Piumer Traditionsunternehmen Westfalia Europe baut neues Werk im IBV

Das Borgholzhausener Traditionsunternehmen Westfalia Europe wird im Interkommunalen Gewerbegebiet Borgholzhausen-Versmold (IBV) ein neues Werk bauen. Ein zukunftsweisendes Technologiezentrum entsteht

Volle Auftragsbücher, zu wenig Platz: Westfalia produziert vollautomatische Lagersysteme – künftig im Interkommunalen Gewerbegebiet. | © WWW.NEUSCHAEFER-RUBE.DE

Marc Uthmann
27.11.2018 | 27.11.2018, 11:48

Borgholzhausen. Mit einem Lächeln schaut Andreas Gartemann in die Runde: „Das kommt nicht oft vor, dass wir zwei Bürgermeister bei uns zu Gast haben", sagt der Geschäftsführer von Westfalia Europe. Und auch, dass sich das Unternehmen öffentlich äußert, hat es Jahre nicht mehr gegeben. „Erst Leistung bringen, dann Marketing", scherzt der Chef – und haut im nächsten Moment spannende Neuigkeiten raus, als würde er in einer seiner Hallen im Akkord produzieren.

Die Standortfrage

Als Westfalia seine schwere Krise im Jahr 2015 überwunden und damit Planungssicherheit hatte, rückten längst nötige Investitionen wieder in den Fokus: „Wir haben überlegt, wo sich ein Standort langfristig entwickeln lässt", erinnert sich Andreas Gartemann. Es wurde diskutiert, sich im Logistikzentrum des Mutterkonzern Wortmann AG in Löhne anzusiedeln, ehe dieser 2016 das Gelände in Pium von Westfalia-Gründer Ulrich Upmeyer komplett kaufte. „Das sollte erst reichen. Dachten wir", sagt Gartemann, der das Unternehmen mit Gründersohn Matthias Upmeyer führt.

Alles zu eng

Vertragspartner: Andreas Gartemann, Versmolds Bürgermeister Michael Meyer-Hermann, Borgholzhausens Bürgermeister Dirk Speckmann und Matthias Upmeyer (von links). - © Marc Uthmann
Vertragspartner: Andreas Gartemann, Versmolds Bürgermeister Michael Meyer-Hermann, Borgholzhausens Bürgermeister Dirk Speckmann und Matthias Upmeyer (von links). (© Marc Uthmann)

Doch schnell stieß der gesundete Betrieb an seine Grenzen. Das Geschäft mit dem Schwesterunternehmen in York (USA) legte stark zu, die Auftragseingänge in Europa lagen weit über Plan. Westfalia hat sich auf automatische Lagersysteme spezialisiert und testet diese am Standort Borgholzhausen. Dafür braucht man Platz – zum Beispiel im von der B 68 gut zu sehenden Turm, der ein Hochregallager simuliert. „Mittlerweile stehen die Container mit Seefracht draußen auf einem Schotterparkplatz, und wenn sich ein Auftrag verzögert, haben wir in den Hallen Stau. Die Fahrzeuge ragen mitunter aus der Tür hinaus", berichtet Andreas Gartmann über die neuen Nöte. Dank der Investitionskraft von Siegbert Wortmann, Chef der Wortmann AG, fiel die Entscheidung: Ein neues Werk wird gebaut. Und dafür zog Westfalia seine Option im IBV.

Tetris mit Autos

Ein Wachstumstreiber ist das Geschäft mit vollautomatischen Parkhäusern. „Wir entwickeln Lösungen, mit denen die Autos einfach wegsortiert werden – bei Bedarf auch unterirdisch", erklärt Gartemann. Ein langfristiges Geschäftsfeld, dass auch bei Auftragsdellen Planungssicherheit bietet – und Fläche frisst. „Wir haben schon mal ein Drittel der Lagerfläche freigeräumt, um so etwas zu testen", verrät der Geschäftsführer.

