HalleKeine Schwimmkurse dank Corona: „Zahl der tödlichen Badeunfälle wird steigen“

Seit knapp einem Jahr werden keine Anfänger-Schwimmkurse mehr angeboten. Viele Kinder haben dadurch keine Gelegenheit sich auf die Gefahren, die im Freibad, am See oder am Meer drohen, vorzubereiten. Die DLRG blickt mit Sorge auf den Sommer.

Heiko Kaiser

Mit einem Anfängerbrett lernt dieses Mädchen die richtigen Schwimmtechniken. Doch aufgrund der Corona-Pandemie sind in den vergangenen Monaten zahlreiche Kurse ausgefallen. Mit womöglich ernstzunehmenden Folgen. - © Symbolbild Jan Haerer / CC0 Pixabay
Mit einem Anfängerbrett lernt dieses Mädchen die richtigen Schwimmtechniken. Doch aufgrund der Corona-Pandemie sind in den vergangenen Monaten zahlreiche Kurse ausgefallen. Mit womöglich ernstzunehmenden Folgen. © Symbolbild Jan Haerer / CC0 Pixabay

Halle. Eigentlich ist es nur eine Randnotiz. Eine von vielen, welche die Folgen von Lockdown und Kontaktverboten thematisieren. Doch das Problem könnte schon bald zu einer ernsthaften Gefahr werden. Hunderttausende von Kindern in Deutschland haben aufgrund von geschlossenen Frei- und Hallenbädern das Schwimmen nicht gelernt.

Kein Problem, werden Sie vielleicht sagen, dann holen die Kinder es eben später nach. Doch das ist nicht so einfach. „Schon vor dem Lockdown hatten wir Wartezeiten für die Anfängerkurse von mehr als einem Jahr", berichtet Dr. Heike Schiller, Vorsitzende des DLRG-Ortsvereins Steinhagen. Ihr Haller Kollege Manuel Schwager spricht sogar von 18 Monaten. Wer heute also sein Kind zum Seepferdchen-Lehrgang anmelden will, der muss damit rechnen, dass er vor Sommer 2023 nicht an die Reihe kommt.

„Ein ganzer Jahrgang hat nicht Schwimmen gelernt"

„Ein ganzer Jahrgang hat nicht Schwimmen gelernt", sagt David Frank, der im Parkbad Versmold die Schwimmkurse leitet. Auch dort, so Frank, sei die Liste derjenigen lang, die auf einen Schwimmkurs warten. „Im vergangenen Jahr haben bei uns 40 Kinder das Schwimmen gelernt. Normalerweise sind es aber 200", rechnet er vor. 2021 werden zumindest in den ersten Monaten keine Seepferdchenträger*innen hinzukommen.

Wie viele Kinder dadurch in Deutschland nicht Schwimmen lernen, darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen. Achim Wiese, Sprecher des DLRG-Bundesverbandes, wagt dennoch eine Schätzung. „Bis zu einer Million Kinder könnten es sein", sagt er. Die Zahl sei zwar sehr hoch gegriffen, gibt er zu, doch: Allein bei der DLRG lernen in Deutschland jedes Jahr 100.000 Kinder das Schwimmen." Hinzu kommen Sportvereine, private Anbieter und nicht zuletzt die Schulen.

Düsteres Bild für die Zukunft

„Durch den Ausfall während des ersten und zweiten Lockdowns konnten mindestens sechs Kurse mit jeweils bis zu 15 Teilnehmer*innen die Seepferdchen-Ausbildung nicht abschließen", sagt Manuel Schwager, Vorsitzender des DLRG-Ortsvereins Halle. Ebenso tragisch aber sei der Ausfall der weiterführenden Kurse, insbesondere des Kurses „Sicher Schwimmen", in dem die erlernten Fähigkeiten vertieft und verfestigt werden. „Nach der Seepferchenausbildung trainieren die Kinder in wöchentlichen Schwimmgruppen. Hier betreuen wir zusätzlich etwa 150 bis 200 Kinder wöchentlich", sagt Manuel Schwager.

Für die nächsten Jahre zeichnet er ein düsteres Bild: „Durch die größere Anzahl von Nichtschwimmern ist davon auszugehen, dass die Zahl der tödlichen Badeunfälle steigen wird. Denn ausgefallene Kurse können aus personellen und räumlichen Gründen nicht einfach nachgeholt werden."

DLRG würde gerne mehr Kurse anbieten

In die gleiche Richtung zielt der Blick von Heike Schiller. „Ich habe ein bisschen Angst vor dem Sommer, wenn alle wieder ins Freibad oder an den See gehen, und dann so viele Kinder nicht für die Gefahren gewappnet sind." Die DLRG in Steinhagen würde daher gerne zusätzliche Kurse anbieten. Derzeit aber habe man nur am Freitagabend eine Schwimmzeit im Hallenbad. Eine zweite wäre der Wunsch. „Doch wir müssen uns das Schwimmbad natürlich mit anderen Vereinen teilen", sagt sie.

Dahin zielen Forderungen des DLRG-Bundesverbands. „Die Schwimmausbildung der DLRG und der Schulen müsse bevorzugt bei der Schwimmzeitvergabe berücksichtig werden", sagt deren Sprecher Achim Wiese. Dabei gelte es Termine bereitzustellen, die deutlich vor 20 Uhr liegen, damit Eltern und ihre Kinder sie auch nutzen können. Zudem sollen Kommunen in Kooperation mit den Schulen die Schwimmausbildung fördern.

Was können Eltern tun?

Und was können die Eltern tun, solange die Schwimmbäder geschlossen sind? „Man kann kleinere Kinder spielerisch an das Wasser gewöhnen", sagt Wiese. „Wobei sie beispielsweise lernen, den Kopf unter Wasser zu halten, dort die Augen zu öffnen oder unter Wasser die Luft auszupusten", erklärt er. Schwimmen lernen könne man in der Badewanne indes nicht, gibt Wiese zu. Deshalb komme im kommenden Sommer auf die Eltern eine ganz besondere Verantwortung zu. Damit der Nichtschwimmerstatus tatsächlich eine Randnotiz bleibt.

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