Russland produziert seine Waffen auch mit Maschinen aus Bielefeld

Bielefeld/Hamburg. Der russische Präsident und Kriegsherr Wladimir Putin hat seine Rüstungsindustrie wiederholt aufgefordert, die Anstrengungen zur Produktion von Waffen zu erhöhen. Russland rüstet auf, wahrscheinlich schon seit Jahren, und die Fertigung von Gewehren und Hubschraubern, Panzern und Raketen, mit denen der Kreml seinen Angriff gegen die Ukraine munitioniert, geschieht auch mit deutschen Maschinen. Offenbar auch mit Werkzeugmaschinen von der Bielefelder DMG Mori AG, wie die Wochenzeitung "Die Zeit" in zwei Beiträgen dargelegt hat. Dem Wochenblatt zufolge gibt es zum Beispiel Videoaufnahmen aus einer Waffenfabrik in der zentralrussischen Großstadt Ischewsk, wo Maschinenpistolen und Sturmgewehre der "Marke" Kalaschnikow hergestellt werden. Zu sehen sei da auch eine Dreh- und Fräsmaschine von DMG Mori, aufgenommen bei einem Besuch des russischen Verteidigungsministers Sergei Shoigu im Jahr 2022. Die Auswertung russischer Zolldaten habe gezeigt, dass auch andere Rüstungsunternehmen auf Werkzeugmaschinen des japanischen Konzerns setzen, dessen deutsche Tochter aus der 2015 von den Japanern übernommenen Gildemeister AG mit Sitz in Bielefeld hervorgegangen ist. Genannt werden etwa der Hubschrauberhersteller JSC Ulan-Ude, der Transporthubschrauber für die Streitkräfte produziere, der Flugzeughersteller Sukhoi, dessen Kampfjets ("Su 57") über der Ukraine eingesetzt würden, oder das Werk JSC JEMZ Kupol, das an der Produktion russischer Luftabwehrsysteme beteiligt sei. Allesamt Firmen, die auf der EU-Sanktionsliste stehen. Dubiose Zwischenhändler involviert Die Feststellung, dass russische Waffenproduzenten Werkzeugmaschinen von DMG Mori einsetzen, ist an sich wenig spektakulär: Denn erstens gilt das japanisch-deutsche Unternehmen als größter Werkzeugmaschinenhersteller der Welt, die Maschinen werden global vertrieben und genutzt. Obendrein hatte die Bielefelder DMG Mori AG 2015 in der Wolgastadt Uljanowsk ein eigenes Fertigungswerk mit zuletzt 200 Mitarbeitern eröffnet, um dort Werkzeugmaschinen zu bauen. Dies sei 2015 geschehen, also im Jahr nach der russischen Annexion der Krim-Halbinsel, wie die "Zeit"-Autoren betonen. Allerdings waren die Pläne dafür schon Jahre vorher geschmiedet worden, zu einer Zeit, als die wirtschaftliche Annäherung Deutschlands an Russland noch ein fester Bestandteil Berliner Politik war. 2013 war Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel noch mit Wladimir Putin zur Eröffnung über die Industriemesse in Hannover geschlendert. DMG Mori habe in der Vergangenheit etliche russische Waffenhersteller beliefert, heißt es also, und die Produkte des Maschinenbauers hätten den Zolldaten zufolge auch nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine ihren Weg nach Russland gefunden. Dabei seien dann "dubiose Zwischenhändler" aufgetreten – aus Deutschland etwa, aber registriert worden sei auch die Lieferung von Ersatzteilen für DMG-Mori-Maschinen durch einen chinesischen Zwischenhändler oder die Lieferung von zwei gebrauchten DMG-Mori-Maschinen durch das türkische Rüstungsunternehmen Pimaks. Die "Zeit" knüpft daran Fragen: "Wusste DMG Mori von diesen Lieferungen? (...) Falls ja: War den Verantwortlichen dann klar, dass sie letztlich für Russland bestimmt waren?" "Wir haben uns an alle Auflagen für den Export gehalten" Das Management der Bielefelder DMG Mori AG, an dessen Spitze seit wenigen Wochen Alfred Geißler als