Das neue Werk

Improvisation, die künftig der Vergangenheit angehören soll. Sieben Hektar hat sich Westfalia im IBV gesichert. „Unser Filetstück zwischen B 476, Erschließungsstraße und Düpmann", wie Borgholzhausens Bürgermeister Dirk Speckmann betont. Hier soll künftig Platz für den Parkhausbau, für vollautomatische Logistik – aber auch für neue Ideen sein. „Wir haben unsere IT-Abteilung in den vergangenen fünf Jahren auf 40 Mitarbeiter verdoppelt", sagt Andreas Gartemann. Hier entwickelt Westfalia intelligente Lösungen für seine langfristigen Partner, mehr als 50 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen mit Bestandskunden. „Wir müssen nicht auf Teufel komm raus Projekte übernehmen, um die Beschäftigung zu sichern", sagt der Chef. Er kann sich an der A 33 mittelfristig auch den Prototyp eines vollautomatischen Parkhauses vorstellen, mit Ladesäulen für E-Autos, kombiniert mit Projekten zum autonomen Fahren.

Die alte Heimat

Planmäßig werden die Hallen am bisherigen Standort Industriestraße abgerissen. Die Verwaltung bleibt, wo sie ist – zunächst einmal. Was mit den jetzigen Westfalia-Flächen langfristig passiert, muss noch entschieden werden. „Vielleicht gibt es ja innerhalb der Wortmann-Gruppe interessante Optionen", so Gartemann.

Der Fahrplan

Am Montag wurden die Mitarbeiter über die Pläne informiert, in Kürze werden die Verträge unterschrieben. „Wir beginnen jetzt mit den Planungen, werden zeitnah den Bauantrag stellen. Im Frühjahr oder Sommer 2019 würde ich gern die Bagger sehen", sagt Andreas Gartemann und lächelt wieder. Noch wird Westfalia nicht die gesamten sieben Hektar bebauen, sondern nur drei – aber die Zukunft hat begonnen.

INFORMATION


Aus der Krise auf Expansionskurs 

Westfalia hat einen durchaus radikalen Umbruch hinter sich. 2010 – kurz vor dem 40. Geburtstag, war das Unternehmen in eine schwere Krise gerutscht. Ausgerechnet in der Phase, als sich Ulrich Upmeyer in den Ruhestand verabschiedete und den Generationswechsel einläutete.

„Wir sind in der Wirtschaftskrise in eine Schieflage geraten", erklärt Andreas Gartemann. Zwar war die Auftragslage gut, doch weil Projekte sich aus verschiedenen Gründen verzögerten, fehlte plötzlich Liquidität – die Pleite drohte.

Der Einstieg des ostwestfälischen Unternehmers Siegbert Wortmann mit seiner Wortmann AG bedeutete die Rettung. Er stellte Kapital bereit und lotste Westfalia durch die Krise.

Heute ist der Borgholzhausener Betrieb in die in Hüllhorst beheimatete Wortmann-Gruppe mit 20 Unternehmen, 1.700 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 1,25 Milliarden Euro integriert.

Siegbert Wortmann hält 72 Prozent der Gesellschaftsanteile an Westfalia Europe, 25 Prozent besitzt Matthias Upmeyer, drei Prozent sein Geschäftsführer-Kollege Andreas Gartemann.

2017 legte das Unternehmen wohl ein Rekordjahr hin – bei einem Jahresumsatz von 40 Millionen Euro wurde ein Gewinn in Höhe von drei Millionen Euro vor Steuern erwirtschaftet. Das verschafft den Verantwortlichen Spielraum für Investitionen in die Zukunft.

200 Mitarbeiter arbeiten für Westfalia Europe, 160 am Standort Borgholzhausen, 40 weitere in einem europaweiten Netz als Servicetechniker.

Das Schwesterunternehmen Westfalia USA mit Geschäftsführer Dan Labell hat weitere 130 Mitarbeiter.

Borgholzhausens Bürgermeister Dirk Speckmann zeigte sich stolz auf das Projekt von Westfalia im IBV: „Die Politik wurde zuletzt schon etwas nervös, aber das Warten hat sich gelohnt."