Steinhagens Bürgermeisterin: "Habe gelernt, wie kurz das Leben sein kann"

Frau Süß, was war Ihr schönster privater Moment in 2022? Sarah Süß: Als ich mit meinem Mann beim Heidefest auf der Treppe am Kirchplatz sitze. In dem Moment ist der ganze Eröffnungsstress von mir abgefallen und ich saß privat da und habe auf die ganzen Menschen geschaut, die da feiern und tanzen. Das war nach zwei Jahren Corona-Einschränkungen ein besonders schöner Moment. Davon gibt es sogar ein Foto. Als Bürgermeisterin waren Sie bisher ja auch durchgehend im Corona-Modus unterwegs? Stimmt. Dieses Jahr war ganz anders. Auf einmal ging alles wieder los. Die Leute konnten wieder ausgelassen feiern. Das war schon schön. Die letzte große Veranstaltung vor der Pandemie war die Abrissparty der Cronsbachhalle, und die erste Party danach war die Eröffnung des neuen Hörmann-Sportzentrums. Sind Sie eigentlich Mitglied in der Sportvereinigung? Dazu muss ich etwas ausholen. Im Wahlkampf habe ich ganz bewusst darauf verzichtet, in Steinhagener Vereine einzutreten. Das fand ich irgendwie doof, sich da als Bürgermeisterkandidatin anzubiedern. Deshalb ist bei der Eröffnung des Hörmann-Sportzentrums herausgekommen, dass ich bis heute weder bei der Spvg. noch sonst wo eine Mitgliedschaft habe. Die Veranstaltung habe ich dann prompt mit einem Spvg.-Schal und einem KCCF-Hut verlassen und bin seitdem sowohl bei der Spvg. als auch bei den Karnevalisten vom KCCF Mitglied. Was ist der schönste Ort, den Sie 2022 besucht haben? Ich habe dieses Jahr bei der Rehkitz-Rettung des Hegerings mitgemacht und war dazu um 4.30 Uhr bei Sonnenaufgang auf dem Ströhen. Das war landschaftlich einfach unheimlich schön. Außerdem war ich mit meinem Mann in Frankreich in Le Mont-Saint-Michel. Die Insel, die nach dem Erzengel Michael benannt ist, gehört zum Unesco-Weltkulturerbe und ist wirklich sehr beeindruckend. Hatten Sie ein TV-Highlight in diesem Jahr? Die Fußball-WM habe ich aus Prinzip nicht geguckt. Und "Wetten dass ..?" fand ich ganz gruselig. Ich schaue generell wenig Fernsehen. Aber ich habe eine Lieblingsserie - "Borgen", ein dänisches Politdrama. Was war Ihr größter Erfolg als Bürgermeisterin in diesem Jahr? Dass wir doch noch die Mehrklasse für die Realschule durchgebracht haben. Das hat bei vielen Familien für Erleichterung gesorgt. Jetzt müssen wir langfristig die Vierzügigkeit hinbekommen. Wie stehen die Chancen? Das weiß ich noch nicht. Fest steht: für das kommende Anmeldungsverfahren brauchen wir eine Entscheidung. Beim Tag der offenen Tür der Realschule vor wenigen Tagen hat sich bereits gezeigt, dass das Interesse erneut groß ist. Wenn man nicht an den Menschen vor Ort vorbeiplanen möchte, dann müsste es die Erlaubnis von der Bezirksregierung geben. Was war die beste Entscheidung, die Sie in diesem Jahr getroffen haben? Dass das Heidefest und der Weinmarkt nicht mehr auf dem Marktplatz, sondern auf dem Kirchplatz stattfinden. Und diese Entscheidung ist mir echt schwergefallen. Weil wir ja diese große Veranstaltungsfläche auf dem Marktplatz haben. Aber nachdem der Umweltmarkt auf dem Kirchplatz so gut funktioniert hat, stand für mich fest, wir machen es doch. Weil das Flair auf dem Kirchplatz einfach so schön ist. Die Entscheidung war richtig. Heidefest und Weinmarkt haben an dem neuen Ort grandios funktioniert. Haben Sie Angst, dass dieses Flair auf dem Kirchplatz mit der Umgestaltung des Grundstücks zwischen Schlichte-Carree und Fivizzanoplatz verloren gehen könnte? Nein, ich setze eher darauf, den Platz noch schöner zu gestalten. Wir müssen darüber sprechen, was abgerissen wird und ob zumindest historische Fassaden erhalten bleiben. Voraussichtlich im Februar werden zwei Büros ihre ersten Pläne für das Quartier zwischen Fivizzanoplatz und Schlichte-Carree vorstellen. Was haben Sie 2022 gelernt? Dass das Leben kurz ist. Meine Mutter ist überraschend mit 55 Jahren erkrankt und dann im Sommer gestorben. Das gibt