Frau Ministerin Neubaur, sind Sie mit dem Ausbau der Windkraft zufrieden? Mona Neubaur: Ja, wir haben da wirklich viel geschafft: Seit 2023 sind wir bundesweit Spitzenreiter beim Genehmigen neuer Anlagen – und das, obwohl wir das am dichtesten besiedelte Bundesland sind. Das zeigt: Energiewende funktioniert auch in einem Land wie unserem, wenn man sie entschlossen anpackt. Das finden nicht alle gut. Wie profitiert eine Region wie OWL davon? Die Akzeptanz vor Ort ist entscheidend, und wir tun was dafür. Seit 2024 profitieren Kommunen, Bürgerinnen und Bürger konkret, sobald eine Windenergielage genehmigt ist. Der Projektierer ist verpflichtet, zusätzlich Abgaben an die Menschen vor Ort zu leisten. Damit hat eine Kommune die Möglichkeit, zusätzliches Geld für Zwecke der Stadtgemeinde einzusetzen. Das bedeutet: Die Energiewende kommt nicht nur als Windrad, sondern auch durch konkrete Verbesserungen vor Ort an. In OWL sieht man regelmäßig, dass dort zwar Windräder stehen, sich aber gar nicht drehen. Wie kann das sein? Es gibt Regionen wie das Paderborner Land, die so viel Windenergie einspeisen könnten, dass das Netz überlastet wäre, also müssen Anlagen abgeschaltet werden. Da geht Energie verloren. Genau deshalb muss es jetzt dringend um die Frage gehen, wie wir den Netzausbau beschleunigen. Reicht das? Ein guter Weg ist auch, punktuell Netze zu entlasten, indem man überschüssige Energie speichert, um sie wieder zur Verfügung zu stellen, wenn es sie braucht. In Lichtenau entsteht das Projekt „Schlafender Riese“, wo aus überschüssiger Windenergie grüner Wasserstoff erzeugt werden soll. Es ist jetzt entscheidend, dass wir uns beim Netzausbau mit der gleichen Ambition reinhängen wie beim Genehmigen von Anlagen. 2024 ist in OWL aufgrund fehlender Netze und Speicher Energie in einer Größenordnung verpufft, mit der die Stadt Minden ein Jahr lang mit Energie hätte versorgt werden können. Wie wollen Sie das kurzfristig ändern? Wir sind mit dem Netzbetreiber Tennet dran, genau dafür eine Lösung zu finden. Für mich geht es vor allem um Planungssicherheit für alle Beteiligte. Der Netzbetreiber Westfalen Weser schlägt vor, mit einer West-Ost-Netzverbindung sicherzustellen, dass der in OWL erzeugte Strom ausreichend abtransportiert werden kann, weil er dort nicht vollumfänglich gebraucht wird. Dazu finden Gespräche meines Ministeriums mit Westfalen Weser statt. Klappt das kurzfristig? Ehrlich gesagt: Solche Prozesse brauchen Zeit. Der Ausbau großer Leitungen muss mit der Bundesnetzagentur, Ländern und Kommunen abgestimmt werden. Die ehrliche Antwort lautet: Ich kann nicht versprechen, dass es dafür übermorgen eine Lösung geben wird, aber wir arbeiten mit aller Kraft dran, dass es schneller geht. Im Rheinischen Revier sollen geplante KI-Rechenzentren mit Windstrom von der Nordsee versorgt werden. Warum nicht mit überschüssiger Energie aus OWL? Die Offshore-Leitung von der Nordsee soll nicht nur die Rechenzentren im Rheinischen Revier versorgen, sondern vor allem an einen Netzknotenpunkt angeschlossen werden. Von da aus soll die Energie auch in den Süden Deutschlands transportiert werden. Die Infrastruktur der Leitungen im Rheinischen Revier mit seinen vielen Kraftwerken ist eine andere als in OWL. Es geht darum, diese künftig digital klug zu steuern – je nach Bedarf. Darüber hinaus wird auch in OWL der Bedarf an Energie in Zukunft deutlich steigen, weil auch dort KI-Rechenzentren für Unternehmen entstehen werden. Es wäre voreilig, den Strom aus OWL dafür vorzusehen, ihn ins Rheinische Revier zu leiten. Wenn