Best of SteinGy: Schulleiter erinnert sich an besondere Momente am Gymnasium

Herr Binder, wie sind Sie überhaupt zum Steinhagener Gymnasium gekommen? Stefan Binder: Ich selbst bin erst zum Schuljahr 2003/2004 dazugestoßen, also im dritten Jahr seit Bestehen der Schule. Kurz zuvor war ich nach Steinhagen gezogen, und auf meinem Weg zu meinem damaligen Arbeitsplatz, dem Hans-Ehrenberg-Gymnasium in Sennestadt, bin ich fast täglich am Gymnasium vorbeigekommen und habe den Baufortschritt beobachten können. Ich fand die Idee unheimlich spannend, eine Schule von Beginn an mitaufzubauen. Also habe ich irgendwann den Entschluss gefasst, mich einfach mal in Steinhagen vorzustellen. Wie lief das? Das Gespräch mit dem damaligen Schulleiter Josef Scheele-von Alven und seiner Stellvertreterin Christa Wille-Möller war sehr erfolgreich. Ich habe mich den beiden als junger engagierter Kollege präsentiert, der Interesse hat, ein Musikprofil an der Schule aufzubauen. Da bekam Frau Wille-Möller als begeisterte Musiklehrerin große Augen. Sie hatte für die Schule genau so etwas längst ins Auge gefasst. Die Situation fügte sich also zu meinen Gunsten. Während Frau Wille-Möller ihren Schwerpunkt in der Chormusik hatte, war meiner die Bläserarbeit. Wenn man sich alte Zeitungsartikel zum Steinagener Gymnasium durchliest, ist oft von Aufbruchstimmung die Rede. War die bei ihrem Dienstantritt noch zu spüren? Auf jeden Fall. Auch noch viele Jahre darüber hinaus. Man muss sich ja vorstellen, dass bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Schule voll etabliert ist, Jahr für Jahr neue Angebote hinzukommen. Etwa der Fremdsprachenzweig ab der siebten Klasse oder der Differenzierungsbereich in Klasse neun und zehn, dann die Oberstufe und so weiter. Auch die diversen Schulprofile wie der MINT-Bereich oder das Europa-Profil wurden ja erst nach und nach aufgebaut. Hat das damals sehr junge Kollegium an dieser besonderen Atmosphäre einen Anteil gehabt? Eine neue Schule hat natürlich auch ein junges Kollegium, das sich bewusst dafür entschieden hat, viel Arbeit und Engagement zu investieren, um der Schule ein Gesicht zu geben. Denn man kann sich an einer neuen Schule nicht auf bestehende Strukturen verlassen, man muss sie selber mit aufbauen. Es gab aber auch erfahrenere Kollegen wie etwa Reinhard Lauströer, der vom Kreisgymnasium Halle nach Steinhagen gewechselt ist, und hier seinen zweiten Frühling in der Theaterarbeit oder dem Aufbau des Sprachenprofils erlebt hat. Oder Bettina Stieghorst, die aus Brackwede kam und über Jahre die Erprobungsstufe geleitet hat. Aber genau so eine Erfahrung von zwanzig Jahren Diensttätigkeit hat es damals eben auch gebraucht. Wird das Kollegium in ein paar Jahren überaltert sein? Wir sind immer noch ein relativ junges Kollegium, aber klar, die Altersstruktur wird sich natürlich verschieben. Ich bin jetzt 53 Jahre alt und damit einer der älteren Kollegen. Aber durch Pensionierungen, Versetzungen und neue Personalbedarfe rücken ständig neue jüngere Kolleginnen und Kollegen nach. Wie viele Lehrkräfte sind derzeit am SteinGy beschäftigt? Wir sind jetzt 76 Lehrerinnen und Lehrer; hinzu kommen einige Referendare. Das Engagement der Kollegen – das möchte ich an der Stelle betonen – hat über die Jahre nicht nachgelassen. Der persönliche Einsatz hat ja nichts damit zu tun, ob man unter 30 ist oder über 40. Wie motiviert man sich als Lehrer? Machen wir uns nichts vor. Egal, in welchen Beruf man tätig ist, man arbeitet nicht nur des Geldes wegen, sondern freut sich über jede Art von positiver Rückmeldung und Wertschätzung, was in unserer Profession nicht so