Banksy lässt grüßen: Hallerin organisiert Foto-Ausstellungen für ein Phantom

Halle. Für Nicole Draak war, man kann es nicht anders sagen und sie selbst formuliert es genauso, der 13. März 2023 ein &bdquo;richtiger Scheiß-Tag“. Die Waschmaschine hatte am Morgen den Geist aufgegeben und für die Autoreparatur flatterte eine Rechnung über gut 1.000 Euro ins Haus. &bdquo;Es lief an diesem Tag gar nichts, ich war total gefrustet und wollte nur noch ins Bett“, erinnert sich die Kölkebeckerin. Sie war kurz davor, ihren Laptop zuzuklappen, als am späten Abend eine Nachricht aufploppte. &bdquo;Ich glaube, das können sie jetzt gebrauchen“, stand darin, und angefügt war ein Foto von einem Steg, der ins Wasser eines Sees führt. Der Absender war ihr bekannt, gleichwohl nur flüchtig, und sie war überrascht, dass der Mann ihr geschrieben hatte. Das Foto berührte sie irgendwie, zumal die vergangenen Monate schwierig gewesen sind. Einer ihrer vier Söhne war einige Monate zuvor durch Zufall Opfer einer Straftat geworden, unter deren Folgen er vor allem psychisch noch lange litt. Es folgten eine Gerichtsverhandlung und schwierige Wochen, in denen die gesamte Familie das Geschehene verarbeiten musste. Der Absender der Nachricht wusste grob von den Umständen, aber &bdquo;er wusste nicht, wie es mir gerade geht“, sagt Draak. Die 57-Jährige vergaß die Mail fast schon und ließ die Tage verstreichen. Dann aber nahm sie doch noch Kontakt zum Absender auf und erfuhr, dass dieser gerne fotografiert und bereits unzählige Fotos gemacht hat und diese fast immer mit Geschichten verbindet. &bdquo;Die Fotos müssen gesehen werden“, sagte Draak, nachdem sie sich einige seiner Werke angeschaut hatte. Der Gedanke ließ sie aufblühen, aus dem Loch klettern, in dem sich ihre Gefühle und Gedanken seit dem Vorfall mit ihrem Sohn tummelten. Das Künstler-Phantom saß nur einmal in ihrem Haller Garten Der Fotograf erhält fortan den Künstlernamen Björn Morfar, denn – und das macht die Geschichte noch mysteriöser – sein richtiger Name soll unbekannt bleiben. &bdquo;Der Mann ist vor allem im Kreis Gütersloh sehr bekannt. Sie kennen ihn ganz bestimmt“, sagt Draak im Gespräch mit dem &bdquo;Haller Kreisblatt“. Bekannte vom Draak bezeichnen ihn gerne als &bdquo;hiesigen Banksy“ in Anlehnung an den britischen Streetart-Künstler, der seit fast 25 Jahren unerkannt seine Werke hinterlässt. Draak selbst kommuniziert in erster Linie online oder per Telefon mit ihm. &bdquo;Wir haben uns in all den Monaten zusammengerechnet noch keine viereinhalb Stunden gesehen. Er war einmal bei mir zum Kaffeetrinken, ich selbst war einmal an seinem Arbeitsplatz“, sagt die 57-Jährige. Er habe einen sehr stressigen Job, sei sportlich, gebildet und spreche mehrere Sprachen. Mehr möchte sie nicht verraten, zwischen den Zeilen hört man jedoch heraus, dass der Mann vermutlich in ihrem Alter ist und wohl in Gütersloh lebt oder arbeitet, da dort viele seiner Fotografien entstanden sind. Lesen Sie auch: Top-Fotograf aus Versmold bittet zum exklusiven Event &bdquo;Wenn ich einen Ort entdecke, habe ich keinen Plan. Ich tauche ein in die Atmosphäre, lasse mich treiben“, beschreibt Morfar sein Vorgehen. Er nehme dabei die Umgebung nicht als Tourist wahr, sondern bewegt sich wie ein Einheimischer. Die offene Art und die Sprachgewandtheit