der Ausbau der Netze und Speicher noch nicht weit genug ist und wir jetzt schon Überschuss erzeugen, müsste der Ausbau der Windkraft dann bis dahin nicht ausgesetzt werden? Die Antwort ist nicht, Genehmigungen neuer Anlagen auszusetzen, sondern sich umso mehr darum zu kümmern, dass sie in ein Netz integriert werden. Wir wollen auch beim Anschluss und Ausbau des Netzes Spitzenreiter werden. Der Landesverband Erneuerbare Energien prognostiziert, dass in OWL künftig nicht mehr 1.000, sondern 700 Anlagen stehen werden, weil alte Windräder durch stärkere ersetzt werden . . . Wir werden mit dem technologischen Zuwachs durch Repowering die Leistung ausbauen und tatsächlich eine Reduktion der Anzahl sehen. Wo heute fünf ältere Anlagen stehen, können sich künftig zwei drehen. Diese neuen Anlagen sind zwar höher, aber auch effizienter und leiser. .responsive23-4dytZyaUvYNWh6c6-atlas-slideshow-windkraftanlagen-in { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-4dytZyaUvYNWh6c6-atlas-slideshow-windkraftanlagen-in { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-4dytZyaUvYNWh6c6-atlas-slideshow-windkraftanlagen-in { padding-top: 142.86%; } } Die ausbleibende Absenkung der Stromsteuer für alle sorgt gerade für Ärger. Die neue Bundesregierung wird scharf kritisiert. Zu Recht? Ja, absolut. Die Bundesregierung hat eine Entlastung für alle versprochen, jetzt will sie davon nichts mehr wissen. Das ist ein gefährlicher Wortbruch. Auch dieses Thema hat Anteil daran, dass ich bei den Menschen im Land schon kurz nach Regierungsbeginn viele Fragezeichen und Enttäuschung wahrnehme. Das finanzielle Argument verstehe ich nicht. Diese Bundesregierung hat so viel Geld zur Verfügung wie noch keine vor ihr. Sie koalieren in NRW seit drei Jahren mit der CDU und Hendrik Wüst. Welche Note würden Sie ihm geben? Die Zusammenarbeit mit Hendrik Wüst ist eine Zwei mit plus, plus, plus. Das hat sich im Laufe der drei Jahre verfestigt, weil wir uns in Krisensituationen anders kennengelernt haben. Das Austarieren der Bedarfe sowohl für uns Grüne als auch für die CDU hat ein anderes Level bekommen, unter anderem nach dem Anschlag von Solingen. Wir finden nach drei Jahren immer noch die Kraft, die Dinge intern zu lösen, nach durchaus intensiven und streitigen Diskussionen. Diese Kraft ist bei der neuen Bundesregierung schon nach 60 Tagen nicht mehr vorhanden. Was raten Sie Friedrich Merz und Lars Klingbeil im Bund? Es braucht die echte Bereitschaft, Führung und Verantwortung zu übernehmen. Dafür muss man seine eigenen Leute hinter sich bringen und den Rücken grade machen, denn man muss seiner Mannschaft auch manchmal was zumuten. Wenn man in einer Koalition Probleme lösen will, muss man stets das Verbindende suchen und nicht das Trennende. Das muss das Interesse der demokratischen Mitte sein. In NRW leitet uns das auf allen Ebenen. Den Weg muss die Bundesregierung noch finden. Weil SPD und CDU keine Lust aufeinander haben? Die Frage, ob zum Beispiel Hendrik Wüsts CDU und Mona Neubaurs Grüne Bock aufeinander haben, ist nicht entscheidend dafür, ob wir Dinge lösen können. Man muss sich selbst zurücknehmen können, eine klare inhaltliche Richtung erkennen lassen und Wort halten. Das muss die Bundesregierung noch zeigen. Können Sie sich vorstellen, mal nach Berlin zu wechseln, vielleicht auch dort an der Seite von Hendrik Wüst? Für den Moment kann ich für meine Person – und wohl auch für Hendrik Wüst sagen: Es gibt im Land NRW für uns noch viel zu tun; wir sind gern hier und nicht mit einem Fuß schon irgendwo anders.