Ähnliche Vorfälle: Deutete sich Defekt des Haller Kettenkarussells an?

Halle. "Ich bin froh, dass die Sicherheitssysteme funktioniert haben und die Notbremse ausgelöst wurde", sagt Jens Schmidt zwei Tage nach dem Stillstand des Kettenfliegers gut 20 Meter über dem Lindenplatz. Durch einen technischen Defekt, der noch nicht näher benannt werden könne, habe die Bremse automatisch eingegriffen. Der Schausteller aus Velten bei Berlin kann sich die Ursache bisher nicht erklären. "Das Karussell war erst vor vier Wochen beim Hersteller und ist dort vom TÜV überprüft worden", sagt Schmidt. Nun schaut der TÜV noch einmal genauer nach und untersucht das betroffene Bauteil. Generell checkt der TÜV jedes Fahrgeschäft einmal pro Jahr. Zudem erfolgt bei jeder Veranstaltung die Bauabnahme durch die zuständige Behörde vor Ort. "Je mehr Technik aber in einem Gerät steckt, umso eher kommt auch eine Fehlermeldung. Das kennt man ja auch vom Auto", sagt Schmidt. Meistens seien es dann aber keine schwerwiegenden Fehler. "Nach dem Vorfall in Halle war versucht worden, die Bremse wieder zu lösen", sagt Schmidt. Dies sei vom Boden aus per Knopfdruck möglich, man habe es aber zudem auch manuell versucht, nachdem ein Mitarbeiter am Turm hinaufgeklettert war. Beides blieb am Ende vergeblich. Der Kettenflieger war zum ersten Mal auf der Magdeburger Kirmes Elbe-Funpark am 9. September 2021 im Einsatz. "Das Karussell hat rund 800.000 Euro gekostet, ich habe damals trotz Corona alles auf eine Karte gesetzt", erinnert sich Schmidt an die Investition zu einer Zeit, die für ihn als Schausteller die schlimmste seiner langjährigen Berufstätigkeit war. Hersteller des insgesamt 40 Meter hohen Karusselles mit einer Stellfläche von 15 mal 15 Metern ist die Firma AK Rides aus der slowakischen Kleinstadt amorín. Schausteller wollte London-Attraktion nach Berlin holen Kurz vor dem Kauf des Kettenfliegers hatte Schmidt noch größere Pläne. Er kaufte für 2,5 Millionen Euro ein Riesenrad, dass er in Berlin in der Nähe von Dom und Schloss aufstellen wollte. Ähnlich wie das London Eye in der britischen Hauptstadt. Kaum war das Riesenrad da, kam Corona und die Pläne wurden gestoppt. Schmidt bedauert den Vorfall in der Lindenstadt, ist zugleich aber glücklich darüber, dass nicht noch mehr passiert ist. "Aber für uns ist das Wochenende natürlich auch ins Wasser gefallen", sagt der Unternehmer. Durch die Schließung des Karussells am Samstagnachmittag blieb der Großteil der geplanten Einnahmen aus, gleichwohl war man bis zuletzt mit dem kompletten Personal vor Ort. Nun hofft der Brandenburger, dass beim nächsten Auftritt des Kettenfliegers alles glatt läuft. Ab dem 25. März sollen die zwölf Gondeln mit jeweils zwei Sitzplätzen in Eisenach durch die Luft wirbeln. Das Ordnungsamt der Stadt Halle wird die Kollegen in Eisenach vorab über den Defekt informieren. "Erst nach einer dortigen Prüfung durch einen Sachverständigen kann das Fahrgeschäft wieder in Betrieb genommen werden", erklärt Timo Klack, Sprecher der Stadt Halle. Bisher, so Jens Schmidt gegenüber dem "Haller Kreisblatt", habe es keinerlei Probleme mit seinem Fahrgeschäft gegeben. Allerdings gab es nach HK-Informationen wohl schon in