Hier kommt der Hofladen zum Kunden: Innovativer Wochenmarkt im Internet

Der Borgholzhausener Eike-Claudius Kramer ist Geschäftsführer von Wochenmarkt 24. Das Unternehmen liefert Lebensmittel regionaler Erzeuger zu den Verbrauchern und hat damit Erfolg. Das hat Gründe.

Es muss längst nicht alles Bio sein, was beim Wochenmarkt 24 angeboten wird. Aber regional hergestellt und verkauft von Menschen, die in der Nachbarschaft arbeiten. | © Thomas Schmitfranz

Andreas Großpietsch
01.03.2021 | 01.03.2021, 10:46

Borgholzhausen. Wäre Wochenmarkt 24 ein Start-Up wie viele andere, würde es vielleicht bald an ein großes Unternehmen verkauft, die Gründer würden reich – und wären raus. Doch davor schützt schon die Gesellschaftsform, denn die Online-Lebensmittelhändler sind eine Genossenschaft, die erst im Jahr 2018 gegründet worden ist. Mit dabei Eike-Claudius Kramer, Robert Tönnies und 14 regionale Erzeuger. Und ihr Ziel ist nicht kurzfristiger finanzieller Erfolg, sondern der Erhalt regionaler Vielfalt.

„Ein Unternehmen wie Storck produziert zwar auch in der Region, kann aber nicht dabei sein", erklärt Kramer den Ansatz, der sich aber ganz bewusst nicht auf den kleinen Biobauernhof von nebenan reduziert. Der größte Einzellieferant ist der ökologisch ausgerichtete Gütersloher Kiebitzhof, der kleinste ein Imker, der ein paar Gläser Honig vermarktet.

„Beide sind wichtig für unser Konzept", betont Eike-Claudius Kramer. Denn die Kunden schätzen auch die Vielfalt des Sortiments, zu dem jetzt schon 3.000 Artikel gehören. Und dieses Angebot ist ganz bewusst veränderlich gehalten. Denn natürlich kann nicht jede kurzfristige Bestellung zu jedem einzelnen Zeitpunkt lieferbar sein. „Es ist eben wie beim Wochenmarkt, wo der frische Salat irgendwann ausverkauft ist", sagt Kramer.

Viele fleißige Hände arbeiten in der Nacht

Die Erzeuger legen neben dem Verkaufspreis auch die mengenmäßigen Obergrenzen fest. Und verpflichten sich gleichzeitig, ihren Beitrag zu leisten, damit Wochenmarkt 24 sein grundlegendes Versprechen an die Verbraucher einhalten kann: „Was abends bis 18 Uhr bestellt ist, steht am nächsten Tag bis um 6 Uhr vor der Haustür", lautet das.

Damit das klappt, herrscht an sechs Tagen in der Woche abends ab 20 Uhr regsame Geschäftigkeit in und vor zwei schlichten Hallen in einem Gewerbegebiet in Ummeln. Die eine Halle ist gekauft, die andere gemietet – auch das ist ein kleines Indiz, wie dynamisch und erfolgreich das junge Unternehmen ist.

Bis zu 1.000 Endkunden

Einer nach dem anderen rollen die schlichten Transportbullis heran. Aus den Laderäumen werden vollgepackte rote Kisten auf ein Förderband gelegt. Die Frauen und Männer einige Meter weiter laden jedes Einzelteil aus diesen Kisten aus und verteilen es auf andere rote Kisten. Später wiederholt sich dieser Vorgang noch einmal. Der große Aufwand ist nötig, um bis zu 1.000 Endkunden ihre Wünsche zu erfüllen.

Das funktioniert wegen der unscheinbaren kleinen Aufkleber, die jede Tüte oder Flasche trägt. „Sobald der Kunde im Internet bestellt hat, erfährt es der Lieferant über sein Handy", sagt Kramer. Im Hofladen kann in diesem Augenblick begonnen werden, die bestellte Ware abzuwiegen und zu verpacken. Dann den kleinen Aufkleber drauf und fertig ist das Geschäft für den Produzenten. Denn die Abrechnung, Abholung und Verteilung an den Kunden übernimmt Wochenmarkt 24 – und kassiert dafür 20 Prozent vom Verkaufspreis.

Eike-Claudius Kramer mit der auch beim Wochenmarkt 24 sehr gefragten Landmilch aus Brockhagen. - © Andreas Großpietsch
Eike-Claudius Kramer mit der auch beim Wochenmarkt 24 sehr gefragten Landmilch aus Brockhagen. (© Andreas Großpietsch)

„Der stationäre Einzelhandel verlangt 30 Prozent", nennt Eike-Claudius Kramer einen sehr wichtigen Grund, warum inzwischen 100 Erzeuger mitmachen. Dazu gehören auch Bäcker und Fleischer. Die Kunden sollten möglichst den selben Preis bezahlen wie im Laden – und können sich die Fahrten von einem Erzeuger zum nächsten sparen.

Elektro-Transporter verringern den Lärm

Umweltbewusstsein spielt bei vielen der rund 10.000 Kunden im Bereich Bielefeld sowie den Kreisen Herford und Gütersloh eine wichtige Rolle. Und Wochenmarkt 24 will diesem Wunsch immer besser gerecht werden. So werden die Transportkisten aus Pappe zunehmend durch langlebige und vor allem per Akku gekühlte Leihkisten aus Styropor ersetzt, die von den Fahrern einfach ausgetauscht werden. Dabei werden auch Pfandbehälter wieder mitgenommen. Der nächtliche Bringdienst bemüht sich, nicht zu stören – und klingelt natürlich nie.

Erfolgreich verlaufen sind erste Versuche mit elektrisch betriebenen Transportern. Sie sollen künftig zum Standard werden. „Außerdem investieren wir gerade in Photovoltaikanlagen und wollen mit dem Strom die Autos laden", sagt Kramer. Die rollen in sechs Nächten pro Woche – nur nicht in der Nacht zu Montag.

Die Routen werden dabei von Computern optimiert, um Zeit und Energie zu sparen. Es sei besonders schwierig, neue Mitarbeiter zu gewinnen, sagt der Geschäftsführer – trotz Jobs im ersten Arbeitsmarkt und einer Bezahlung deutlich über dem Mindestlohn. Aber Nachtarbeit ist schon eine besondere Herausforderung.

An neuen Genossenschaften wird gearbeitet

Auch Eike Cramer ist immer wieder mal nachts vor Ort. Doch eigentlich hat er auch tagsüber genügend zu tun. Zum Beispiel mit der Expansion in seinem Heimatort, wo es viele interessante handwerklich arbeitende Produzenten gibt. „Aber noch liefern wir hier nicht", bittet Kramer um Verständnis.

Denn obwohl die Kapazitäten ständig vergrößert werden – mit der Nachfrage halten sie nicht Stand. Und das nicht nur in der Region: Ganz aktuell wird an der Gründung von neuen Genossenschaften nach den Wochenmarkt-24-Prinzipien in ganz Deutschland gearbeitet. Vier stehen derzeit in den Startlöchern und entwickeln gerade ihr jeweils ganz eigenes regionales Profil – denn das ist der wichtigste Unterschied zur Konkurrenz wie Amazon und Rewe, die in den Lebensmittelmarkt drängen.

www.wochenmarkt24.de