Kita-Leiterin schreibt Buch über Geschwister von behinderten Kindern

Rebecca Knecht hat im vergangenen Jahr die Leitung der Herz-Jesu-Kita übernommen und ein besonderes Buch mitgebracht. Das hat sie selbst geschrieben und es beleuchtet ein Thema, das in der Arbeit mit Kindern bislang viel zu kurz kam.

Rebecca Knecht hat ein Kinderbuch über die Geschwister Emma und Andreas geschrieben. Andreas wird Anders genannt, er ist geistig behindert und damit "anders" als seine Schwester und die anderen Kinder. | © Rolf Uhlemeier

26.03.2021 | 26.03.2021, 18:00

Halle. „Ich habe lange nach Literatur gesucht", sagt Rebecca Knecht und lächelt: „Es gab einfach keine und da habe ich überlegt, wie ich das Problem lösen kann." Im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit an der katholischen Hochschule in Köln hat sich die Leiterin der Haller Herz-Jesu-Kita mit dem Thema „Risiken und Chancen von Geschwistern behinderter Kinder" beschäftigt. Und weil es entsprechende Quellen nicht gab, hat sie selbst ein Buch dazu geschrieben: „Ich habe überlegt, wie man das Thema im Alltag am besten mit Kindern umsetzen kann", sagt die 26-Jährige. Und so entstand die Idee, ein Kinderbuch zu verfassen, die Geschichte von Emma und Anders zu erzählen, der eigentlich Andreas heißt.

Nach drei Wochen stand der Plan für die Zukunft fest

Autobiografisch ist sie nicht, die Geschichte der Geschwisterkinder. „Aber in den Text sind viele Erfahrungen von mir eingeflossen", sagt Rebecca Knecht. Sie ist mit einer behinderten Schwester aufgewachsen, und dass hat sie sehr geprägt. Früh hat sie sich in Hückeswagen im Rehabilitations- und Behindertensportverein engagiert. Zunächst als Helferin in der Gruppe ihrer Schwester, später dann als eigenständige Übungsleiterin. Ähnlich schnell hat Rebecca Knecht auch zu ihrer beruflichen Profession gefunden. Ihr Realschulpraktikum absolvierte sie 2009 in der Integrationsgruppe einer AWO-Kita: „Nach drei Wochen war klar, ich werde Erzieherin – da stand mein Plan für die Zukunft fest."

Nach dem Realschulabschluss und dem anschließenden Fachabitur für Sozial- und Gesundheitswesen absolvierte Rebecca Knecht eine Erzieherausbildung in Bergisch Gladbach. Im Anschluss an das Anerkennungsjahr in einer Kita in ihrer Heimatstadt engagierte sie sich in der Einzelbetreuung für Kinder mit Behinderung und studierte parallel „Bildung und Erziehung im Kindesalter" in Köln. Nach dem Abschluss arbeitete sie zunächst in der Einzelfallhilfe in zwei Kitas und bekam dann das Angebot, an ihrer ehemaligen Hochschule zu arbeiten. Rebecca Knecht erhielt einen Vertrag für zwei Jahre, ergriff aber nach einem Jahr die Chance, die Leitung der Herz-Jesu-Kita in Halle zu übernehmen: „Die Arbeit im Büro hat mir gefallen, aber den Kontakt zu den Kindern habe ich schon vermisst." Den hat die junge Kita-Leiterin nun. Mitgebracht in die Lindenstadt hat sie neben ihrer Begeisterung für die Arbeit mit gesunden und behinderten Kindern auch ihr Buch mit der Geschichte von Emma und Anders, und es ist ein sehr besonderes Buch.

Eine Geschichte, erzählt aus den Perspektiven von Emma und von Anders, der eigentlich Andreas heißt. - © Rolf Uhlemeier
Eine Geschichte, erzählt aus den Perspektiven von Emma und von Anders, der eigentlich Andreas heißt. (© Rolf Uhlemeier)

„Da braucht man nicht viele Worte"

„Man muss beim Buchdruck viel beachten", sagt die Autorin: „Ich habe lange gebraucht, bis ich das richtige Format gefunden haben." Eine Spiralbindung erwies sich als ungeeignet für Kinder, und für ein gebundenes Buch brauchte sie 40 Seiten. „Doch so lang war meine Geschichte nicht", sagt die Erzieherin. Die Lösung waren Bilder zum Ausmalen in der Mitte des Buches – dort, wo sich die Geschichten aus der Sicht von Emma und von Anders treffen.

Das Besondere an dem Buch sind die unterschiedlichen Sichtweisen der Kinder, die Art, wie sie die Behinderung von Anders wahrnehmen. Er muss oft zum Arzt oder ins Krankenhaus und das macht Emma traurig, doch für Anders ist es nicht so schlimm. Er stellt sich dann vor, dass er in einem Raumschiff ist, wie in seinem Buch. Getragen wird die Geschichte von wundervollen Bildern, die die Hamburger Künstlerin Gabriele Merl gezeichnet hat. „Ich habe das Buch in der U 3-Gruppe eingesetzt", sagt Rebecca Knecht und ergänzt: „Die Bilder vermitteln die Emotionen – da braucht man nicht viele Worte." Sehr geholfen hat der Autorin Monika Lasen, die sie als Lektorin unterstützt hat und ihr wertvolle Tipps geben konnte.

„Ich möchte, dass das Buch gelesen wird"

Reich wird Rebecca Knecht mit ihrem Erstlingswerk sicher nicht. Abhängig davon, wo das Buch gekauft wird, bekommt sie zwischen 30 und 70 Cent für ein Exemplar: „Mit dem Preis hätte ich auch höher gehen können. Das wollte ich aber nicht, weil ich möchte, dass das Buch gelesen wird. Meinen Lebensunterhalt muss ich damit ja nicht bestreiten", erklärt sie.

Parallel zu ihrer Arbeit in der Herz-Jesu-Kita hat Rebecca Knecht im vergangenen Jahr den Masterstudiengang der katholischen Hochschule NRW im benachbarten Münster begonnen. Im August 2022 steht der Abschluss auf dem Programm und danach vielleicht ein neues Buchprojekt: „Es gibt so viele Themen, die für Kinder nicht gut aufgearbeitet sind und auch für Eltern ein guter Einstieg sein könnten", sagt die Autorin. Man darf also gespannt sein.