Borgholzhausen. „Keine Sorge, der zuckt nicht mehr", versucht sich Gastgeberin Heike O’Brien mit deftigem Humor an der Auflockerung in der Runde der Pferdefreunde, die heute zu Gast sind. „Du kannst ruhig richtig hinlangen", ermuntert Kati Jurth eine der Teilnehmerinnen, die zu Beginn eher zaghaft zu Werke ging. Beide liegen mit ihren Aussagen richtig, doch eine gewisse Scheu wird man den Teilnehmern des Hufkurses sicher nachsehen. Denn geübt wird hier am toten Objekt – frisch geliefert aus der Pferdeschlachterei.
Beim Pferdehuf hilft nur richtiges Werkzeug weiter
So wie Finger- und Fußnägel beim Menschen müssen auch Pferdehufe regelmäßig bearbeitet werden, damit sie nicht zu lang werden. Wie das richtig geht, zeigt Kati Jurth vom Hufschmiedebetrieb „Hufwerk" in Steinen auf dem Pferdehof von Heike und Desmond O’Brien in Borgholzhausen. Für zartbesaitete Menschen ist so ein Hufkurs sicherlich nichts – aber Alternativen kaum zu finden.
Denn beim Schneiden und Raspeln der Pferdehufe können gerade Anfänger viele Fehler machen. Die Nagelfeile aus dem Maniküreset hilft hier nicht weiter. Gröberes Gerät ist gefragt – und damit steigt das Verletzungsrisiko. Deshalb wird in der Regel zunächst nicht am lebenden Pferd geübt. Sondern an echten Hufen von geschlachteten Tieren, die samt Unterschenkel im handlichen Karton angeliefert werden.
In dem ganz alten Beruf wird viel zu wenig ausgebildet
Das Thema des Kurses ist keineswegs auf die leichte Schulter zu nehmen. Immer mehr Pferdebesitzer gehen dazu über, selbst an den Hufen ihrer Vierbeiner herumzuraspeln – wenn auch nicht unbedingt freiwillig. „Das Mindestlohngesetz sorgt dafür, dass viel zu wenig Hufschmiede nachwachsen", so Kati Jurth.
Ein Lehrling müsse in seiner Ausbildung ein Zwei-Jahres-Praktikum in Vollzeit bei einem Hufschmied absolvieren. „Und da muss jede Stunde mit dem Mindestlohn vergütet werden", so die Hufpflegeexpertin. Das könnten sich selbstständige Hufschmiede nicht leisten.
Wichtig zu wissen, worauf es beim Schneiden ankommt
Also legen viele Pferdebesitzer selbst Hand an – oft ohne das nötige Fachwissen, sagt die Fachfrau. „Jeder, der Pferde hält, sollte daher einen Hufkurs machen, bevor er sich an diese Arbeit macht", findet Kati Jurth. Es sei enorm wichtig zu wissen, wie die Füße des Pferdes aufgebaut seien und worauf es beim Hufeschneiden ankommt.
Schließlich müssen die Hufe zum Beispiel beim Springen über ein Hindernis oft mehr als eine Tonne Gewicht abfangen. Und auch, wer sich die Aufgabe am Ende trotzdem nicht zutraut, gewinnt bei einem solchen Kurs. „Durch das Basiswissen, das wir vermitteln, können Pferdebesitzer den Hufschmieden auch die richtigen Fragen stellen."
Jeder Huf ist anders
Zunächst üben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Pferdebeinen von geschlachteten Tieren, wie sie den Huf bearbeiten müssen und welches Werkzeug sich für welchen Schritt eignet. Wichtig zu wissen ist dabei, wie weit man die verschiedenen Bestandteile eines Hufes wie Strahl, Sohle, Eckstrebe oder Hufwand bearbeiten kann, ohne das Pferd zu verletzen.
Auch auf Anomalien des Hufes geht die Expertin ein. „Jeder Huf ist anders und das wird von der Anatomie des Pferdes vorgegeben", so Kati Jurth. Manche seien weich, andere hart, manche spröde, manche schief und manche gerade. Jeder Huf brauche seine individuelle Pflege, damit das Pferd auf ihm lange laufen kann.
Hufkrankheiten erfordern stets den Rat des Tierarztes
Wichtig sei auch zu berücksichtigen, wie das Tier von seinem Besitzer gehalten wird – ob es ein Freizeit- , ein Dressur- oder ein Springpferd ist. Falsch geschnittene Hufe können folgenschwer in die Gesundheit des Pferdes eingreifen und irreparable Schäden an Bändern, Sehnen, Knochen oder Gelenken der sensiblen Tiere nach sich ziehen.
Bekommt ein Pferd Hufeisen, muss in jedem Fall der Schmied ran. Ebenso bei verschiedenen Krankheiten wie Hufrehe oder Hufkrebs. „Da muss außerdem noch ein Tierarzt zu Rate gezogen werden, der dem Schmied gegenüber weisungsbefugt ist", so Kati Jurth. Für verschiede Fehlstellungen oder Anomalien gebe es orthopädische Beschläge, die eigens für das jeweilige Pferd angefertigt werden.
Am Ende wird am lebenden Objekt geübt
Nach den ersten Übungen am leblosen Pferdehuf geht es für die Teilnehmer die echten Vierbeiner auf dem Hof O’Brien. Hier dürfen sie erste Gehversuche in der Hufpflege am lebenden Tier machen – mit Argusaugen überwacht von der Expertin. Am Ende des Kurses wird es dann noch einmal richtig rustikal.
Das Übungsmaterial vom Anfang, die Körperteile aus dem Schlachthof, werden der Länge nach aufgeschnitten. Die kleine Anatomievorführung hat den Zweck, den künftigen Hufpflegerinnen und Hufpflegern zu zeigen, wie Sehnen und Bänder angeordnet sind und wie sie sich in der Bewegung verhalten. Das enge Zusammenspiel zwischen dem Huf als Stoßdämpfer und dem Bewegungsapparat des Pferdes werden dabei sehr augenscheinlich erklärt. Ein wichtige Sache, die man aber mögen muss. Das Glück der Erde hat eben seinen Preis.
                
                                    
                                    
                                    
                                    