Steinhagen eine Woche zuvor einen kleineren Zwischenfall, der erst jetzt im Zuge des Haller Ereignisses an die Oberfläche kommt. "Am Samstagabend hat das Karussell nach dem Absenken etwa ein bis zwei Meter über dem Boden gestoppt", erzählt Steinhagens Bürgermeisterin Sarah Süß. Sie war selbst nicht Augenzeuge des Vorfalls, aber ihr wurde davon von verschiedenen Seiten berichtet. Der Zwischenstopp sei bei jeder Fahrt üblich gewesen, jedoch hätten sich die Gondeln dann nicht auf die unterste Stufe abgesenkt. "Die Fahrgäste wurden dann mit einer normalen Leiter aus den Gondeln geholt", sagt Süß. Als dramatisch hätten die Passagiere das nicht empfunden. Es sei nicht bekannt, ob dies ein Defekt oder nur ein Bedienungsfehler gewesen sei. Jedenfalls lief der Kettenflieger danach reibungslos bis zum Kirmesende weiter. In Aachen stand auch ein Kettenkarussell still Problemlos war der Aufritt des Fahrgeschäfts in Versmold am letzten Februarwochenende. "Auf Sünne Peider gab es keine Probleme bei dem Kettenflieger", bestätigt Stadtsprecherin Jennifer Wehmöller. Der Kreis Gütersloh habe als zuständige Behörde freitags vor der Eröffnung alle Groß- und Hochfahrgeschäfte kontrolliert. Ganz ähnliche Probleme wie nun in Halle hat es jedoch Ende April vergangenen Jahres auf dem Aachener Volksfest "Öcher Bend" gegeben, Damals hingen 24 Fahrgäste am späten Abend in 25 Metern Höhe fest. Sie mussten ebenfalls etwa eine Stunde warten, bis sie von der Feuerwehr mit Drehleitern wieder zu Boden gebracht wurden. Der Eigentümer dieses Karussells, Ad Ordelmann aus dem niederländischen Apeldoorn, sprach damals ebenfalls von einem technischen Problem. Demnach sei eine kleine Feder herausgesprungen, und dies habe die Funktionen blockiert. Sein Fahrgeschäft trägt übrigens den Namen Skyglider, stammt aus dem Jahr 2019 und ähnelt dem Kettenflieger sehr. Kein Wunder, schließlich ist der Hersteller auch hier die Firma AK Rides aus der Slowakei. "Eine Gebrauchsabnahme durch die zuständige Abteilung Bauordnung des Kreises Gütersloh in Bezug auf alle in Halle aufgestellten Fahrgeschäfte hat bereits bei den Vorveranstaltungen in Versmold und Steinhagen stattgefunden, wo dieselben Fahrgeschäfte bereits aufgebaut waren", erklärt Stadtsprecher Timo Klack. Eine Abnahme mit Sichtkontrolle zur Beurteilung der Gegebenheiten vor Ort, die für den Defekt aber auch nicht relevant seien, habe vor Ort nicht mehr stattgefunden. Es habe jedoch am Donnerstagabend eine sicherheitstechnische Begehung durch Vertreter von Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt stattgefunden, bei der es keine Beanstandungen gegeben habe. Weitere Prüfungen hätten den Vorfall nicht verhindert Eine erste Überprüfung des Vorfalls habe ergeben, dass ein Steckenbleiben des Fahrgeschäfts, da dies technisch bedingt war, durch weitere vorherige behördliche Prüfungen oder Maßnahmen nicht zu verhindern gewesen wäre. &bdquo;Zum Glück ist bei diesem Vorfall niemand körperlich zu Schaden gekommen. Mein Dank gilt den Rettungskräften, die bei diesem ungewöhnlichen Notfall schnell, professionell und umsichtig gehandelt haben. Und mein Mitgefühl gilt den Menschen, die in großer Höhe bei Kälte ausharren mussten und sicherlich