Frau aus Florida sucht in Halle den Hof des Ur-Ur-Ur-Großvaters ihres Mannes

Die in Florida lebende Renate Ellerbrake sucht den Hof des 1859 nach Missouri ausgewanderten Ur-Ur-Ur-Großvaters ihres Mannes. Einen Tag lang besucht die gebürtige Wiesbadenerin die Lindenstadt. Sie hat nur einen Hinweis auf den Ort

Renate Ellerbrake | © Uwe Pollmeier

Uwe Pollmeier
24.09.2019 | 24.09.2019, 19:00

Halle. Als Henry Ellerbrake Anfang 1859 im Alter von 36 Jahren Halle verließ, hieß er vermutlich noch Heinrich. Sein Ziel waren die USA und weil dort Umlaute oder ein »ch« schnell zu Zungenbrechern werden, verpasste sich der Landwirt aus der preußischen Provinz Westfalen kurzerhand den Vornamen Henry. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Friederike (33) und den Kindern Wilhelm (7), Friederich (4) und Henry (Neun Monate) wanderte der Haller in die Vereinigten Staaten aus. So viel verrät zumindest die 75 Personen umfassende Passagierliste der Bremerhaven, die am 23. April 1859 mit Kapitän C. Hilken den norddeutschen Hafen verließ, um am 2. Juni in New York anzukommen.

Hanf-Weberei ist der einzige Hinweis

Genau 160 Jahre danach hat sich nun Renate Ellerbrake, Ehefrau des Ur-Ur-Ur-Enkels von Henry auf die Spuren der Auswanderergenerationen gemacht. Die gebürtige Wiesbadenerin hat einen Besuch bei ihrer Mutter in Koblenz genutzt, um selbst in Halle nachzuschauen, ob sie vielleicht noch das Wohnhaus von Henry und Friederike Ellerbrake wiederfindet. „Ich habe vorab schon viele Hinweise über Facebook erhalten, aber leider habe ich das damalige Wohnhaus nicht gefunden", sagt Renate Ellerbrake, als sie während ihres Tagesausflugs nach Halle kurz in der Redaktion des Haller Kreisblatts vorbeischaut.

„Die Ellerbrakes sind eine große, verzweigte Familie", sagt Historikerin Dr. Katja Kosubek. Ein Teil sei um 1890 von Künsebeck nach Eggeberg gezogen sind, ein anderer Teil habe seine Wurzeln an der Nordstraße in Ascheloh, unweit der Stadtgrenze zu Werther. Renate Ellerbrake selbst, die für den Deutschlandbesuch die Hälfte ihres gerade mal zweiwöchigen Jahresurlaubs geopfert hat, weiß von ihrem Mann Jeff Brian Ellerbrake, der sie bei der Spurensuche nicht begleiten konnte, dass der Hof der Ellerbrakes Mitte des 19. Jahrhunderts unweit einer Hanf-Weberei gelegen haben muss.

Die Spur Richtung Eggeberg dürfte sich jedoch schon aufgelöst haben, da sich der aktuelle Bewohner des dortigen Hofes, Stefan Ellerbrake, bereits via Facebook gemeldet hat: „Soweit ich das beurteilen kann, ist aus meiner näheren Verwandtschaft niemand in die USA ausgewandert. Der Name Ellerbrake findet sich aber neben Halle und Werther auch in Osnabrück und Bielefeld", sagt Ellerbrake. Die heute in Florida lebende Renate Ellerbrake hat selbst auch einen Hof in Steinhagen ausgemacht und dort einfach mal unangemeldet an der Tür geklingelt. „Ein netter Herr hat aufgemacht und wir haben uns unterhalten", sagt Ellerbrake. Dabei sei aber herausgekommen, dass die Ellerbrakes erst seit 1880 auf diesem Hof leben, also erst 20 Jahre nachdem Henry und Friederike ausgewandert waren.

Deutsche Staatsbürgerschaft behalten

Zwischen 1850 und 1930 immigrierten fünf Millionen Deutsche in die USA. Ziel war zunehmend der wirtschaftlich aufstrebenden Mittleren Westen, auch die Ellerbrakes fanden im Bundesstaat Missouri eine neue Heimat. Renate Ellerbrake hat bis heute ihre deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, denn im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist bekanntlich nicht alles so toll, wie oftmals vermutet. Wer hier krank wird, kann von Lohnfortzahlungen nur träumen. Also geht er arbeiten, egal wie der körperliche Zustand ist. „Sie glauben gar nicht, wie viele Kollegen mit Gipsarm rumlaufen", sagt Ellerbrake. Im Notfall könnte sie jederzeit zurück nach Deutschland, jedoch plane sie es eigentlich nicht.

Zunächst hofft sie, dass sie noch weitere Hinweise zu den Vorfahren ihres Mannes erhält. Möglicherweise langen die Wurzeln der Ellerbrakes auch direkt im Zentrum von Halle. Schließlich produzierte im Zuge der Industrialisierung die Seilerei Hackmann (später Buskühl) am Lindenplatz Taue und Bindfäden aus Hanf. Ab 1861 unter Zuhilfenahme einer Dampfmaschine. Die Produktionshallen wuchsen dabei in Richtung Lotteberg. Ihre Firmenvilla wurde direkt am Lindenplatz gebaut, an ihrer Stelle findet sich heute die Zentrale der Volksbank Halle.