Markante Villa in Halle soll für Luxus-Wohnungen abgerissen werden

Halle. Annette Seidensticker und Frank Schwanse sind sauer. Über das Internet haben sie erfahren, dass das Haus, in dem sie wohnen, noch in diesem Jahr abgerissen werden soll. Es ist nicht irgendein Haus. Wer einmal die Straße Am Laibach entlanggefahren ist, dem wird das Gebäude im Villen-Stil sicherlich aufgefallen sein. 1939 ist es gebaut worden und wird in Halle kurz "Villa Diering" genannt. Benannt nach dem ehemaligen Chefarzt des Haller Krankenhauses Dr. Gustav Diering. Auf Internetplattformen wird bereits die Zeit nach dem Abriss vermarktet. Entstehen soll hier ein dreigeschossiger Komplex mit insgesamt zehn Eigentumswohnungen zu Preisen zwischen 282.000 Euro für die 66-Quadratmeter-Einheit und 538.650 Euro für die Vier-Zimmer-Wohnung mit 126 Quadratmetern. Wer das gesamte Objekt mit einer Grundstücksfläche von 2.800 Quadratmetern und allen zehn Wohnungen erwerben will, muss 3,7 Millionen Euro investieren. Vermarktet wird das neue Objekt von der FIM Finanz- und Immobilien GmbH in Melle. Mitarbeiter Robert Hase erklärte, man plane, mit dem Neubau zu beginnen, sobald genügend Wohnungen verkauft worden seien. Der Beginn sei jedoch bereits für Sommer oder Herbst 2023 geplant, die Fertigstellung 2024. Mieter im Ungewissen Während die Vermarktung bereits läuft, werden die Mieter im Ungewissen gelassen. "Wir haben weder eine Information über den geplanten Abriss bekommen noch eine Kündigung erhalten", sagt Annette Seidensticker. Vor drei Jahren hätten sie und Frank Schwanse ihre 140 Quadratmeter große Wohnung im Erdgeschoss angemietet und nach ihren Aussagen dort selbst 25.000 Euro investiert. "Wir hatten darauf vertraut, dass wir langfristig dort bleiben können, sonst hätten wir das sicher nicht gemacht", ergänzt Frank Schwanse. Wolfgang Upmeyer aus Melle, der für seinen 93 Jahre alten Vater Gustav Upmeyer die Wohnungen verwaltet, erklärt: "Ein Mieter weiß Bescheid, der andere noch nicht. Wir haben mit FIM besprochen, dass wir informieren, sobald feststeht, wann wir mit dem Bau beginnen." Es sei schwierig geworden, die Vermietung in dieser Form weiterzuführen. Deshalb habe man sich jetzt zu diesem Schritt entschieden. Die Baugenehmigung für das neue Objekt haben die Eigentümer nach Informationen des "Haller Kreisblatts" im Dezember 2022 erhalten. Annette Seidensticker will das nicht so einfach akzeptieren. Ihr geht es nicht nur um den Erhalt der eigenen Wohnung, sondern auch darum, dass dieses historische Gebäude nicht dem Abriss preisgegeben wird. In dem Haus lebte einst Dr. Gustav Diering, der von 1921 bis 1958 das Haller Krankenhaus leitete. Er gründete in Halle die erste chirurgische Abteilung, führte die erste OP durch und setzte sich zusammen mit dem Vorstand, dem seinerzeit auch der damalige HK-Verleger August Bratvogel angehörte, für die Anschaffung des ersten Röntgengerätes ein. Bunker im Keller Doch nicht nur aufgrund der Geschichte seiner Bewohner ist das Haus Laibach 30 von historischer Bedeutung. Mit seiner Lage in einer parkähnlichen Umgebung, der langen, die gesamte vordere Front entlanglaufenden Terrasse und den großen hölzernen, weißen Fensterflügeln prägt es in diesem Bereich das Straßenbild. Viele Details im Innern erinnern zudem an die Geschichte des Hauses. So findet sich im Keller ein Luftschutzbunker, dessen Eingang und Fenster mit massiven Metalltüren versehen sind. Im Erdgeschoss, in den ehemaligen Küchenräumen, erinnert überdies eine sogenannte Personalklingel an Zeiten, in denen Dienstpersonal eine Selbstverständlichkeit war. Acht kleine runde Fensterchen mit entsprechender Nummerierung signalisierten bei Aktivierung den hier Beschäftigten, in welchem Zimmer ihre Anwesenheit gefordert wurde. Alte Kacheln, historisches Parkett und mechanische Drehkurbeln, mit denen die großen hölzernen Fensterläden von innen auf- und zugeklappt werden können, sind weitere bemerkenswerte Details. Die Frage, ob dieses Haus schützenswert ist, wurde im Zuge der Aufstellung des Bebauungsplans geklärt. Dort habe, so Bürgermeister Thomas Tappe, der dafür zuständige Landschaftsverband Westfalen Lippe keine Ansprüche auf Schutzwürdigkeit erhoben. "Weil die geplanten Baumaßnahmen zudem nicht gegen den Bebauungsplan verstoßen, gibt es keine Möglichkeiten, dagegen vorzugehen", erklärt Tappe. Betroffen von einem möglichen Neubau wäre natürlich auch die Nachbarschaft. Christian H. hat vor drei Jahren das Nachbarhaus erworben, in dem Glauben, dass er und seine Familie in eine ruhige Wohngegend ziehen. "Bald aber werden statt zwei, nun 15 Autos direkt an unserem Wohnzimmer vorbeifahren", sagt er mit Blick auf die geplanten 15 Stellplätze für den Wohnkomplex.

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