
Vielleicht sollte man bei diesem hochemotionalen Thema mit der Idee anfangen: Schüler bekommen ein Stück Wiese zugewiesen, das sie pflegen und für das sie Verantwortung übernehmen. Und wenn diese Schüler gemeinsam mit ihrem Lehrer dann noch auf die Idee kommen, für diese Wiese „lebende Rasenmäher“ anzuschaffen - sie also von Schafen abweiden zu lassen -, dann ist das zunächst einmal doch der Gipfel der Nachhaltigkeit.
Ein natürlicher Kreislauf entsteht, junge Menschen erfahren pädagogisch begleitet, wie Lebensmittel erzeugt werden und Landwirtschaft funktioniert. Die Schaf-AG, eigentlich ein Projekt mit Applausgarantie.
Aber natürlich stellen sich bei einem solchen Vorhaben irgendwann auch Fragen, die eben nicht so einfach zu beantworten sind: Die Herde erreicht die Kapazitätsgrenze der Weide und muss verjüngt werden. Der Vorschlag, die alternden Tiere zu schlachten, ist da nur konsequent: Wenn man den Schülern alle Aspekte der Nutztierhaltung vermitteln will, gehört ihr Lebensende dazu. Zunächst einmal lässt sich auch das Fleisch älterer Schafe durchaus verwerten, zum anderen wäre die Pflege eines immer größeren Tierbestandes auf einem Gnadenhof auch mit Kosten verbunden.
Schlachten oder Gnadenhof: HK-Leser unentschlossen
Ist das jetzt zynisch? Ist das Schlachten der Tiere nachhaltig oder grausam? Wie schwierig diese Fragen zu beantworten sind, verdeutlicht unter anderem das Ergebnis einer sehr rege geklickten Umfrage auf haller-kreisblatt.de: Knapp 56 Prozent stimmen für den Gnadenhof, gut 32 Prozent votieren für die Schlachtung, gut 11 Prozent geben sich unentschlossen.
Eine komplexe Abwägung. Für die Tierrechtsorganisation PETA natürlich nicht, wie sie in ihrer Pressemitteilung deutlich macht. Mit ihrem kompromisslosen Statement brachte sie die Debatte ins Rollen: Als „herzlos“ wird die Entscheidung der Schulkonferenz geschmäht, den Beteiligten mangelnde Empathie vorgeworfen. PETA spricht von „wehrlosen Tieren“, die wie unliebsame Produkte entsorgt würden.
Da ist der Ton gesetzt - aber aus der Sicht einer Tierrechtsorganisation ist das auch absolut nachvollziehbar und konsequent: Tiere sind fühlende Wesen, eine Entscheidung für ihr Leben ist immer die richtige. Diese Haltung kann man vertreten, aber ist eine andere deshalb zu verdammen?
Man darf in Borgholzhausen von glücklichen Schafen reden
Immer wieder verweist PETA in ihren Stellungnahmen auch auf die unhaltbaren Lebens- und Haltungsbedingungen von Nutztieren. Schaut man jetzt auf die Schaf-AG Borgholzhausen, darf man mit Blick auf die extensive Haltung sicherlich von glücklichen Schafen reden.
Ja, Schafe sind zu Empfindungen fähig. Aber sind sie dazu in der Lage, darauf hinzuweisen, wenn ihr Leid ihre Lebensfreude überschreitet? Wie trifft man auf dem Gnadenhof die richtige Entscheidung, wann das Leben eines Tieres zu Ende ist? Und hierbei handelt es sich nur um die natürlich bedeutenden und grundlegenden ethischen Fragen rund um das Tierwohl.
Stellt man Nutztierhaltung und Fleischkonsum als bedeutenden Faktor für die Ernährung unserer Gesellschaft nicht in Frage - Achtung: Hier könnte eigentlich der nächste Kommentar beginnen -, dann ist es nur konsequent, Nutztiere mit Blick auf die Struktur der Herde auch zu schlachten. Und es ist auch nur ehrlich, den Schülerinnen und Schülern diesen Aspekt des landwirtschaftlichen Kreislaufs nicht zu verschweigen. Zumal damit auch keine Ressourcen verschwendet würden. Ein ökonomisches und auch ökologisches Argument, das man nicht von der Hand weisen darf.
Schule sollte mutig und stolz auf das Projekt sein
Insofern sollte die Leiterin der PAB-Gesamtschule, Ulla Husemann, jetzt nicht in erster Linie öffentlich beklagen, dass Interna über die Entscheidung der Schulkonferenz nach außen gedrungen sind. Sie sollte vielmehr öffentlich und mutig zu diesem Projekt stehen - und stolz darauf sein, dass ihre Schülerinnen und Schüler es sich nicht leicht gemacht und kontrovers diskutiert haben. Weil diese Abwägung eben nicht einfach ist.
Würden wir alle Entscheidungen rund um das Thema Tierwohl übrigens auf diesem Level diskutieren, wären wir als Gesellschaft schon ein gewaltiges Stück weiter. Da würde wohl selbst PETA zustimmen.