Gaza

Nach Angriff auf Israels Truppen: Neue Attacken in Gaza

Seit dem 10. Oktober ist die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen in Kraft. (Archivbild) | © Ariel Schalit/AP/dpa

19.10.2025 | 19.10.2025, 18:16

Die mühsam vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas ist gefährlich ins Wanken geraten. Israel meldete Angriffe auf seine Truppen im Süden des Gazastreifens, die israelische Luftwaffe bombardierte daraufhin nach Medienberichten Dutzende Ziele im Gazastreifen. Insgesamt wurden nach Angaben mehrerer Krankenhäuser bei verschiedenen Angriffen 14 Palästinenser getötet.

Israel hat außerdem nach Angaben aus Sicherheitskreisen die Lieferung humanitärer Hilfsgüter in den Gazastreifen wieder gestoppt. Grund sei eine «eklatante Verletzung» der Waffenruhe-Vereinbarungen durch die Hamas. Nach Inkrafttreten der Waffenruhe am 10. Oktober waren die Hilfslieferungen als Teil der Vereinbarung ausgeweitet worden, mit einem Ziel von 600 Lkws am Tag.

Beschuss israelischer Truppen mit Panzerfaust

Mitglieder der islamistischen Hamas suchen nach Leichen israelischer Geiseln. - © Abdel Kareem Hana/AP/dpa
Mitglieder der islamistischen Hamas suchen nach Leichen israelischer Geiseln. (© Abdel Kareem Hana/AP/dpa)

Ein ranghoher israelischer Militär hatte der Hamas zuvor einen schweren Verstoß gegen die Waffenruhe im Gaza-Krieg vorgeworfen. Die Armee teilte mit, Soldaten seien im Süden des Gazastreifens unter anderem mit einer Panzerfaust beschossen worden. Im Norden des Gazastreifens hätten sich Bewaffnete israelischen Soldaten genähert und seien erschossen worden. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ordnete als Reaktion neue Angriffe in dem Küstenstreifen an.

Der militärische Hamas-Arm wies jedoch jegliche Verantwortung für die gemeldeten Angriffe zurück. «Wir bekräftigen unsere vollständige Verpflichtung, alles umzusetzen, was vereinbart wurde», hieß es in einer Mitteilung der Kassam-Brigaden. Dies gelte vor allem für die Waffenruhe in allen Gebieten des Gazastreifens.

Angriff hinter der «gelben Linie»

Die Angriffe ereigneten sich nach Angaben des Militärs in einem von Israel kontrollierten Gebiet östlich der «gelben Linie». Hinter diese hatte die Armee sich als Teil der vereinbarten Waffenruhe zurückgezogen.

Isat al-Rischek, Mitglied des Hamas-Politbüros, warf Israel in einer Mitteilung seinerseits vor, gegen die Waffenruhe zu verstoßen und «fadenscheinige Vorwände» zu fabrizieren, «um seine Verbrechen zu rechtfertigen». Er beschuldigte Netanjahu, dieser wolle sich vor seinen Verpflichtungen gegenüber den Vermittlern drücken, weil er unter Druck rechtsextremer Koalitionspartner stehe.

Rechtsextreme Minister fordern Rückkehr zum Krieg

Israels Polizeiminister Ben-Gvir forderte Netanjahu nach ersten Berichten über einen Hamas-Angriff dazu auf, die Armee anzuweisen, «die Kampfhandlungen im Gazastreifen vollständig und mit voller Stärke wieder aufzunehmen».

«Die trügerischen Vorstellungen, Hamas werde ihre Haltung ändern oder auch nur ein von ihr unterschriebenes Abkommen einhalten, erweisen sich, wie zu erwarten, als gefährlich für unsere Sicherheit», schrieb Ben-Gvir auf der Plattform X. «Die nazistische Terrororganisation muss restlos vernichtet werden - und zwar möglichst bald.» Der ebenfalls ultrarechte Finanzminister Bezalel Smotrich schrieb bei X nur: «Krieg!» Die beiden Minister hatten die Waffenruhe-Vereinbarung von Anfang an kritisiert und auch dagegen gestimmt.

