Haller Museumsleiterin wollte Nonne werden, lässt aber den Papst abblitzen

Halle. &bdquo;Ich habe mir immer alles erkämpft“, sagt Ursula Blaschke. Wer die Gründerin und Leiterin des Museums für Kindheits- und Jugendwerke am Haller Kirchplatz kennt, weiß, dass dies ausschließlich auf verbaler Ebene passiert ist. &bdquo;Ich wollte ja eigentlich Nonne werden, aber das ging ja nicht, ich bin ja evangelisch“, sagt die streng gläubige Kunstexpertin. Für Gewalt wäre da kein Platz gewesen, zumal der Großvater Pfarrer war. Und dann ist da ja noch die Verwandtschaft zu Martin Luther, die sie beiläufig erwähnt. Blaschkes Kleidungsstil erinnert heute noch an den Berufswunsch ihrer Kindheit. Stets in Schwarz mit etwas weiß gekleidet huscht die zierliche Frau tagtäglich mit ihrer wallenden schwarzen Mähne nonnenhaft über den Kirchplatz. Die Kindheit prägt einen Menschen, das weiß die in Ostpreußen geborene Blaschke, die als Kind im Zweiten Weltkrieg drei Mal fliehen musste, und deren Familie später im Raum Osnabrück eine neue Heimat fand, nur allzu gut. Dass sie in ihrem Museum Kindheits- und Jugendwerke bekannter Künstler ausstellt, dürfte damit kein Zufall sein. &bdquo;Alle berühmten Künstler haben ihre Kindheitswerke in ihre Erwachsenenwerke mit eingefügt“, sagt Blaschke. Zudem hat sie mit dem Museum und den dort gezeigten Exponaten eine Nische entdeckt. Das Museum ist in seiner Art weltweit einzigartig. Hartnäckigkeit zahlt sich aus &bdquo;Für mich ist es eine Leidenschaft und Verpflichtung zugleich“, erklärt sie ihren täglichen Antrieb. Denn trotz ihres Alters und persönlicher Schicksalsschläge, wie etwa dem Tod ihres Sohnes Michael vor einem Jahr, sprüht Blaschke immer noch vor Energie und Tatendrang. Sie plant schon Ausstellungen für die kommenden Jahre. Nach langem Gezerre hat ihr die Stadt Halle kürzlich im Kulturausschuss zugesichert, das Museum auch zukünftig mit jährlich 20.000 Euro zu unterstützen. Man hatte um ein Konzept für die nächsten Jahre gebeten, Blaschke hat offenbar geliefert. Die Details wurden im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung besprochen. Gerade die Anfangsjahre haben viel Kraft und vor allem Geld gekostet. &bdquo;Auf dem Weg nach Basel habe ich kurz vor Dortmund im Intercity-Speisewagen den vorherigen Eigentümer der Immobilie getroffen“, erinnert sich Blaschke an eine Begegnung Mitte der 1980er-Jahre. Er habe ihr das Haus am Kirchplatz 3, welches 1246 erbaut wurde und somit als ältestes nicht-kirchliches Gebäude im gesamten Kreis Gütersloh gilt, angeboten. &bdquo;Ich kannte das Gebäude nur von außen, aber ich kaufte es ihm noch im Zug per Handschlag ab“, sagt Blaschke. Als sie zum ersten Mal das Haus mit den fünf Räumen betrat, war sie geschockt. &bdquo;Es war alles kaputt und verfault“, sagt die Museumsleiterin. Das wird teuer, sagte ihr damals ein Haller Bauunternehmer, und am Ende standen tatsächlich 1,3 Millionen DM auf der Gesamtrechnung für den Umbau. Darin enthalten auch der 100 Jahre alte Eichenholzfußboden. &bdquo;Den hat damals ein 98-jähriger Tischler aus Jöllenbeck verlegt“, erinnert sich Blaschke, die 1987 schließlich ihr Museum eröffnete. Kunstmesse in Basel als Antrieb Die ersten Jahre waren schwierig. &bdquo;Ich war doch hier in Halle nur ein Würstchen, hatte zuvor nur eine kleine Kunstschule“, sagt Blaschke, die früher selbst gemalt, aber all ihre Werke schon vor Jahrzehnten verkauft hat. &bdquo;Ich war völlig überraschend zur weltweit größten Kunstmesse in Basel eingeladen. Mit 30 Bildern stand ich dann am Zoll“, erinnert sie sich an den Moment, der rückblickend wohl einen Grundstein für das heutige Museum darstellt. &bdquo;Die Ausstellung war ein voller Erfolg. Ich kam mit einem Sack voller Geld wieder nach Hause. Ich habe dann nach und nach all meine Werke fürs Haus verkauft.“ Weniger erfolgreich verlief hingegen die erste Begegnung mit dem Sohn von Paul Klee, der als einer der bedeutendsten Künstler der Klassischen Moderne des 20. Jahrhunderts gilt. &bdquo;Er hat mich damals rausgeschmissen. Bei strömendem Regen stand ich in Bern auf der Straße, und er rief zu einer Frau: Schmeiß sie raus, sie ist eine Schwindlerin. Halle liegt an der Saale“, erinnert sich Blaschke. &bdquo;Mit mir nicht, dachte ich, und ging wieder zur Tür.