selbstverständlich ist. Als Lehrer bekommt man von außen eher selten ein positives Feedback oder ein Dankeschön für die geleistete Arbeit. Wenn es denn kommt, ist es umso schöner. Was auf jeden Fall trägt und motiviert, sind die kleinen und großen Erfolge in der alltäglichen Arbeit mit jungen Menschen, die Genugtuung, mitgeholfen zu haben bei der erfolgreichen schulischen Laufbahn, die in der Regel mit der Übergabe der Abiturzeugnisse endet. Was war Ihr bisher schönster Schulmoment am Steinhagener Gymnasium? Da muss ich nicht lange überlegen. Wie schon erwähnt, habe ich den musikalischen Bereich hier mit aufgebaut. Unser Musical Monty Python’s Spamalot, das wir 2011 auf die Bühne gebracht haben, hatte nahezu professionelle Züge. Was für eine schöne Erfahrung das war! Die Außenwirkung, die wir mit der Aufführung erzielt haben, ist unerreicht. Ich stehe nach wie vor in engen Kontakt mit einigen Schülern, die damals daran mitgewirkt haben. Gibt es auch einen Schulmoment, an den Sie gar nicht gerne zurückdenken? Ja. Es gibt natürlich auch Momente, in denen man als Lehrer nicht alles richtig macht. Ich habe mal einen Schüler nachsitzen lassen. Während er in dem Raum eine Aufgabe nachgearbeitet hat, bin ich zur Chorprobe gegangnen und habe ihn vergessen. Dummerweise hatte ich den Raum routinemäßig abgeschlossen. Irgendwann riefen die Eltern in der Schule an, weil ihr Sohn nicht nach Hause kam. Mit dem Schüler und dessen Eltern habe ich mich natürlich ausgesprochen. Unangenehm ist mir das immer noch. Was macht Ihrer Meinung nach eine gute Schule aus? Die sachlichen Voraussetzungen müssen stimmen. Da ist der Schulträger gefragt, also die Gemeinde Steinhagen. Und da muss man feststellen, die sachlichen Voraussetzungen sind in vorbildlicher Weise erfüllt. Daneben ist mir ein gutes Miteinander aller am Schulleben Beteiligten wichtig. Erfolgreiches Lernen kann nicht gelingen, wenn Schülerinnen und Schüler nicht gerne zur Schule kommen. Natürlich gibt es gerade im Ganztagsbetrieb Konflikte, und Schüler müssen lernen, wie man damit konstruktiv umgeht. Darum ist uns das Fach soziales Lernen so wichtig, um dieses Miteinander einzuüben. Gute Schule ist außerdem ein Ort, der jungen Menschen Horizonte für neue Interessen öffnet, ein Ort, der sie anregt, eigene Stärken zu entfalten. Es geht darum, ihnen ein gutes Rüstzeug an Kompetenzen an die Hand zu geben, die immer kompliziertere Welt außerhalb der Schulmauern aktiv zu gestalten. Gute Schule bedeutet damit natürlich auch guter Unterricht. Was verstehen Sie darunter? Ich will Sie jetzt nicht mit den zehn Merkmalen guten Unterrichts nach Hilbert Meyer langweilen. Nur so viel, Dreh- und Angelpunkt ist es aus meiner Sicht, Schülerinnen und Schüler in hohen Maße zu beteiligen. So wie wir Unterricht kennengelernt haben, funktioniert das heute nicht mehr. Schlagt das Buch auf! Wo waren wir gestehen stehen geblieben? Aufgabe neun! Ich glaube, dass es heute wichtig ist, Unterricht so zu gestalten, dass Partizipation von Schülern nicht nur möglich ist, sondern eingefordert wird. Sie müssen lernen, da ist ein Problem und wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir zu einer Lösung kommen. Das ist auch mal anstrengend. Vergleichen wir mal Schüler heute und vor dreißig Jahren. Was hat sich geändert? Schülerinnen und Schüler der jetzigen Generation sind meiner Beobachtung nach zielgerichteter in ihren Vorstellungen. Die überlegen schon ganz genau, was sie für ihr späteres Leben brauchen. Wenn ich an meine eigene Schulzeit denke, muss ich feststellen, dass das Bewusstsein, über den Tellerrand der Schulzeit hinauszudenken, damals deutlich geringer ausgeprägt war als das heute der Fall ist. Jugendliche fokussieren sich heute sehr früh auf die Frage, was für eine spätere berufliche Perspektive wichtig sein könnte. Woran liegt dieser Wandel begründet? Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung. Kindheit wird heute viel früher, bereits im Kindergarten, auf die Zukunft ausgerichtet. Eltern wollen ihren Kindern das bestmögliche Rüstzeug fürs spätere Leben mitgeben. Sie belegen beispielsweise schon im Kindergarten Kurse, die darauf abzielen, dass die Kinder möglichst mehrsprachig groß werden. Vor welchen Herausforderungen steht das Steinhagener Gymnasium in den nächsten Jahren? Da ist zum einen die Umstellung auf den G 9-Bildungsgang, der noch immer nicht abgeschlossen ist. Diese schulpolitische Rolle Rückwärts wirkt noch immer nach? Na klar. Wir müssen jedes Jahr aufs Neue schauen, wie wir den G 9-Bildungsgang umsetzen. Wir sind jetzt in der Jahrgangsstufe 8 angekommen. Welche Herausforderung gib es noch? Corona hat es uns vor Augen geführt. Die Schule der Zukunft baut auf die digitale Bildung. Wir sind hier bereits vor der Pandemie recht weit gewesen, aber natürlich haben die vergangenen Monate auch bei uns Entwicklungen in ungeahnter Weise beschleunigt. In Zukunft wird es neben dem weiteren technischen Ausbau vor allem um die Frage gehen, welche pädagogischen Konsequenzen aus den technischen Möglichkeiten zu einem nachhaltigen Mehrwert für Schule und Unterricht führen. Einen dritte Herausforderung sehe ich in der zukünftigen Ausrichtung der Zügigkeit der Schule. Was meinen Sie damit? Das SteinGy ist eine dreizügige Schule. Über die Jahre haben wir aufgrund der Anmeldungen aber immer wieder vier Klassen einrichten müssen. Mittlerweile sind wir in einer Situation, in der uns klar wird, mit einer Dreizügigkeit werden wir die größer werdenden Bedarfe nicht mehr befriedigen können und müssen daher überlegen, ob wir die Schule in Zukunft nicht als dauerhaft vierzügige Schule einrichten müssen. Die Beantwortung ist durchaus kompliziert und muss in enger Zusammenarbeit mit dem Schulträger angegangen werden. Die Räumlichkeiten an der Schule reichen bereits jetzt nicht mehr aus, was natürlich auch mit G 9 zusammenhängt. Es wird angebaut werden müssen. Wir platzen aus allen Nähten. Wie weit sind Sie mit den Planungen für einen Anbau? Momentan sind wir zusammen mit dem Schulträger im Gespräch, welche Bedarfe die Schule hat und wie ein Anbau überhaupt aussehen könnte. Architekten könnten sich dann im Rahmen eines Wettbewerbs damit auseinandersetzen, wie und ob man anbauen kann, ohne die Besonderheiten dieser Gebäudesubstanz zu zerstören. Es muss geklärt werden, ob wir lediglich Räume für einen zusätzlichen Jahrgang schaffen wollen, oder ob wir die Notwendigkeit dafür nutzen, die Gebäudestruktur insgesamt in den Blick zu nehmen. Die Schule ist zwar ein moderner Bau, aber sie ist als klassischer Flurbau angelegt. Es gibt einen langen Flur, von dem links und rechts Klassenräume abgehen. Wie würde man heute eine Schule bauen? Heute bezieht man den Ganztagsbetrieb ein. Dazu braucht es nicht nur Klassenräume, sondern Kommunikations- und Differenzierungsflächen. Darum wollen wir die Gebäudestruktur insgesamt auf den Prüfstand stellen. Das ist eine große Herausforderung, die auch mit den politischen Entscheidungsträgern abgeglichen werden muss. Ziel ist es, das Gymnasium für die nächsten dreißig Jahre zukunftstauglich zu machen. Ein Rückblick in unser Archiv: Stefan Binder soll neuer Schulleiter am Steinhagener Gymnasium werden

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