US-Unterhändler kommen wieder in die Region

Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ist seit dem 10. Oktober in Kraft. Es gab allerdings bereits mehrere gewaltsame Zwischenfälle, bei denen auch Palästinenser getötet wurden.

Die Waffenruhe ist Teil eines Friedensplans von US-Präsident Donald Trump. Israel und die Hamas hatten sich dabei auch auf den Austausch von Geiseln und Gefangenen und einen teilweisen Rückzug der israelischen Truppen im Gazastreifen geeinigt. An den Verhandlungen waren auch Ägypten, Katar und die Türkei beteiligt gewesen. In dieser Woche werden US-Vizepräsident JD Vance sowie die US-Unterhändler Steve Witkoff und Jared Kushner in Israel erwartet.

Leichen von zwei weiteren Hamas-Geiseln identifiziert

Die Hamas hatte am Samstagabend in Übereinstimmung mit der Vereinbarung die Leichen von zwei weiteren Geiseln übergeben. Das Forum der Geiselfamilien teilte mit, es handele sich um den israelischen Fotografen Ronen Engel aus dem Kibbuz Nir Oz sowie um einen Landwirtschaftsarbeiter aus Thailand, der acht Jahre lang in Israel gearbeitet habe.

Engel, ein 54-jähriger Vater von drei Kindern, war während des Hamas-Massakers im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 getötet worden. Seine Leiche wurde in den Gazastreifen verschleppt. Seine Frau und zwei seiner Kinder waren ebenfalls entführt worden, aber während einer Waffenruhe im Gegenzug für palästinensische Häftlinge wieder freigelassen worden. Der Thailänder wurde den Angaben zufolge ebenfalls am Tag des Massakers getötet und aus dem Kibbuz Beeri verschleppt.

Damit verbleiben noch 16 getötete Geiseln im Gazastreifen. Israel wirft der Hamas absichtliche Verzögerung vor. Die Terrororganisation beruft sich dagegen darauf, dass es für sie schwierig sei, die Leichen zu finden, weil sie unter den Trümmern bombardierter Gebäude und Tunnel verschüttet seien. Vor knapp einer Woche waren 20 Geiseln freigelassen worden, die zwei Jahre in der Gewalt der Hamas überlebt hatten.

Die Kassam-Brigaden teilten mit, es sei die Leiche einer weiteren Geisel gefunden worden. Sie warnten, neue Angriffe Israels könnten die Bemühungen um die Bergung weiterer sterblicher Überreste gefährden.

Hamas widerspricht US-Vorwürfen zu geplantem Angriff auf Zivilisten

Die Hamas wies derweil Vorwürfe der USA zurück, dass sie einen Angriff auf palästinensische Zivilisten im Gazastreifen plane. Es handele sich um «haltlose Behauptungen», die im Einklang mit israelischer Propaganda stünden, hieß es in einer Mitteilung der Hamas.

Das US-Außenministerium hatte vor einem «unmittelbar bevorstehenden» geplanten Angriff der Hamas auf palästinensische Zivilisten gewarnt. Die USA hätten die Garantiemächte des Gaza-Friedensplans über «glaubwürdige Berichte» informiert, die auf eine Verletzung der bestehenden Waffenruhe hindeuteten, teilte das Ministerium mit. Es hatte nach Inkrafttreten der Waffenruhe Berichte über Hinrichtungen von palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen durch die Hamas gegeben.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in Israels Geschichte durch Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen. Am 7. Oktober 2023 wurden nahe der Grenze zum Gazastreifen auf israelischer Seite etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 verschleppt. Israel reagierte mit massiven Angriffen aus der Luft und am Boden. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden mehr als 67.000 Menschen getötet.