“ Eine Hartnäckigkeit, die sich bezahlt machte, denn es entstand eine so tiefe Freundschaft, dass Blaschke als eine von wenigen Nichtfamilienmitgliedern sogar im März 2021 zur Beerdigung von Paul Klees Enkelsohn Alexander Klee eingeladen wurde. &bdquo;Sogar Papst Johannes Paul II hat mich mal eingeladen, obwohl ich ja evangelisch bin“, sagt Blaschke. Grund war die Ausstellung eines Christophorus-Bildes von Otto Dix, welches das Museum im Vatikan zur Verfügung stellte und nach Halle bringen ließ. &bdquo;Rom hat bis dahin noch nie Bilder verliehen“, sagt Blaschke. Das Bild kam an, nachdem es einen Umweg über Halle/Saale genommen hatte, die Ausstellung war ein Erfolg, aber der Papst bekam dennoch einen Korb. &bdquo;Meine 90-jährige Mutter hatte es mir verboten. Sie sagte, Kind, fahr nicht. Der Papst will nur, dass du katholisch wirst. Und dann bin ich zu Hause geblieben.“ Freundschaft zu Emil Noldes zweiter Frau Blaschke, die nach eigenen Angaben seit 40 Jahren keinen Tag Urlaub gemacht hat, freut sich derzeit über die laufende Sonderausstellung zu Emil Nolde, einem der bedeutendsten Aquarellisten des 20. Jahrhunderts. &bdquo;Ich war mit seiner zweiten Frau Jolanthe Erdmann befreundet“, sagt Blaschke und zeigt gemeinsame Fotos. Kritik an der Ausstellung, bedingt dadurch das Nolde überzeugtes NSDAP-Mitglied und Antisemit war, lässt sie nicht zu. &bdquo;Man soll ihn nicht verherrlichen, und er hat Irrwege beschritten, aber man muss auch seine Herkunft aus einfachen Verhältnissen berücksichtigen“, sagt Blaschke. Sie sehe zudem in erster Linie seine künstlerische Qualität. Die Ausstellung zeigt einige sehr intime Werke Noldes. Darunter privates Videomaterial von Noldes Nachfahren, welches ihn gemeinsam mit seiner ersten Ehefrau Ada Vistrup im Garten ihres Hauses auf der Insel Alsen zeigt. &bdquo;Und er hat als Zwölfjähriger diese Holzschatulle für seine Tante geschnitzt“, sagt Blaschke und holt ein kleines Schmuckkästchen aus der Vitrine. Darauf sind verschiedene Tiere wie Fuchs und Hase zu sehen. &bdquo;Der Fuchs taucht später immer wieder in seinen Werken auf“, sagt die Hallerin. Blaschke, die als Sachverständige für die Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s tätig war, knüpfte in den vergangenen Jahren viele Kontakte, darunter auch zur Familie von Pablo Picasso. &bdquo;Wir haben heute so viele Scharlatane in der Kunst, die einfach nur rumschmieren und sich Künstler nennen“, sagt Blaschke, die ganz auf die alten Meister setzt. Neue Ausstellung im Januar Im Januar gibt es die nächste Ausstellung in dem kleinen Museum. Dann werden 50 Werke des österreichischen Malers Siegfried Anziger, Professor für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf, gezeigt. Sie stammen aus dem Besitz einer Frau aus St. Moritz, die eine Freundin von Anzingers Mutter war. Die Haller Museumschefin hatte mal wieder den persönlichen Kontakt geknüpft und wurde erneut belohnt. &bdquo;Manchmal frage ich mich, ob ich das überhaupt verdient habe, dass die Leute so nett zu mir sind“, sagt Blaschke. Wichtig sei es ihr abschließend, zu betonen, dass &bdquo;mir nichts gehört. Ich habe diese Bilder nicht gemacht. Die Werke gehören einzig und allein den Künstlern, auch über deren Tod hinaus“.

Meistgelesen

Berühmtes Kunstwerk: Millionenschwere Banane verputzt

Neuer Name, neuer Ort: Kunstmesse Art Basel Paris startet

Anselm Kiefer über AfD-Zuwachs: «Das ist schrecklich»

6,2 Millionen Dollar - für eine Banane(?)

Ticker zur Kommunalwahl 2025: Linnemann (CDU) hat in Versmold einen Rauhaardackel gekauft Wer steht in meinem Wahlbezirk auf dem Zettel? Wer könnte Bürgermeister in meiner Kommune werden? Und was muss ich bei der Wahl wissen? Alle Antworten darauf und noch viel mehr gibt es im Liveticker.

Haller Verein verbietet der SPD, am Minigolfplatz zu grillen Die Zusage für den Roten Grill...