Die Korruptionsermittlungen beim staatlichen ukrainischen Atomkonzern Energoatom gehen mit Durchsuchungen beim ehemaligen Energieminister Herman Haluschtschenko weiter. Dieser ist seit Juli Justizminister, und sein neues Ministerium in Kiew bestätigte die Maßnahmen.
«Der Minister unterstützt die Strafverfolgungsbehörden in vollem Umfang, um eine umfassende, objektive und unvoreingenommene Untersuchung zu gewährleisten», hieß es in einer Mitteilung. Das Justizministerium halte sich konsequent «an den Grundsatz der Nulltoleranz gegenüber Korruption». Details zu möglichen Vorwürfen wurden nicht genannt.
Fünf erste Festnahmen
Das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) der Ukraine hatten am Vortag Ermittlungen bei Energoatom bekanntgemacht. Es geht um Bestechungsgelder, die beim Bau von Schutzvorrichtungen um Energieanlagen gegen russische Luftangriffe geflossen sein sollen. Am Dienstag sprach das NABU von fünf Festnahmen und sieben Verdachtsfällen. Die Gruppe solle etwa 100 Millionen US-Dollar (86,4 Millionen Euro) an Schmiergeld gewaschen haben.
Die Spuren führen auch zu einem Vertrauten und Geschäftspartner von Präsident Wolodymyr Selenskyj aus dessen Zeiten als Schauspieler. Aus seiner Wohnung im Regierungsviertel von Kiew habe der Hauptverdächtige Einfluss auf staatliche Entscheidungen «im Energie- und im Rüstungsbereich» im eigenen Interesse genommen, hieß es. Der Mann soll die Ukraine verlassen haben. Selenskyj forderte, dass Schuldige ohne Ansehen der Person verurteilt werden sollten.
Atomkonzern sieht Arbeit der AKWs gesichert
Energoatom sprach von einem «Vorfall», der aber keinen Einfluss auf die finanzielle Stabilität des Unternehmens, die Stromproduktion und die Sicherheit der ukrainischen Kernkraftwerke habe. Trotzdem scheint es um den größten Bestechungsskandal der Ukraine zu Zeiten des Krieges zu gehen. Das in die EU strebende Land gilt trotz Reformen immer noch als einer der Staaten in Europa mit der höchsten Korruptionsanfälligkeit.
«Das ist ein Tiefschlag. Besonders in der heutigen Situation, da wir gegen die Russen kämpfen, die unser Land okkupieren wollen. Und gleichzeitig müssen wir noch gegen Korruption kämpfen», kritisierte der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko im Gespräch mit der deutschen Zeitung «Die Welt».
Auch Festnahme von Ex-Vizeminister
Parallel zu den Ermittlungen des NABU informierten die Staatsanwaltschaft in Kiew und der Geheimdienst SBU über eine Verdachtsmitteilung gegen einen ehemaligen stellvertretenden Minister für Sozialpolitik. Ihm wird vorgeworfen, bereits 2018 Haushaltsgelder für die Ausarbeitung eines nie funktionierenden Programmes mit dem Namen «E-social» ausgegeben zu haben. Dem Staatshaushalt soll darüber ein Schaden von umgerechnet mehr als 480.000 Euro entstanden sein.
Dem derzeit als Berater beim Sozialministerium tätigen Verdächtigen droht nun eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren. Das ausgegebene Geld stammte den Angaben der Staatsanwaltschaft nach aus einem Programm der Weltbank.
Die Ukraine wehrt sich mit massiver westlicher finanzieller Unterstützung seit mehr als dreieinhalb Jahren gegen eine russische Invasion. Trotz einer Reihe neu geschaffener Behörden zur Korruptionsbekämpfung zählt das Land weiterhin zu den korruptesten Staaten Europas.

