Apotheken dürfen gegen Grippe impfen - doch im Altkreis macht keine mit

Altkreis Halle. Ende September hat die Krankenkasse AOK Nordwest in Kooperation mit dem Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) ein Modellprojekt in Westfalen-Lippe gestartet. In rund 700 Apotheken der Region werden demnach Grippeschutzimpfungen angeboten. Zur Modellregion gehört unter anderem auch der gesamte Regierungsbezirk Detmold. Gemeinsames Ziel von AOK und AVWL sei es, die Durchimpfungsrate der Bevölkerung in Westfalen-Lippe weiter zu steigern, heißt es in einer Presseerklärung der AOK Nordwest. Denn nach Angaben der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut seien nur 35 Prozent der Risikogruppe der über 60-Jährigen gegen Influenza geimpft. &bdquo;Ausreichenden Impfstoff statt impfende Apotheker" Während AVWL-Vorstandschef Dr. Klaus Michels, erklärt: &bdquo;Wir freuen uns, dass wir nun in den Apotheken einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Impfquote leisten dürfen", sieht die Kassenärzliche Vereinigung (KVWL) das Projekt kritisch. &bdquo;Statt impfende Apotheker brauchen wir Ärzte ausreichend Impfstoff", betonen die Vorstandsmitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung. &bdquo;Die niedergelassenen Ärzte in Westfalen-Lippe haben in der letzten Grippesaison 2,04 Millionen Menschen und damit eine halbe Million mehr geimpft als in den Vorjahren. Impfen ist ärztliche Kernkompetenz", heißt es weiter. Die Patienten bräuchten nach Überzeugung des KVWL-Vorstands nicht mehr niederschwellige Impfangebote, denn diese seien ausreichend vorhanden – anders als der Grippeimpfstoff. Nach einer Liste des AVWL nehmen im Kreis Gütersloh 16 der 74 Apotheken an diesem Modellprojekt teil. Eine Apotheke aus dem Altkreis ist nicht darunter. Auch Hubert Pleye von der Hubertus Apotheke in Halle steht der Grippeschutzimpfung in Apotheken skeptisch gegenüber. Und das nicht nur, weil es schwierig sei, entsprechende Räumlichkeiten einzurichten: &bdquo;Ich persönlich halte es für eine Sache der Ärzte", erklärt er. Für diese bringe das Impfen in Apotheken zudem logistische Probleme mit sich. &bdquo;Sie müssen aufgrund der Erfahrungen der Vorjahre bereits früh die entsprechende Menge an Impfstoff bestellen. Wenn sich nun viele der Patienten in Apotheken impfen lassen, bleiben sie auf dem Impfstoff sitzen", sagt Pleye. &bdquo;Warum soll ich den Ärzten die Patienten wegnehmen?" Ähnlich sieht es Michael Preußer, Filialleiter der Apotheke am Markt in Steinhagen. &bdquo;Wir haben hier so viele Ärzte, die gegen Grippe impfen. Warum soll ich denen die Patienten wegnehmen und damit für Unmut im Dorf sorgen?", fragt er. Neben den angesprochenen Hürden, die räumliche Anforderungen stellen, nennt er weitere Gründe, die dazu geführt haben, dass auch die Apotheke am Markt sich nicht am Modellprojekt beteiligt: &bdquo;Wenn wir gegen Grippe impfen wollen, müssen laut Infektionsschutzgesetz alle Mitarbeitenden gegen Masern geimpft sein", erklärt er. Das sei noch einzuhalten. Problematischer allerdings sei die Bedingung, dass alle Beschäftigte sich auch gegen Grippe impfen lassen müssen. &bdquo;Das ist natürlich eine individuelle Entscheidung, zu der ein Arbeitgeber niemanden verpflichten kann", so Preußer. Auch in der Lindenapotheke und der Hansa-Apotheke in Halle hat man sich dagegen entschieden, die Grippeschutzimpfung durchzuführen. &bdquo;Wir haben es bewusst nicht gemacht, weil wir nicht in Konkurrenz mit den Ärzten treten wollen", sagt Dr. Anne Wiebke Baltrusch. Sie findet, das Konzept sei bislang noch nicht ausgereift und will daher die Entwicklung zunächst beobachten. Für Edeltraud Schlüter, von der Haller Herz Apotheke ist die Sache klar. &bdquo;Impfungen gehören in die Hand des Arztes", sagt sie und fügt hinzu. &bdquo;Wenn Impfkomplikationen auftreten, können sie besser reagieren." Nach intensiver Überlegung sei man deshalb zu der Entscheidung gekommen, sich auf die ureigenste Aufgabe zu konzentrieren. &bdquo;Und das ist die pharmazeutische Betreuung", sagt Edeltraud Schlüter. Auch Michael Faber, Inhaber der Sonnen-Apotheke in Werther, will keine Konkurrenz zu den Ärzten entstehen lassen. Außerdem habe man weder die personellen noch logistischen oder räumlichen Kapazitäten für ein solches Impfangebot. Die Hindernisse stecken dabei im Detail. So müsse beispielsweise zunächst geklärt werden, ob die Betriebshaftpflichtversicherung mögliche Schäden durch Impfungen decke. Einer von vielen Kostenfaktoren. Dass sich derzeit nur AOK-Patienten in den teilnehmenden Apotheken impfen lassen können, stellt eine Rentabilität der nötigen Investitionen zumindest in Frage. &bdquo;Impfen, damit Krankenhäuser nicht belastet werden" Während im Altkreis die Haltung abwartend bis skeptisch ist, haben sich im Südkreis einige Apotheken entschieden, Grippeschutzimpfungen anzubieten. So auch in der Nord-Apotheke in Gütersloh. &bdquo;Wir wollen den Ärzten nicht ihre Patienten wegnehmen. Unser Angebot ist für Menschen gedacht, die vielleicht keinen Hausarzt haben oder schwer unterzubringen sind", sagt Inhaberin Claudia Scherrer. Sie fürchtet, dass aufgrund der Lockdowns bei vielen Menschen das Immunsystem unterfordert war. &bdquo;Die natürliche Abwehr ist sehr schwach. Erkältungen führen jetzt häufiger zu Fieber und starkem Husten", sagt Scherrer. Ihr sei es wichtig, dass sich viele Menschen gegen die Grippe impfen lassen, damit die Krankenhäuser nicht noch mehr belastet werden.

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