Vorstandschef steht, beantwortete den Fragenkatalog der Hamburger Journalisten nicht. Ebenso wenig wie die Fragen dieser Redaktion. Erreichbar war aber Geißlers Vorgänger Christian Thönes, der seit 2016 bis zu seinem überraschenden Rücktritt im Mai sehr erfolgreich Vorstandsvorsitzender des Maschinenbauers war: "Das Russlandgeschäft hat bei meinem Rücktritt, der am Ende meine eigene Entscheidung war, keine Rolle gespielt", betonte Thönes. Aus seiner Sicht habe sein Unternehmen im Russlandgeschäft eine zurückhaltende Linie verfolgt: "Wir haben uns an alle Auflagen für den Export gehalten", sagte Thönes im Hinblick auf die Tatsache, dass Werkzeugmaschinen wegen der grundsätzlich möglichen Nutzung für die Produktion von Waffen in der Regel als "dual use-Güter" eingestuft sind. Damit unterliegen sie der Exportkontrolle durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). "Und wir haben den Vertrieb in Russland nicht so gepusht, dass wir ein Risiko eingegangen wären, dass Regeln verletzt werden." Er selbst habe niemals ein russisches Rüstungsunternehmen besucht, sagte Thönes auch. Laut "Zeit" allerdings belegen Unterlagen, dass DMG Mori in der Vergangenheit auch Lieferverträge mit russischen Waffenschmieden hatte. Und noch im September 2022 zum Beispiel sei eine gebrauchte ältere DMG-Mori-Maschine, die laut Zollerklärung angeblich "nicht für militärische Zwecke bestimmt" war, von der deutschen Firma Götz aus Unterlüß an das russische Unternehmen Agregatny Zavod geliefert worden – genehmigt vom BAFA. Dass die Empfänger bisher durchaus auch die Rüstung belieferten – genannt wird der Radar-Spezialist JSC Strela – spielte offenbar keine Rolle oder war unbekannt. Bielefelder Firma beschaffte Maschinenbauteile für Russland Lieferwege im Bereich der Rüstungsbranche sind international verzweigt und oft intransparent. Die "Zeit" hatte im Frühjahr bereits über ein Netz von zweifelhaften Zulieferern berichtet, darunter die Bielefelder Firma DK Werkzeuge GmbH, die einem russischen Unternehmer aus St. Petersburg gehört und Werkzeugmaschinen und Maschinenteile aus Deutschland nach Russland exportiert haben soll. DK Werkzeuge hatte ihren Sitz in einem Einfamilienhaus in Sennestadt, nur fünf Minuten Fahrzeit vom Sitz der DMG Mori AG entfernt, lieferte den Informationen zufolge aber Produkte von anderen deutschen Firmen wie der Kemmler Präzisionswerkzeuge GmbH aus Mössingen nach Russland. Also keine DMG-Produkte? Vertreter von DK Werkzeuge waren für Nachfragen nicht zu erreichen. Im April hatte das Unternehmen seinen Sitz laut Handelsregister vom Süden Bielefelds in den Bielefelder Westen verlegt – an die Adresse einer Steuer- und Wirtschaftsberatung, die ihre Dienste auch in russischer Sprache anbietet. Deren Verantwortliche sind ebenfalls schwer zu erreichen und standen für Fragen bisher nicht zur Verfügung. Eine weitere heikle Frage hat unterdessen Olena Yurchenko vom "Wirtschaftssicherheitsrat der Ukraine" (Escu) in dem "Zeit"-Beitrag aufgeworfen. Sie forderte von dem Konzern, die Werkzeugmaschinen abzuschalten. Müsste das in Zeiten der Fernwartung nicht einfach möglich sein? Aus Kreisen von DMG Mori heißt es, moderne Maschinen könnten heute ähnlich wie Autos getrackt und mit Wegfahrsperren gesichert werden. Ob es aber der Reputation eines Unternehmens dient, wenn die Kunden befürchten müssen, dass ihnen bei missliebigem Verhalten der Saft abgedreht wird, ist eine ganz andere Frage.

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