einem zu denken. Wie oft sagt man in seinem Alltag "ach, das machen wir irgendwann anders, wir haben noch Zeit". Dazu habe ich jetzt eine andere Haltung. Man sollte schöne Dinge mehr wertschätzen und sie nicht aufschieben. Was wünschen Sie sich für 2023? Dass der Krieg in der Ukraine aufhört. Das wünsche ich mir natürlich in erste Linie für die Menschen, die dort leben. Aber dieser Krieg ist für uns alle persönlich, aber auch für eine Kommune ein Riesen-Einschnitt und mit Folgen verbunden. Deshalb finde ich es auch gut, dass die Politik in Steinhagen diese außergewöhnliche Situation erkannt hat und ohne Streit gemeinsam einen Haushalt fürs nächste Jahr beschlossen hat. Dazu gehören 10,5 neue Stellen, die Sie im Rathaus schaffen. Das müssen Sie erklären! Das mag auf den ersten Blick überraschen. Wenn man sich die Stellen anschaut, erklärt sich das aber von selbst. Wir haben einen Mehrbedarf im Wohngeldbereich, bei der Mensa, der Digitalisierung, auf dem Bauhof und im Ordnungsamt im Bereich Katastrophenschutz. Dieser letztgenannte Bereich hat durch Corona und die Energiemangellage ungemein an Bedeutung gewonnen. Außerdem ist es ein guter Zeitpunkt, die Stelle des Wirtschaftsförderers von einer halben auf eine ganz Stelle aufzustocken, jetzt wo wir das Gewerbegebiet Langebrede planen. Außerdem stellen wir einen Architekten ein. Warum das? Wir haben mehr als 30 gemeindliche Gebäude und bauen demnächst ganz viel. Brockhagen bekommt eine neue Grundschule. Und das Gymnasium erhält einen Anbau, der die Größenordnung eines Neubaus haben wird. Außerdem bauen wir an den Grundschulen Amshausen und Steinhagen an. Da ist es gut, wenn man einen Experten im Rathaus hat. Das Thema Verkehr wird das Rathaus in den kommenden Jahren ebenfalls beschäftigen. Richtig. Steinhagen hat aus Sicht der Wirtschaft einen großen Vorteil. Nämlich, dass die Autobahn direkt durch den Ort geht. Und Steinhagen hat einen großen Nachteil: nämlich, dass die Autobahn direkt durch den Ort geht. Durch die Autobahnauffahrt mitten in Steinhagen haben wir nun mal extrem viel Verkehr. Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen, damit sich jeder sicher fortbewegen kann. Dabei sind Fußgänger und Radfahrer besonders schützenswert. Wir werden etwa die Bielefelder Straße sanieren und da wird es aus meiner Sicht eine deutlich bessere Lösung für den Radverkehr geben als es jetzt der Fall ist. Wir haben aber wenig Handhabe, um den Verkehr insgesamt zu reduzieren. Nicht nur an der Waldbadstraße ist die Befürchtung groß, dass der Verkehr durch Gewerbeansiedlungen weiter zunimmt. Ich sehe an der Waldbadstraße momentan keine Ansiedlung eines Logistikers. Davon ist ja immer die Rede. Die Zahl der Verkehrsbewegungen dort ist eingeschränkt, die Zeiten sind eingeschränkt. Für einen großen Logistiker ist das gar nicht attraktiv. Aber zu jedem Gewerbe gehört natürlich auch Verkehr. Aus Sicht der Gemeinde ist es die richtige Entscheidung, eine ehemalige Gewerbefläche wieder für Gewerbe zu nutzen. Das ist nachhaltig und viel besser als neue Flächen auszuweisen. Wie überraschend kam für Sie die Absage von Hörmann für das neue Gewerbegebiet Detert/Langebrede? Es hatte im Vorfeld Andeutungen von Hörmann gegeben, dass es noch Gesprächsbedarf geben. Mit einer Absage habe ich aber nicht gerechnet. Das war im ersten Moment eine herbe Enttäuschung. Und nun? Die Fläche geht uns ja nicht verloren. Wir werden sie trotzdem entwickeln können. Und vielleicht ist es eine Chance, dass sich hier ein noch ortsfremdes Unternehmen ansiedeln kann. Nach der Meldung von Hörmanns Rückzug haben sich bereits andere Unternehmen bei uns gemeldet und ins Spiel gebracht. Wir hatten bereits vielversprechende Kontakte. Mit welchen Firmen konkret? Mit einigen aus Steinhagen, aber auch von außerhalb. Darunter auch solche, die sich für ein großes Grundstück interessieren. Ich bin da sehr optimistisch.

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