Mit der schnellen Ausbreitung der Vogelgrippe und der wachsenden Sorge vor wirtschaftlichen Schäden dringen Geflügelhalter auf einen stärkeren Schutz der Bestände. Es müsse oberste Priorität haben, die Ausbreitung des Virus zu verhindern, Tiere zu schützen und Schäden abzuwenden, sagte Georg Heitlinger vom baden-württembergischen Landesverband der Geflügelwirtschaft.
Er forderte ein bundesweites Aufstallungsgebot. Nutztiere wie Geflügel aus Freilandhaltung müssten auf eine solche behördliche Anordnung in geschlossenen Ställen gehalten werden.
Zwar ist die Tierseuche in Deutschland ganzjährig verbreitet, doch mit dem Vogelzug im Herbst gewinnt das Infektionsgeschehen an Fahrt. Unter Kranichen hat die Ausbreitung der Vogelgrippe nach Einschätzung des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit, inzwischen ein in Deutschland bislang nicht gekanntes Ausmaß angenommen.
Institut geht von mehr als 200.000 toten Tieren aus
Das FLI hat die Risikoeinschätzung auf hoch angehoben. Es schätzt, dass in diesem Herbst bislang mehr als 200.000 Hühner, Gänse, Enten und Puten nach Geflügelpestausbrüchen in den jeweiligen Haltungen getötet und entsorgt wurden, um die Ausbreitung der Seuche einzudämmen.
Das Institut schließt nicht aus, dass das Infektionsgeschehen ähnliche Ausmaße annimmt wie vor vier Jahren. Bei einem der bislang schwersten Seuchenzüge in Deutschland mussten im Winter 2020/21 nach Angaben der Fachpresse bundesweit mehr als zwei Millionen Tiere gekeult werden.
Regelmäßig neue Meldungen über Vogelgrippe-Ausbrüche
Für das laufende Jahr wurden einer FLI-Sprecherin zufolge bundesweit Infektionsfälle in bislang 50 Nutzgeflügel-Haltungen registriert, 26 davon allein im Oktober. Die Spanne der vorsorglich getöteten Tiere reichte von 5.000 bis 93.000. Regelmäßig gingen neue Meldungen ein. Und das halte vermutlich noch eine Weile an, da der Höhepunkt des Vogelzugs noch bevorstehe, sagte sie.
Erkrankte Wildvögel, die auf dem Weg in die Winterquartiere im Süden Rast machen, gelten als Überträger der Geflügelpest. Die Tierseuche endet für infizierte Tiere oft tödlich. In diesem Jahr seien Kraniche besonders stark betroffen, aber auch bei anderen Arten wie Wildgänsen und -enten sei das hochansteckende Virus vom Typ H5N1 bestätigt worden, hieß es.
Agrarministerium für höhere Entschädigungszahlungen
Wird nach einem Geflügelpest-Ausbruch die Tötung von Tieren angeordnet, erhalten die Besitzer eine Entschädigung, die nach Tierart gestaffelt ist und laut Gesetz den Höchstsatz von aktuell 50 Euro nicht überschreiten darf.
Im Handel erzielen Enten oder Puten oft deutlich höhere Preise. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat daher bei der EU beantragt, die Obergrenze von Entschädigungszahlungen für Tiere, die getötet werden müssen, von 50 auf bis zu 110 Euro hochzusetzen. In der Regel ist der Marktwert Grundlage für Entschädigungszahlungen aus der Tierseuchenkasse.
Die Einzelbestimmungen für Kompensationsleistungen sind je nach Bundesland unterschiedlich. Erstattet werden unter Umständen auch Ausgaben für zusätzliche Hygienemaßnahmen. Keine Entschädigung gibt es aber für Folgeschäden wie etwa Strafen für nicht erfüllte Lieferverträge.
Grüne: «Anfälligkeit der Massentierhaltung» offengelegt
Eine Seuche wie die Vogelgrippe legt aus Sicht der Grünen im Bundestag die Anfälligkeit der Massentierhaltung offen. «Dass die Ausbreitung der Vogelgrippe für viele Geflügel-Betriebe eine so große wirtschaftliche Gefahr bedeutet, weist auf ein grundsätzliches, strukturelles Problem hin: zu große Ställe mit zu hoher Besatzdichte», sagte Zoe Mayer, Sprecherin für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat und Tierschutzbeauftragte.
Derzeit könnten mehrere zehntausend Tiere zusammen auf engstem Raum gehalten werden. Im Fall einer Tierseuche werde dann die Tötung einer enorm großen Anzahl von Tieren notwendig. «Dieses Problem löst man nicht mit höheren Entschädigungssätzen auf Kosten der Steuerzahler», sagte Mayer.
«Stattdessen sollte die Politik Rahmenbedingungen schaffen, damit weniger Tiere besser gehalten werden können.» Davon unabhängig unterstützten die Grünen in der jetzigen Situation ein koordiniertes und zielgerichtetes Vorgehen von Bund und Ländern, um die Verbreitung der Vogelgrippe einzudämmen.
Kranichsterben in Ostprignitz dauert an
Das Kranichsterben im Nordwesten des Landes Brandenburg infolge des Vogelgrippevirus geht unvermindert weiter. Es werde davon ausgegangen, dass inzwischen etwa 1.200 Tiere verendet seien, sagte der Landrat des Landkreises Ostprignitz-Ruppin, Rald Reinhardt (SPD), im RBB-Inforadio. «Es ist bedrückend. Die Ehrenamtler, wenn man mit ihnen spricht, sind tatsächlich aufgewühlt.» Das Aufsammeln der Kadaver führe nicht nur zu körperlicher Erschöpfung, sondern sei auch eine psychische Belastung.

