Tauziehen um Haller Krankenhaus: Krankenkassen wollen Abteilungen einsparen

Halle. Die Informationen, die das Zeug haben, eine Menge Sorgen und Ängste auszulösen, befinden sich auf Seite 40 einer schier endlosen Zahlenkolonne. Allgemeine Frauenheilkunde am Krankenhaus Halle - beabsichtigte jährliche Fallzahl: 200. Aktuelles Votum Krankenkassen: 0. Verhandlungen abgeschlossen, aber mit Dissens. Bedeutet: Träger und Kassen sind sich nicht einig. Gleiches gilt für die Geburtshilfe, wo das Klinikum Bielefeld als Träger des Haller Krankenhauses 450 Fälle für 2024 ansetzt und die Kassen ebenfalls eine 0 ansetzen. Sie wollen beide Bereiche in Halle schlicht streichen - und das führt natürlich zu Widerstand. Diese Verhandlungsergebnisse wurden vor etwa einer Woche öffentlich gemacht und haben das Potenzial, die Akteure der medizinischen Versorgung in der Region und auch die Bevölkerung in Aufruhr zu versetzen. Doch was ist der Hintergrund dieser Pläne? Während der Bund den Rahmen für die Betriebskosten von Krankenhäusern vorgibt, entscheiden die Länder über die Investitionskosten - und damit letztlich darüber, welche Standorte welche Perspektive haben. Der NRW-Landtag hat vor eineinhalb Jahren einen neuen Krankenhausplan beschlossen und damit die Rahmenbedingungen für die Krankenhausplanung vorgegeben. In 50 Prozent der Fälle keine Einigung Dabei gibt es grundsätzliche Ziele: So muss von 90 Prozent der Standorte in NRW ein Krankenhaus mit internistischer und chirurgischer Grundversorgung erreichbar sein. Zugleich verfolgt der Krankenhausplan allerdings das Ziel, Leistungen zusammenzulegen. Damit soll etwa vermieden werden, dass sich in einem Ballungsraum zahlreiche Orthopädie-Kliniken ballen. Die Krux bei Frauenheilkunde und Geburtshilfe: Hier wird nur eine Erreichbarkeit innerhalb von 40 Minuten angesetzt, was den Plänen der Krankenkassen, in Hallen zu sparen, die Tür öffnen würde. Die Details haben fortan Krankenhausträger und Krankenkassen verhandelt - seit dem vergangenen November. Zuvor waren die Krankenhausträger aufgerufen worden, ihre Bedarfe zu melden. Und zwischen denen und einer Komplettstreichung in Halle klaffen nun Welten. "Insgesamt gibt es in etwa 50 Prozent der Fälle keine Einigung zwischen den Krankenkassen und den Trägern, hier wurden die Verhandlungen also im Dissens beendet", sagt der heimische Landtagsabgeordnete Thorsten Klute (SPD). Seine Fraktion hatte auf Veröffentlichung der Verhandlungsergebnisse gedrängt, aktuell werte man diese aus. Die Kassen hätten die Ergebnisse mittlerweile an die Bezirksregierungen gemeldet, so Klute. "Jetzt ist die Frage, ob unter der Führung der Bezirksregierungen weiterverhandelt oder ein Ergebnis verkündet wird", erklärt der Versmolder SPD-Politiker. Landtagsabgeordneter Thorsten Klute kritisiert Verfahren der Anhörung Kreise und Großstädte mit eigenen Gesundheitsämtern haben nun vier Wochen Zeit für eine Stellungnahme zu den bisherigen Verhandlungsergebnissen. "Man kann so etwas nicht als Geschäft der laufenden Verwaltung abwickeln", kritisiert Klute das Verfahren. "Über eine Stellungnahme muss auch der Kreistag mit entscheiden. Die Anhörungsfrist sollte also verlängert werden - aktuell ist die in die Ferien verlegt worden." Dass Halle nach dem Willen der Krankenkassen seine Geburtshilfe und die allgemeine Frauenheilkunde verlieren soll, wäre für den heimischen Landtagsabgeordneten "ein harter Schlag für die Region". Er betont: "Die Krankenhausplanung sollte Sicherheit schaffen, aber diese Verhandlungen erzeugen Unsicherheit. Es besteht die Sorge, dass die Wege für die Menschen weiter werden." Die Krankenhäuser in Werther, Versmold und Dissen sind bereits geschlossen worden - "da ist Halle ein Gesundheitsanker für die Region", sagt Thorsten Klute. "Dann solche Leistungen zu streichen, wäre ein herber Verlust." Die Kreis-SPD wollte noch am Montagnachmittag im Kreistag eine Sondersitzung zum Thema beantragen. Geschäftsführer des Klinikums betont "gute und wirtschaftlich gesunde Versorgungsleistung" Michael Ackermann, Geschäftsführer des Bielefelder Klinikums, zu dessen Verbund das Haller Krankenhaus gehört, gibt sich auch Anfrage des "Haller Kreisblattes" zunächst einmal gelassen: "In wenigen einzelnen Leistungsbereichen gibt es unterschiedliche Auffassungen zur Versorgungslage. Unter der Prüfung steht auch die Geburtshilfliche Abteilung am Klinikstandort Halle." Man habe gegenüber den Krankenkassen allerdings deutlich machen können, dass "das in Halle befindliche Versorgungsmodell als Belegabteilung eine sehr gute und wirtschaftlich gesunde Versorgungsleistung erbringt und auch fortgesetzt gehört". Die Sozialleistungsträger hätten die Frage der Betriebsführung als Belegabteilung allerdings nicht beurteilen wollen und sie an die Bezirksregierung Detmold zur Prüfung weitergegeben. "Ein ganz normaler Vorgang", betont Ackermann. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir das Geburtshilfliche Angebot dort fortführen, zumal gerade wieder ganz aktuell in Melle eine Geburtshilfliche Abteilung für zwei Monate geschlossen wird", sagt der Geschäftsführer. Diese Besonderheiten im Bundeslandgrenzbereich spielten natürlich auch eine Rolle in der Bewertung bei der Bezirksregierung. Sie seien von den Krankenkassen bislang nicht betrachtet worden. Die Gespräche mit der Bezirksregierung würden wahrscheinlich im August beginnen, so Ackermann. Halles Bürgermeister hofft auf positive Fortsetzung der Gespräche Auch Halles Bürgermeister Thomas Tappe gibt sich zuversichtlich, was die Zukunft der Abteilungen Geburtshilfe und allgemeine Frauenheilkunde angeht: "Wir sind grundsätzlich über die Verhandlungen informiert. Was eine Bewertung angeht, möchte ich mich mit Blick auf das laufende Verfahren allerdings bedeckt halten. Ich bin aber optimistisch, dass die weiteren Gespräche ein positives Ergebnis haben werden." Fakt sei ganz generell, dass eine Schließung der Abteilungen "in keiner Weise akzeptabel wäre", so Halles Bürgermeister weiter. "Wir haben hier einen gut frequentierten Standort mit 400 Geburten im Jahr. Gegen dessen Aufgabe würden wir uns mit aller Kraft wehren." Zumal das Krankenhaus Halle nach der Schließung umliegender Kliniken eine "Bündelungsfunktion für das Umland" habe.

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