helfen ihm, schnell Kontakte zu knüpfen. Lesen Sie auch: Haller im Sammelfieber Hallerin bereichert Fotos mit Gegenständen &bdquo;Ich reise gewissermaßen in seiner Hosentasche mit“, sagt Draak, da Morfar sie regelmäßig mit Motiven versorgt. Kürzlich hat sie eine seiner Routen in Dänemark bereist, nachdem er längst wieder zurück war. &bdquo;Ich habe gemerkt, dass jeder in den Motiven etwas anderes sieht“, sagt die 57-Jährige. Es sei das erste Mal gewesen, dass die Mutter von fünf Kindern alleine verreist war. Sie weiß aber, dass ihr Mann ihr Rückendeckung gibt und voll hinter dem Projekt steht. &bdquo;Aus etwas Furchtbarem ist etwas Schönes entstanden“, blickt Draak, die für die AWO im OGS-Bereich an verschiedenen Schulen Theaterkurse gibt, auf die Geschehnisse der vergangenen Jahre zurück. Mittlerweile habe sie bestimmt schon mehr als 40.000 Foto erhalten. Keines der ausgewählten Motive wird für die Ausstellung bearbeitet, der Besucher sieht sie so, wie der Fotograf im Moment der Aufnahme. Sowohl für sie als auch für Morfar seien die Bilder eine kleine Flucht aus dem Alltag. Welche Fotos in die Ausstellung kommen, entscheidet Draak ganz alleine. Zu jedem Bild kann sie eine Geschichte erzählen, und einige Bilder werden mit dazu passenden Gegenständen dekoriert. Wie etwa die Schuhe von der Alpenwanderung, der Helm vom Erklimmen der Dolomiten-Gipfel oder der Vespa-Helm von den Touren mit dem Roller durch Italien. In der Ausstellung &bdquo;Ohne Leute is auch mal schön“, die es ab Freitag im Steinhagener Rathaus zu sehen gibt, werden 47 Fotografien auf Leinwand zu sehen sein. Das größte Format beträgt 180 x 90 Zentimeter. Eine Freundschaft mit festen Ritualen am Morgen und am Abend Der Fotograf selbst könne, so erzählt Draak, gar nicht glauben, was aus seinen teilweise per Handy aufgenommenen Fotografien, die auf den ersten Blick ganz alltägliche Elemente zeigen, entstanden ist. Alle Fotografien haben Titel, jedes Foto gibt es aber nur einmal. &bdquo;Wir wussten nicht, was es auslöst“, sagt die fünffache Mutter. Klar ist aber schon jetzt, dass dies nur der Anfang einer Reise ist. Für das kommende Jahr sind auch Ausstellungen in Kalletal und Melle geplant. Auch dann wird bei der Vernissage der Künstler nicht anwesend sein, wird die Reaktionen der Besucher nicht direkt mitbekommen. &bdquo;Vielleicht holt er das ja nach und kommt danach mal vorbei“, sagt Draak. In Steinhagen hätte er dazu bis zum 15. September Zeit. &bdquo;Es ist eine sehr spezielle Freundschaft zwischen uns, wir sind auch immer noch per Sie“, erklärt Draak. Das störe sie aber nicht, irgendwie passe es sogar zur Situation. &bdquo;Er schickt mir jeden Morgen und jeden Abend jeweils 30 Fotos. Manchmal erst spät, aber vorher schlafe ich auf gar keinen Fall ein“, sagt Draak. Die Kölkebeckerin und das Kunst-Phantom haben offenbar eine gemeinsame Linie gefunden, denn eigentlich passen sie gar nicht zusammen. &bdquo;Wir sind grundverschieden. Wenn er gerade auf Bergen rumklettert und mir Fotos davon schickt, liege ich oft erschöpft auf dem Sofa“, sagt Draak. Vielleicht klappt aber auch gerade wegen dieser Unterschiede die Konstellation aus Kunst-Phantom und Ausstellungsorganisatorin so gut. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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