw eine eigene Infrastruktur. Seit drei Monaten hat die WLS-Spedition ein entsprechendes Hochleistungs-Ladegerät auf dem Hof installiert, um den neuen Lkw innerhalb weniger Stunden befüllen zu können. Volvo FM Electric seit November im Einsatz &bdquo;Woanders gibt es diese Lademöglichkeiten nicht“, erklärt Wohlgemuth. Diese Tatsache begrenze die Routen, auf denen das Fahrzeug eingesetzt wird. Und die seien bisher ziemlich rar. Der neue Volvo pendelt eine feste Strecke. &bdquo;Wenn es keine Infrakstruktur an den Rastplätzen gibt, macht alles andere keinen Sinn“, so der Logistik-Profi. Die speziellen Einsatz- und Lademöglichkeiten sind auch der Grund, warum der Akku-Lkw bisher deutlich weniger gelaufen hat, als die anderen 160 Fahrzeuge der Spedition. 28.654 Kilometer waren es. Üblicherweise laufe ein Lkw rund 10.000 Kilometer im Monat. Von der technischen Zuverlässigkeit her sei am Volvo nichts auszusetzen. In den acht Monaten, die er bisher unterwegs sei, seien keinerlei Probleme aufgetaucht. &bdquo;Von den Fahrern höre ich nur Positives. Er funktioniert hundertprozent zuverlässig. Und der Fahrkompfort ist sogar höher als bei einem herkömmlichen Fahrzeug“, so Wohlgemuth. Betriebswirtschaftliche Fakten sind entscheidend Trotzdem sieht das Unternehmen derzeit von der Anschaffung weiterer solcher Fahrzeuge ab. &bdquo;Unser Ziel, zehn E-Lkws auf der Straße zu haben, ist das gleiche geblieben. Aber der Zeitrahmen wird sich verschieben“, so der Standortleiter. Die Ernüchterung nach dem Probebetrieb habe verschiedene Gründe, erklärt er. Einer seien die beschriebenen begrenzten Einsatzmöglichkeiten. &bdquo;Die Technologie ist viel weiter, als die Infrastruktur und die Politik“, sagt Wohlgemuth. Das Kernproblem sei aus seiner Sicht die deutsche Bürokratie, nicht nur bei der Lade-Infrastruktur. &bdquo;Es dauert viel zu lange, bis man die Förderung ausgezahlt bekommt. Bis dahin ist das Fahrzeug schon ein halbes Jahr gelaufen und wir müssen in Vorkasse gehen“, so Wohlgemuth. Derzeit sei die Förderung der E-Lkws sowieso komplett auf Eis gelegt. Angesichts der hohen Preise mache es deshalb im Augenblick überhaupt keinen Sinn, über weitere Anschaffungen nachzudenken. Solche wechselhaften Bedingungen würden es nicht einfach machen, zu planen. &bdquo;Wir sind ein sehr innovatives Unternehmen und für alles offen. Aber der Markt der Speditionen ist sehr dynamisch. Wir müssen da einfach über betriebswirtschaftliche Fakten reden.“ Dass die internationale Konkurrenz für deutsche Speditionen sehr hart ist, sei kein Geheimnis. Trotz allem will Frank Wohlgemuth die neuen Technologien nicht schlechtreden. &bdquo;Das ist aus meiner Sicht die Zukunftstechnologie. Da müssen wir hin“, sagt er. Um die Zahl der E-LKW zu erhöhen, müssten aus seiner Sicht drei Bedingungen erfüllt sein: Eine größere Reichweite, eine ausreichende Lade-Infrastruktur und ein Abbau der bürokratischen Hürden bei der Förderung. Auch Wasserstoff-betriebenen Lkw räumt er durchaus Chancen ein. Für seine heutige Arbeit sei diese Abwägung aber nicht entscheidend. &bdquo;Wir müssen ergebnissoffen in die Diskussion gehen und nicht überlegen, was wir ideologisch gerne hätten. Mit ’Wünsch dir was’ kommen wir nicht weiter. Heute geht es um Fakten.“

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