Corona sorgt für Welpen-Boom: Doch das Geschäft hat viele Schattenseiten

In der Pandemie schaffen sich viele Menschen einen Vierbeiner an. Ein Steinhagener Züchter warnt vor unseriösen Angeboten.Dass derzeit die Hundeschulen geschlossen sind, hat unangenehme Folgen.

Niedliche Welpen haben derzeit Hochkonjunktur. Bei Züchtern und in den Tierheimen stehen die Telefone nicht still. | © Petra Hagemeier

09.02.2021 | 09.02.2021, 07:46

Steinhagen. Wenn es aufgrund der Corona-Pandemie den meisten an etwas nicht mangelt, dann ist es Freizeit. Vielmehr haben sie das Problem, die Stunden sinnvoll zu füllen, weil Chöre, Vereine, Clubs, Kinos, Vergnügungsparks oder Restaurants auf Eis liegen. Ganz viele Menschen sind offenbar deswegen auf die Idee gekommen, sich einen Hund anzuschaffen.

„Es ist die Hölle los. Es ist der Wahnsinn. Wir bekommen sogar Anfragen aus Dänemark", beschreibt Thomas Staude die aktuelle Situation. Der 58-Jährige züchtet gemeinsam mit seiner Frau Andrea Berner Sennenhunde. Einen solchen Ansturm wie im Moment hat Staude in den ganzen Jahren noch nicht erlebt. Die Mails flattern nur so herein, das Telefon steht quasi nicht still. Und das, obwohl die Staudes aktuell gar keinen Wurf erwarten. „Wir haben im November überlegt, ob wir es wieder angehen, haben uns aber bewusst dagegen entschieden", berichtet Staude. „Eine Züchterkollegin hat alleine bei einem Wurf 160 Absagen an Interessenten schicken müssen." Diesen Stress möchte sich der Züchter möglichst ersparen.

Rassehunde sind so gut wie ausverkauft. - © Birgit Nolte
Rassehunde sind so gut wie ausverkauft. (© Birgit Nolte)

Sogar der zwielichtige Markt für Rassehunde ist abgegrast

Andere allerdings wittern bei der großen Nachfrage das schnelle Geld. „Derzeit werden Hunde auf Teufel komm’ raus einfach zusammengewürfelt. Da sind Leute am Werk, die überhaupt keine Ahnung haben und teilweise Fantasiepreise aufrufen. Und die Leute sind so verrückt und zahlen das auch noch" – darüber ist Staude wütend. Aber züchten, betont er, erledigt man nicht mal eben so nebenbei. „Auch wenn die Kinder quengeln, dass unbedingt ein Hund ins Haus muss – es ist wichtig, dass die Käufer darauf achten, aus welcher Quelle die Tiere stammen, und nicht etwa einen Treffpunkt an irgendeinem Bahnhof ausmachen und quasi den Hund aus dem Kofferraum heraus kaufen", warnt Staude.

Doch selbst dieser überwiegend zwielichtige Markt scheint – zumindest was angesagte Rassehunde betrifft – abgegrast zu sein. Wer auf bekannten Online-Marktplätzen beispielsweise nach Möpsen oder Französischen Bulldoggen sucht, der wird auf zahlreiche Gesuche, aber so gut wie keine Angebote stoßen.

Besser zum anerkannten Züchter

Der Weg zum anerkannten Züchter sei ohnehin der sicherste, plädiert Staude. Zur Orientierung sollten potenzielle Käufer darauf achten, dass die Züchter VDH- oder FCI-zertifiziert sind. Denn das Züchten, wenn es denn tiergerecht und kompetent betrieben wird, sei ein zeit- und kostenintensives Geschäft. „Bevor es überhaupt zur Zuchtzulassung kommt, habe ich schon zwischen 4.000 und 5.000 Euro in die Hündin investiert", berichtet Staude. Ist ein passender Rüde gefunden und die Hündin läufig, muss der Tierarzt den besten Deckzeitpunkt bestimmen. Sowohl Rüde als auch Mediziner lassen sich ihren Service bezahlen.

