Gütersloh. Der letzte Zufallsfund liegt zwei Jahre zurück: Eigentlich sollte an der Sophienstraße Anfang März 2017 nur eine Fläche für einen Kita-Container geschottert werden, als der Baggerfahrer auf eine Weltkriegsbombe stieß. 70 Zentimeter lang und 50 Kilo schwer war die amerikanische Bombe des Typs GP 100 LB. Da das Grundstück nur oberflächlich bearbeitet werden sollte, hatte man auf die bei größeren Bauvorhaben übliche, vorherige Überprüfung des Geländes auf Bomben verzichtet. Zum Glück besaß der Sprengkörper keinen Zünder, war also ungefährlich.
Bei vielen Blindgängern, die seit Jahrzehnten im Erdreich schlummern, ist das jedoch nicht der Fall. Die Bielefelder Feuerwehr warnte Anfang vergangener Woche vor der wachsenden Gefahr, die 74 Jahre nach Kriegsende von ihnen ausgehe. Was aufhorchen lässt, ist die besondere Zielrichtung dieser Warnung: Auch bei kleineren Bauvorhaben wie Fahrradschuppen, Garage oder Karpfenteich, für die im jetzigen Baurecht keine Baugenehmigung und entsprechend keine Überprüfung des Geländes nötig ist, sollte man sich „unbedingt absichern" – denn auch dort, wo manch einer schon jahrzehntelang wohne, könnten noch explosive Überraschungen im Boden ruhen.
„Keiner kann sagen, wie viele Bomben tatsächlich hier runtergekommen sind"
Auch Gütersloh wurde im 2. Weltkrieg massiv von Fliegerbomben getroffen. Miele stellte damals Steuereinheiten für Torpedos der deutschen Kriegsmarine her und gehörte zu den vordringlichsten Zielen. Wenn sich an der Dalke einer mit dem Thema auskennt, dann der Gütersloher Zeitzeuge Rudolf Herrmann. Wie groß das Ausmaß der Bombardierung war, hat der 1930 geborene Zeitzeuge mit eigenen Augen gesehen und später dokumentiert. „Keiner kann sagen, wie viele Bomben tatsächlich hier runtergekommen sind, es ist unmöglich, eine Zahl zu nennen", sagt er. Sprengbomben, Brandbomben – und eben Blindgänger, die ihr Ziel verfehlten. Weil sie aus großer Höhe abgeworfen wurden, konnten einige Sekunden zu früh oder spät bedeuten, dass sie hunderte Meter neben ihrem eigentlichen Ziel aufschlugen und im Erdreich verschwanden. Dort ruhen sie bis heute und werden meistens erst geortet, wenn ein Bauantrag gestellt wird und das Routineverfahren seinen Lauf nimmt. „Die städtische Bauordnung meldet Bauvorhaben an den Fachbereich Ordnung, der in Gütersloh für das Thema zuständig ist. Es wird geprüft, ob Belastungen des Grundstückes bekannt sind oder eine Überprüfung schon mal stattgefunden hat. Bei Belastungen wird eine Luftbildauswertung beim Kampfmittelbeseitigungsdienst des Regierungsbezirks Arnsberg gestellt", erklärt Stadtsprecherin Susanne Zimmermann. Je nach Ergebnis entwickelten sich hieraus gegebenenfalls weitere Maßnahmen.
Das gleiche Verfahren gelte auch für Leitungsbau der Versorgungsunternehmen sowie den Straßen- und Kanalbau, so Zimmermann weiter. Bei der Frage nach einer Einschätzung der Gefährlichkeit im Boden liegender Sprengkörper verweist sie an die zuständige Behörde in Arnsberg.
„Viele Bomben wurden mit Langzeitzündern versehen, in denen chemische Prozesse ablaufen. Wenn die nicht beim Aufprall explodiert sind, muss man sehr vorsichtig sein", erklärt Christoph Söbbeler, Pressesprecher der Bezirksregierung Arnsberg. Grundsätzlich gebe es keine Gefahr, solange die Bombe nicht manipuliert oder bewegt wird – was wiederum voraussetzt, dass man vorher darum weiß. Und wenn nicht?
„Da sind schon die Baubehörden vor Ort aufgerufen, diese Probleme vor Augen zu haben", sagt Söbbeler. Wenn ein Flächennutzungsplan neu aufgestellt wird, könne man die Überprüfung des Geländes beispielsweise auch bei sogenannten Nebenanlagen, für die keine Baugenehmigung nötig ist, zur Auflage machen. Während diese Dienstleistung aus Arnsberg kostenfrei ist, müssen Antragssteller zurzeit jedoch viel Zeit einplanen: Wegen des allgemeinen Baubooms dauert das Verfahren zurzeit neun Wochen länger als üblich.