Frühere Geiseln der islamistischen Terrororganisation Hamas haben bei einer Kundgebung in Israel die Herausgabe aller noch im Gazastreifen verbliebenen Leichen von Entführten gefordert. Kurz zuvor hatte der arabische Sender Al-Dschasira unter Berufung auf eine ranghohe Quelle in den Reihen der Kassam-Brigaden - des militärischen Arms der Hamas - berichtet, man habe die sterblichen Überreste des 2014 von der Hamas entführten Soldaten Hadar Goldin im Süden des Küstenstreifens gefunden. Die «Jerusalem Post» zitierte daraufhin eine Stellungnahme der Angehörigen: «Ein ganzes Land wartet darauf, dass Hadar zu uns zurückgebracht wird.»
Der damals 23 Jahre alte Soldat war im August 2014 während einer Feuerpause im damaligen Gaza-Krieg von Kämpfern der Hamas nahe der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens gefangen genommen worden. Was genau danach mit ihm geschah, ist nicht bekannt. Israels Armee erklärte Goldin später für tot.
Jetzt will die Hamas die Leiche des Soldaten laut Al-Dschasira in Rafah ausfindig gemacht haben. Eine offizielle Stellungnahme der Hamas gab es dazu zunächst nicht. Auch wurden im Bericht von Al-Dschasira keine Angaben dazu gemacht, ob und wann der Leichnam zur Identifizierung nach Israel überführt werden soll.
Noch sind fünf Geisel-Leichen in Gaza
Nach dem Bericht über den angeblichen Fund der sterblichen Überreste Goldins besuchte Israels Generalstabschef Ejal Zamir örtlichen Medienberichten zufolge die Eltern des getöteten Soldaten. Er habe sie über die Bemühungen zur Rückholung der Geiseln in Kenntnis gesetzt, teilte die Familie demnach ohne nähere Einzelheiten mit. Man warte auf eine offizielle Bestätigung der Rückführung von Goldins Leichnam nach Israel, hieß es nur.
Nach einem Bericht des israelischen Senders Channel 12 will die Hamas die sterblichen Überreste des Soldaten angeblich als Druckmittel einsetzen, um Israel dazu zu bewegen, Hamas-Kämpfer, die sich in einem von Israels Armee kontrollierten Tunnel unter Rafah befinden, freien Abzug zu gewähren. Das im Oktober vereinbarte Waffenruheabkommen verlangt von der Hamas die Herausgabe der sterblichen Überreste von insgesamt 28 getöteten Geiseln an Israel. Noch befinden sich fünf der Leichen in Gaza, darunter die von Goldin.
Bei den übrigen vier Toten handelt es sich laut Medienberichten um drei Israelis sowie einen Thailänder, die alle nach dem Terrorüberfall der Hamas und anderer Extremistengruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt worden waren. Damals wurden etwa 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 Menschen in das angrenzende Küstengebiet verschleppt. Das beispiellose Massaker löste den Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas aus.
Tausende fordern Herausgabe der Leichen
Bei einer Kundgebung in der israelischen Küstenstadt Tel Aviv forderten am Abend kürzlich freigelassene Geiseln der Hamas in emotionalen Reden die Herausgabe der restlichen Leichen. «Es ist an der Zeit, alle rauszuholen, die in Gaza zurückgelassen wurden», sagte Rom Braslavski, einer von 20 Geiseln, die am 13. Oktober im Rahmen einer Waffenruhevereinbarung freigelassen worden waren. «Auch wenn es 20 bis 30 Jahre dauert, werden wir weiter für alle kämpfen.»
Der Kundgebung auf dem «Platz der Geiseln» schlossen sich Tausende Menschen an. Dem Forum der Angehörigen der Geiseln zufolge waren auch fünf überlebende Geiseln darunter. Einer von ihnen, Nimrod Cohen, ist überzeugt davon, dass die Hamas genau weiß, wo sich die sterblichen Überreste der übrigen Geiseln befinden. «Jeder Tag, der verstreicht, ist ein weiterer Tag, an dem einer von ihnen für immer verschwinden könnte», zitierte ihn die «Times of Israel».
Berichte über grausame Folter
Als er in den Tunneln von Gaza durch die «Hölle» gegangen sei, hätten seine Entführer immer wieder gesagt, «dass das israelische Volk uns aufgegeben habe. Dass niemand protestieren und für uns kämpfen würde», sagte Cohen. Aber am Tag seiner Rückkehr sei ihm klar geworden, dass das alles Lügen waren.
Der Bruder einer getöteten Geisel forderte bei der Kundgebung, das Waffenruheabkommen umzusetzen. Er sei auf den «Platz der Geiseln» gekommen, um das Grundrecht einzufordern, sich von seinem Bruder Dror zu verabschieden, dessen Leiche noch in Gaza ist - und um ihn zu ehren, sagte Elad Or. «Israel braucht Dror – alle – zu Hause.»
Die Geiseln waren - teils mehr als zwei Jahre lang - unter grausamen Bedingungen festgehalten worden. Einige berichteten nach ihrer Freilassung von Folter und anderen schweren Misshandlungen, von Hunger und schlimmen hygienischen Bedingungen. Israel hat sich im Rahmen der Waffenruhe-Vereinbarung verpflichtet, für jede von der Hamas übergebene Leiche die sterblichen Überreste von 15 getöteten Bewohnern aus dem Gazastreifen an die dortigen Behörden auszuhändigen.