einige Ängste ausstehen mussten", sagt Bürgermeister Thomas Tappe. Alle Personen, die für das Kettenkarussell bereits Fahrkarten gekauft haben, können sich diese ab Dienstag, 14. März, im Rathaus der Stadt Halle gegen Vorlage erstatten lassen. Die Stadt wird die Kosten dann dem Schausteller in Rechnung stellen. Karusselleigentümer Jens Schmidt bestätigt diese Einigung mit der Stadt gegenüber dem "Haller Kreisblatt". Höhenretter standen bereit Die Betroffenen werden mit der Ausnahmesituation womöglich aber noch etwas zu tun haben. Das schätzt Dr. Ralf Stroop, Ehrenvorsitzender des Teams Mobile Retter. Er traf am Samstagnachmittag noch vor Polizei, Feuerwehr und Ordnungsamt am Lindenplatz ein, um als Leitender Notarzt zu agieren. Die erste Aufgabe des Haller Neurochirurgs: Lageerkundung. Ralf Stroop organisierte als erstes die kurzfristige Sperrung der Langen Straße, damit die Rettungskräfte schnell zur Bahnhofstraße durchkamen. "Nach meinem Eindruck war die Feuerwehr sehr schnell vor Ort", bilanzierte der Mediziner. "Nachdem die Schausteller um 16.38 Uhr Hilfe angefordert hatten, war die Drehleiter aus Halle bereits um 17.15 Uhr an der ersten Gondel und die zweite Drehleiter aus Versmold traf schon ein." Zum Glück reichten die 22 Meter langen Leitern aus, um die Gondeln des "Kettenfliegers" zu erreichen. Für den Fall, dass sie zu kurz gewesen wären, standen jedoch schon die Höhenretter bereit. "Notfalls wären sie hochgeklettert und hätten die Fahrgäste einzeln abgeseilt", berichtet Ralf Stroop weiter, der die überwiegend jungen Patientinnen und Patienten im Wärmezelt später medizinisch in Augenschein nahm. "Im wärmsten Moment wurden in Halle an dem Samstag vier Grad erreicht, außerdem war es in 22 Metern Höhe recht windig", resümiert er die Umstände. "Da waren die Fahrgäste schon ordentlich durchgefroren, und ich würde mich jetzt nicht wundern, wenn der eine oder andere eine Erkältung davonträgt." Grundsätzlich schätzte er alle Fahrgäste nur als "leicht betroffen" ein, sodass kein Klinikaufenthalt erforderlich wurde. Wobei neben der Auskühlung auch Angst und Panik Thema waren. "Dass Erlebnisse wie am Samstag nachbearbeitet werden müssen und es zu einem Flashback kommt, ist ganz natürlich", erklärte Dr. Ralf Stroop. "Das kann auch noch Tage später der Fall sein und ist wichtig, um das Erlebte aufzuarbeiten." Sollte sich das auch nach vier bis sechs Wochen nicht gelegt haben, rät er indes dazu, sich professionelle Hilfe zu holen. Vorfall trübt nicht die Shoppinglust Trotz der dramatischen Ereignisse am Samstagnachmittag verlief der verkaufsoffen Sonntag sehr gut. "Es war wirklich sehr zufriedenstellend", bestätigt HIW-Vorsitzender Dieter Büsselberg. Die Geschäfte seien teilweise sehr gut gefüllt gewesen, die Einzelhändler hätten sich ihm gegenüber sehr positiv geäußert. "Das eher schlechte Wetter hat vielleicht sogar dazu beigetragen, dass die Menschen gerne in den Geschäften sind", denkt sich Büsselberg. In jedem Fall habe sich niemand von den Ereignissen tags zuvor vom Besuch der Innenstadt abhalten lassen. Auch der Kirmesbetrieb sei trotz des Ausfalls des Fahrgeschäfts gut weitergelaufen.

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