„Wenn man viel Pech hat, zeigt der Ultraschall vier Wochen später gar keine Welpen an", so der Züchter. Kündigt sich Nachwuchs an, braucht es eine Wurfkiste, jede Menge Zeit, Zewa und Decken. Rund 250 Euro steckt Staude in jeden einzelnen Welpen, bevor er im Alter von rund acht Wochen in ein neues Zuhause umzieht.

Auch im Tierheim herrscht eine große Nachfrage

Auch im Tierheim Gütersloh herrscht eine große Nachfrage, berichtet Maik Strecker. Die Mitarbeiter versuchen im Vorfeld bereits am Telefon abzuschätzen, ob ein lang gehegtes ernsthaftes Interesse an einem Vierbeiner vorliegt, oder ob es sich womöglich um einen eher unüberlegten Schnellschuss handelt. „Einerseits sind wir natürlich froh, dass wir so viele Hunde vermitteln können", betont Maik Strecker. Andererseits könne niemand in die Zukunft schauen. Denn möglich ist es allemal, dass einige Tiere wieder abgegeben werden, wenn sich die Corona-Pandemie gelegt haben sollte und die Hundebesitzer merken, dass sie wegen vieler anderer Beschäftigungen keine Zeit mehr für das Tier haben.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass Hundeschulen seit Ende November geschlossen sind. Mindestens bis zum 14. Februar hat der Gesetzgeber bestimmt, wird das auch so bleiben. Speziell für Welpen und Junghunde könnte das bei unerfahrenen Haltern negative Folgen haben. „Die ersten sechs Monate sind sehr entscheidend", unterstreicht Thomas Staude. „Was in dieser Zeit schief läuft, kann später nur schwer wieder ausgebügelt werden.

„Es erreichen uns aktuell regelrechte Verzweiflungsanrufe"

Hundetrainer Maic Horstmann - © Sonja Faulhaber
Hundetrainer Maic Horstmann (© Sonja Faulhaber)

Petra Hagemeier vom Team der Hundeschule Steinhagen kennt die Problematik. Die Telefone laufen auch hier heiß. Viele Menschen suchen Rat bei der Erziehung ihrer Vierbeiner. „Seit dem ersten Lockdown gibt es einen regelrechten Welpen-Boom", berichtet Petra Hagemeier. Die Welpenspielstunden waren proppenvoll. Aktuell können sie aber genauso wenig stattfinden wie das Training für alle anderen Hunde. „Bei den älteren gibt es ja auch Problemfälle, die aggressives Verhalten zeigen. Das kann unter Umständen sehr gefährlich werden", so Petra Hagemeier. Aber auch für diese vierbeinigen Klienten ist das Team derzeit nur telefonisch oder online zu erreichen. Training nur mit dem Hund, ohne den Halter, wäre möglich, kommt für Maic Horstmann aber nicht infrage. „Besonders bei Welpen ist das tierschutzrechtlich bedenklich. Außerdem schulen wir in erster Linie die Halter und nicht die Vierbeiner."

Die Not bei vielen Frauchen und Herrchen ist groß. „Es erreichen uns aktuell regelrechte Verzweiflungsanrufe", so Maic Horstmann. Dem Inhaber der Hundeschule Steinhagen wird daher immer mal wieder vorgeschlagen, sich doch einfach in einer ruhigen Ecke des Geländes zu treffen und das Training durchzuziehen. Schließlich findet das ja unter freiem Himmel und mit Abstand statt. „Wenn ich dann sage, dass sie gleich die 25.000 Euro für die Strafe mitbringen sollen, die ich zu zahlen hätte, sehen sie schnell ein, dass das keine gute Idee ist."

Natürlich bedeutet die angeordnete Schließung der Hundeschulen auch finanzielle Einbußen. Immerhin dürfen im Shop der Hundeschule weiterhin Futter und Zubehör verkauft werden. Auch der Hundesalon ist geöffnet, denn im Gegensatz zu den Menschen dürfen sich Hunde momentan frisieren lassen. Herrchen oder Frauchen müssen beim Beautyprogramm draußen bleiben.