Haller Kleider-Tauschbörse im Test: Findet man dort Secondhand-Schätze?

Halle. Ich trenne mich - von vier Kleidungsstücken, die ich eigentlich gar nicht abgeben will. Mein Herz blutet ein bisschen. Aber was muss, das muss. Eine cognacfarbene Kunstleder-Bikerjacke - ich liebe sie, aber sie spannt an den Schultern. Eine grüne Marken-Sportleggings, die eine Topfigur macht - aber ich fühle mich darin zerquetscht (sicher, weil ich viel zu muskulös dafür bin). Ein krassbunter kurzer Rock, den ich secondhand auf einer Reise in Schottland gekauft habe - etwas zu viel Neon für meine weißen Beine und leider auch etwas eng. Und ein schwarzes, kurzes Satin-Kleid mit Volants - zu kurz für meine Alltagsrealität. Alles selten getragene Kleidungsstücke, denen ich jetzt ein Leben mit mehr Action geben möchte. Auf einem Tisch am Eingang der Remise wirft eine Helferin für die Kleidertauschbörse einen schnellen Blick darauf. Dann wird die Kleidung direkt weitergereicht und ich erhalte zeitgleich vier Wertmarken, mit denen ich selbst den Hauptraum betrete. Aus dem Augenwinkel sehe ich eine Frau, die nicht darauf wartet, dass meine Kleidung an die passenden Tische und Kleiderstangen sortiert wird. Sie greift direkt zu dem knalligen Rock, checkt das Größenetikett und sagt zu ihrer Begleitung: &bdquo;Nehme ich mit!“ Ich freue mich. Dann blicke ich mich um und fühle mich ein bisschen wie in einem Bienenstock. Die Stimmen der jungen und alten Frauen um mich herum summen mir ins Ohr. Überall schwirren die Besucherinnen von Kleiderstapel zu Kleiderstapel und fischen Tops, Pullis, Kleider, Jacken oder Hosen heraus, um sie zu begutachten. Manche haben schon einen Stapel auf einem Arm oder in einer Tasche gesichert. Die Veranstaltung läuft bereits etwa eine Stunde - und dennoch kommen ständig neue Waren rein - und damit auch neue Besucher. Ich lausche ihren Gesprächen. Vieles klingt nach Freundinnen-Plausch. Man zeigt sich gegenseitig, was man entdeckt. Fragt nach der Meinung der anderen. Lacht über das eine oder andere originellere Fundstück oder ist begeistert, wenn etwas besonders gut passt. In der Umkleide zeigt sich, was sich lohnt Zeitgleich begebe ich mich selbst auf die Suche. Es dauert eine Weile. Wer aussortiert, will ja nicht gleich die nächsten Schrankleichen mit nach Hause schleppen. Ich entdecke ein paar Blusen, zwei Pullis und einen Rock in der bunten, aber größtenteils gepflegten Mischung. Beim Stöbern sichte ich auch eine Ecke mit Accessoires, eine Ecke mit Kinderkleidung und einen kleinen Bereich mit Herrenkleidung. Nur Männer sieht man dort kaum im textilen Bienenstock. Auch für eine Umkleide wurde gesorgt. Ich drücke die Türklinke des umfunktionierten Abstellraums und schrecke zurück, als mir zwei halbbekleidete Frauen entgegenblicken. Ich entscheide zu warten, bis eine den Raum verlässt und husche dann hinein. Die fremde Frau neben mir scheint es nicht zu stören, dass wir jetzt abwechselnd im Spiegel unsere Schätze begutachten. Es ist etwas eng. Kleiderhaken gibt es nicht und ich lege meine Kleidung auf einen Stapel Stühle. Ich probiere eine dunkelblaue Bluse. Die Frau neben mir gibt mir spontan einen Daumen hoch dafür. Schön! Während ich nach und nach weitere Kleidungsstücke teste, wechselt meine Kabinenpartnerin. Nur drei Sachen bestehen den Test Die nächste quält sich durch einen Stapel Hosen. Die erste ist direkt zu eng. Als Kennerin entlarve ich das Problem sofort: &bdquo;Zu muskulöse Beine!“, sage ich augenzwinkernd. Wir tauschen uns über die elendige Suche nach passenden Hosen aus. Sie verrät, dass sie beim letzten Mal nichts anprobiert hat und diese Sache jetzt alle zurückgetauscht hat. Ich muss lachen - auch ich habe secondhand mal einen Rock ohne Anprobieren gekauft. Das Ergebnis war ein stundenlanges Nähprojekt. Das möchte ich dieses Mal vermeiden. Deshalb arbeite ich meinen Stapel gewissenhaft ab und entscheide, was zu eng ist. Was mir nicht steht. Und was mit kann. Drei Kleidungsstücke bestehen den Test: ein grauer Volant-Pulli, der bis zum Winter im Kleiderschrank warten muss, eine dunkelblaue Bluse (die Farbe gibt es noch nicht in meiner Sammlung) und ein altrosafarbener Pulli, den ich vor und nach dem Sport überwerfen möchte. Es sind vielleicht noch keine echten Favoriten, aber zumindest entsprechen sie Pragmatismus-Regeln: Ich weiß zu welchen Gelegenheiten und anderen Kleidungsstücken ich sie tragen kann. Als eine dritte Frau in die Kabine huscht, bleibe ich nicht mehr lang. Obwohl es irgendwie besonders schön darin war. Sich mit fremden Frauen in Unterwäsche zu treffen, sich gegenseitig Rückmeldung zu geben, um die Entscheidung zu erleichtern und festzustellen, dass wir oft ähnliche Probleme bei der Auswahl von Kleidung haben, fühlt sich gut an. Wertmarke gilt auch bei der nächsten Kleidertauschbörse Zurück im textilen Bienenstock drehe ich noch ein paar Runden. Es ist kurz vor 16 Uhr. Die Veranstaltung des regionalen Bildungsträger INTAL geht von 14 bis 17 Uhr. Doch man merkt, das Surren nimmt ab. Keine Schlange mehr am Eingang. Keine neu eintrudelnden Waren - und für mich auch kein viertes Kleidungsstück, das ich mitnehmen möchte. Beim Eintauschen an der Kasse erfahre ich, dass ich meine übrig gebliebene Wertmarke aufheben kann, um sie bei der nächsten Kleidertauschbörse am Freitag (8. November) zwischen 14 und 17 Uhr einzulösen. Bis zu 15 saubere und gut erhaltene Kleidungsstücke können bei dieser Gelegenheit abgegeben werden. Was keinen neuen Besitzer findet, bleibt entweder im Fundus für die nächste Kleidertauschbörse oder wird an soziale Einrichtungen gespendet. Eine Anmeldung ist nicht nötig.

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