Im Lkw bis an die Kriegsgrenze: Haller Unternehmer macht waghalsigen Trip

Halle. Als sich Hans-Joachim Weber-Ebel am Sonntagabend in seinen mit Sachspenden vollgepackten Lastwagen setzt, fährt ein mulmiges Gefühl mit. Eigentlich ist der selbstständige Transportunternehmer mit seinen drei Fahrzeugen nur in OWL unterwegs, nun aber liegen pro Weg 1.200 Kilometer vor ihm. &bdquo;Maximal ging es bisher bis nach Berlin", sagt Weber-Ebel. Diesmal ist die ostpolnische Stadt Chelm sein Ziel, gerade einmal 20 Kilometer von der ukrainisch-polnischen Grenze entfernt. Seine Frau sei anfangs wenig begeistert davon gewesen, aber Weber-Ebel will helfen. &bdquo;Wir müssen was machen", sagt der Haller. Lesen Sie auch: "Jemand muss Putin stoppen": 25-Jährige bangt um ihre Oma im Krieg |HK+ Zudem sei er persönlich motiviert und weiß, wie sehr Bomben Beziehungen unwiderruflich zertrennen. Der Zweite Weltkrieg hat einen kompletten Zweig seines Familienstammbaums weggerissen. &bdquo;Die gesamte Familie meines Vaters ist bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen", sagt Weber-Ebel. Schicksale, die sich nun vielfach wiederholen könnten. An seiner Zugmaschine hängt während der Tour ein Auflieger der Spedition MW1 Group aus Lage, die zum Kundenkreis des Hallers gehört. Geladen hat er 45 Paletten voller Sachspenden, die über Aufrufe der Spedition über Soziale Netzwerke zusammengetragen wurden. &bdquo;Der Wagen war bis unters Dach voll", sagt Weber-Ebel. Als er gefragt wurde, ob er die Tour übernehmen würde, zögerte er nicht lange. Er klärte zunächst einige Dinge, stellte bei den polnischen und deutschen Behörden Anträge auf Mautfreiheit aufgrund eines Hilfsguttransports. In Polen kein Problem, da genügt eine E-Mail. &bdquo;Bei uns in Deutschland sieht das natürlich anders aus", sagt Weber-Ebel. Nach dem Ausfüllen eines sechsseitigen Dokuments mussten noch die Ladeliste und eine Kopie des Fahrzeugscheins eingereicht werden. Alles, was Räder hat, ist nahe der Grenze unterwegs &bdquo;Innerhalb von nicht einmal drei Tagen musste ich alles organisieren", sagt der Haller. Es gelang ihm, und die Tour konnte beginnen. Ihre letzten 60 Kilometer führten dabei über eine einspurige Straße. &bdquo;Da war richtig viel Verkehr, es sind wirklich einige Fahrzeuge unterwegs", sagt Weber-Ebel. Er habe sehr viele Reisebusse gesehen, die geflüchtete Ukrainer über die Grenze brachten. &bdquo;Da wird alles aktiviert, was Räder hat, um die Menschen von den Grenzen wegzuholen", sagt der Transportunternehmer. So mancher von ihm entdeckter Bus sei museumsreif gewesen. Auch viele Privatfahrzeuge mit ukrainischem Kennzeichen brachten Menschen in Sicherheit. Lesen Sie auch: Spontane Fahrt nach Berlin: Haller holt ukrainische Familie ab |HK+ Am Montagabend gegen 18 Uhr erreichte der Haller das geplante Ziel in Chelm. Dort wurden die Paletten auf einen ukrainischen Lkw umgeladen. &bdquo;Die Ukrainer sind dann mit dem Lkw etwa 40 bis 50 Kilometer ins Landesinnere gefahren. Zu einem Bahnhof in der Nähe von Lwiw, wo dann die Kartons in Eisenbahnwaggons geladen wurden", erklärt Weber-Ebel. Das Ziel sei schließlich die in Trümmern liegenden Millionenstadt Charkiw gewesen. Nur wenige Kilometer vom Ort der Attacke entfernt &bdquo;Glücklicherweise habe ich in Polen noch ein Zimmer bekommen und konnte vor der Rückfahrt etwas schlafen", sagt Weber-Ebel. Die Möglichkeit, im Lkw zu übernachten, hätte er angesichts von Temperaturen von minus neun Grad Celsius in der Nacht nur im Notfall nutzen wollen. Erschöpft sank der Haller Unternehmer ins Bett, und dennoch schlief er unruhig. &bdquo;Ich war ja nur wenige Kilometer von dem Ort entfernt, der einen Tag zuvor angegriffen wurde", sagt Weber-Ebel. Gemeint ist der Militärstützpunkt Jaworiw, der rund 15 Kilometer hinter der polnischen Grenze liegt. Bei dem Raketenangriff starben nach offiziellen Angaben mindestens 35 Menschen, 134 wurden verletzt. An den Brücken hängen ukrainische Flaggen Auf dem Rückweg nach Ostwestfalen entdeckte der Haller ganz besondere Zeichen der Solidarität. &bdquo;Auf der vierspurigen Straße hingen an allen Brücken ukrainische Flagge mit Text." Was die kyrillischen Schriftzeichen ausdrücken, kann er nicht sagen. Es dürfte sich um Begrüßungstexte für die ankommenden Geflüchteten handeln. Lesen Sie auch: Alle packen mit an: Große Spendenbereitschaft für Ukraine im Altkreis Halle Am späten Dienstagabend war Weber-Ebel schließlich wieder zurück in Halle. &bdquo;Es hat alles gut geklappt, aber es war schon anstrengend. Es fühlt sich ein bisschen an wie Jetlag", sagt der Unternehmer. Die Kosten für die 500 Liter Diesel, die er für die Strecke benötigt hat, übernimmt die Spedition aus Lage. Ebenso die Auslagen, die Weber-Ebel während seiner Hilfstour hatte. Er selbst hat als eigenständiger Unternehmer Zeit und Umsatzverzicht investiert. Und natürlich eine große Portion Mut und Engagement. &bdquo;Ich würde es wieder machen", sagt Weber-Ebel. Es sei &bdquo;ein harter Ritt" gewesen, aber mit etwas mehr Vorlaufzeit und vielleicht einem zweiten Fahrer wäre er wieder mit dabei.

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