Demonstrationen

Nach Massenprotesten: Republikaner greifen «No Kings» an

Gegner werfen Trump und seinem Umfeld vor, Dissens pauschal zu delegitimieren und schrittweise einschränken zu wollen. | © Ethan Swope/AP/dpa

19.10.2025 | 19.10.2025, 20:35

Einen Tag nach den weitgehend friedlichen Massenprotesten gegen Präsident Donald Trump unterstellt ein führender Republikaner den Demonstranten einen Angriff auf das amerikanische Wertesystem. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sprach beim Sender ABC News von «Marxismus und Sozialismus» und warnte vor einer «gefährlichen Ideologie».

Zugleich erkannte Johnson an, dass die Demonstrierenden «offenbar gewaltfrei» ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausgeübt hätten, was er als Jurist verteidige. In diesem Kontext sagte er, die Proteste hätte es gar nicht geben können, wäre Trump tatsächlich ein König.

Am Samstag waren in den USA landesweit Millionen unter dem Motto «No Kings» - zu Deutsch: «Keine Könige» - auf die Straße gegangen. Die Proteste verliefen laut US-Medien in weiten Teilen friedlich. Etliche Teilnehmende waren bunt verkleidet, hatten ihre Kinder und Hunde mit dabei. Nur am Rande kam es vereinzelt zu Auseinandersetzungen. Die Polizeibehörden von New York und San Diego hoben hervor, dass es bei Zehntausenden Demonstrierenden in den jeweiligen Städten keine Festnahmen gegeben habe - wohl auch mit dem Ziel, die aufgeheizte politische Stimmung nicht weiter zu befeuern.

Gegner werfen Trump und seinem Umfeld vor, gezielt Eskalation zu schüren, um den Einsatz des Militärs gegen Andersdenkende zu normalisieren.

Trump liebäugelt mit «Insurrection Act»

Der Republikaner hat angedeutet, sich im Zweifel auf den sogenannten Insurrection Act zu berufen. Das Gesetz aus dem Jahr 1807 erlaubt dem US-Präsidenten im Ausnahmefall, das Militär im Inland einzusetzen, um Aufstände niederzuschlagen. Beim Sender Fox News sprach Trump in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview in diesem Zusammenhang von «unangefochtener Macht», die ihm zustehe. Noch verzichte er darauf, sagte er, und griff zugleich die Demokraten als «falsche Politiker» an. «Ausschließlich von Demokraten regierte Städte» in den USA seien «unsicher» und ein «Desaster».

Trumps Regierung nimmt derzeit mehrere demokratisch geführte Städte und Bundesstaaten ins Visier, denen sie außer Kontrolle geratene Kriminalität und mangelnde Kooperation bei den geplanten Massenabschiebungen vorwirft. Kriminalitätsstatistiken stützen diese Vorwürfe nicht. Betroffene Städte und Bundesstaaten wehren sich juristisch, unter anderem gegen die Entsendung der Nationalgarde in ihre Gemeinden. Trump sagte bei Fox News, er erwäge auch einen Einsatz in San Francisco.

Antifa als Feindbild

Bereits im Vorfeld der Massenproteste am Samstag hatten Johnson und andere Republikaner diese als «Hate America Rally» bezeichnet. Bei einer Pressekonferenz sagte Johnson, er erwarte «Hamas-Unterstützer», «Antifa-Typen» und «Marxisten in voller Montur». Trump hatte die lose Antifa-Bewegung kürzlich als «Terrororganisation» eingestuft - ein Schritt, dessen rechtliche Grundlage unklar ist.

Kritiker warnen, ein solches Label könne theoretisch auf nahezu alle angewendet werden, die gegen Trump protestieren. Sie sehen darin den Versuch, Dissens schrittweise einzuschränken. Auf seine Aussagen angesprochen, betonte Johnson bei ABC News, er habe nie jemanden «als Feind bezeichnet». Zugleich sagte er, viele der bei den Protesten gerufenen Parolen und gezeigten Schilder seien «hasserfüllt» gewesen.

Warnungen vor Machtmissbrauch

Die «No Kings»-Veranstalter werfen Trump vor, sich über demokratische Grenzen hinwegzusetzen und Macht anzuhäufen, die einem US-Präsidenten nicht zustehe. «Der Präsident glaubt, seine Macht sei absolut», heißt es auf der Website der Organisatoren. «Aber in Amerika haben wir keine Könige.» Bei den Protesten äußerten Teilnehmende ganz unterschiedliche Sorgen - vom Vorgehen der Trump-Regierung gegen Migranten über Gesundheitspolitik bis hin zur Angst, die USA könnten in den Faschismus abrutschen.

Trump selbst machte mit mehreren künstlich generierten Videos ohne Umschweife deutlich, wie wenig er auf die Kritik gibt. Ein auf seiner Plattform Truth Social veröffentlichter Clip zeigte ihn etwa als Piloten eines Kampfjets mit der Aufschrift «King Trump». Mit dem Flieger wirft er braunen, an Kot erinnernden Schlamm über Demonstrierende ab.

Millionen auf der Straße

Nach Angaben der Veranstalter waren die landesweiten Proteste die größten, die es gegen einen amtierenden US-Präsidenten in der modernen Geschichte an einem Tag gegeben habe. Sie sprachen von rund sieben Millionen Teilnehmenden. Unabhängigere Schätzungen gehen von etwa 5,2 Millionen aus - mit einer möglichen Obergrenze von 8,2 Millionen, wie der Datenjournalist G.?Elliott?Morris in Zusammenarbeit mit dem Newsroom «The?Xylom» ermittelt hat.

Wenn sich die Zahlen in späteren Hochrechnungen bestätigen, könnte die eintägige Protestveranstaltung tatsächlich den bisherigen Rekord übertreffen: Den halten die Proteste des Women's?March?2017, die mit 3,3 bis 5,6 Millionen Teilnehmenden angegeben wurden.

Seit Trumps Amtsantritt im Januar haben die Demonstrationen gegen ihn deutlich zugenommen. Seit Beginn des Jahres wurden bereits über 31.000 Protestveranstaltungen registriert, gegenüber knapp 8.000 über denselben Zeitraum zu Beginn seiner ersten Amtszeit. Verschiedene Gruppen scheinen sich zunehmend untereinander zu vernetzen: Zahlreiche Initiativen sind inzwischen unter dem Dach von «No Kings» vereint. Zugleich gilt es als Herausforderung, die Vielzahl unterschiedlicher Anliegen zu bündeln.

Zusammenstöße in Portland

In mehreren Städten kam es zuletzt immer wieder zu kleineren Protesten, insbesondere gegen Trumps Migrationspolitik. Einer der Brennpunkte ist das als progressive Hochburg bekannte Portland im Bundesstaat Oregon. Dort gerieten an einer Einrichtung der Einwanderungsbehörde ICE wiederholt Demonstrierende, Gegendemonstranten und Bundesbeamte aneinander.

Während die großen «No Kings»-Proteste in Portland am Samstag laut dem Lokalsender KATU friedlich verliefen, kam es an der ICE-Einrichtung erneut zu Zwischenfällen. Nach Angaben des Senders setzten Bundesbeamte Tränengas ein; es gab mehrere Festnahmen.